Sonntagsblatt 1/2021 | Page 10

fentlichen Meinung heutzutage - so klar wie Zeltner bekennen würden , der sein Bekenntnis aus seiner Muttersprache herleitet ?
Womit wir beim zweiten Thema sind : Was die Pflege der deutschen Muttersprache an ungarischen Schulen angeht , weisen Zeltners Worte auf einen Missstand von brennender Aktualität hin :
„ Doch als ich in der Schulbank saß , war ’ s oftmals schwer und unbequem . Da lernt ’ ich schreiben , lesen in Landessprache nur .“
„ Schwer und unbequem “: Natürlich , ohne muttersprachlichen Deutschunterricht an den ungarischen Schulen ist das kein Wunder ! Was in den 1910er und 1920er Jahren für Zeltner galt , gilt heute für die Deutschen Ungarns umso mehr . Wie gut haben es da die Angehörigen der madjarischen Minderheiten z . B . in der Slowakei und in Siebenbürgen . Ihnen steht ein komplett muttersprachlicher Bildungsweg zur Verfügung , von dem die Deutschen Ungarns nur träumen können , da die strukturellen Voraussetzungen für eine umfassende deutsche muttersprachliche Förderung an ungarischen Schulen nicht vorhanden sind ( mit „ Deutsche “ meine ich hier Menschen deutscher Muttersprache und / oder Abstammung , die sich als Deutsche im Sinne Bleyers und Zeltners sehen ).
Es liegt gerade an uns , den deutschen Muttersprachlern , im Bereich des muttersprachlichen Deutschunterrichts in Ungarn durch persönliche Initiative , Ideen und Anregungen für Besserung zu sorgen und Abhilfe zu schaffen .
Persönliches : Mich verschlug es vor etlichen Jahren in die Ödenburger Gegend . Wie so viele Deutschödenburger der letzten 200 Jahre ( z . B . Johann R . Bünker , Friedrich Rösch , Moritz Kolbenheyer , Friedrich Seltenhofer , Johann A . Muck , Karl Romwalter , Stefan Dorfmeister u . v . m .) war auch ich ursprünglich ein „ Zugroaster “ aus einem fernen Winkel des deutschen Sprachraums . Für mich , meine Frau und meine Kinder ist die im Gedicht genannte ungarisch-deutsche Zweisprachigkeit ein fester Bestandteil unseres Alltags .
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Der Großteil der Gedichte Franz Zeltners findet sich in dem Buch „ Jahresringe “ ( ungarndeutsche Anthologie ) von 1984 und in der Broschur „ Literarischer Rundbrief “ ( Nr . 5 ) von 1985 .
EU-Minderheiten-Brüskierung
Von Dr . Bruno Burchhart
Einen schwerwiegenden Rückschlag bedeutete die Zurückweisung der europäischen Minderheiten-Initiative durch die EU-Kommission für die Bemühungen eine einheitliche Rechtsnorm für Minderheiten zu erreichen . Gerade auch die Ungarndeutschen hatten sehr viel auf den Minority SafePack gesetzt , der etliche Gesetzesvorschläge für die Verbesserung der Situation in Bezug auf Volksgruppenrechte , Sprachen-Vielfalt und Kultur gebracht hatte . die dann von der EU-Kommission behandelt werden müssen . Von den drei wesentlichen EU-Elementen - sonst noch Parlament und EU-Rat ( bestehend aus Regierungs- und Staatschefs ) – ist die EU-Kommission nämlich die einzige , die Gesetze für die Europäische Union erlassen kann . Allein das scheint schon in Richtung eines EU-Demokratie-Defizits zu gehen .
Immerhin gelang es der FUEV ( Föderative Union Europäischer Volksgruppen ) mit der Minority SafePack-Initiative knapp 1,2 Millionen Unterstützungserklärungen in dem geforderten Viertel der EU-Staaten in einem aufwendigen Verfahren innerhalb eines Jahres zu erreichen . Nach der zuerst von der EU-Kommission erfolgter Ablehnung der notwendigen Registrierung entschied jedoch der Europäische Gerichtshof die Rechtmäßigkeit der Initiative und so musste die EU-Kommission doch die wohlbedachten Gesetzesvorschläge behandeln .
Diese hätten den Schutz nationaler Minderheiten gewährleisten sollen , wobei der Schutz und die Förderung von Minderheitenrechten , Sprachrechten und Kultur europaweit ermöglicht und in gesetzlichen Normen festlegt werden sollten .
Im Einzelnen war u . a . vorgesehen : Aufnahme vom Schutz nationaler Minderheiten in die Ziele des EU-Fonds für regionale Entwicklung und Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt , Förderprogramme für kleinere Sprachgemeinschaften und Schaffung eines Zentrums für Sprachenvielfalt , EU-Empfehlung zum Schutz und zur Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt , Forschung über den Mehrwert von Minderheiten in Europa sowie Freiheit der Leistung und Inanspruchnahme audio-visueller Inhalte in den Minderheitenregionen .
In Europa gibt es einerseits die Kopenhagener EU-Beschlüsse von 1993 , die in den Kriterien für die Aufnahme in die EU ( damals vorwiegend die ehem . Ostblockstaaten ) die Anerkennung von Minderheiten festlegten . Weiter gibt es die „ Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen “ von 1992 , welche Sprachregelungen u . a . für Bildung , Justiz und Medien festhielt , sowie das „ Rahmenübereinkommen zum Schutz von Minderheiten “ von 1995 . Letzteres wurde allerdings - wie z . B . von Frankreich - nicht von allen EU-Staaten ratifiziert . Diese bisherigen Dinge schienen aber der FUEV als Vertreterin von über 90 Minderheiten in über 33 europäischen Staaten in einer sich fortentwickelnden Gesellschaft zu wenig . Übrigens gibt es in der FUEV zwei große Arbeitsgemeinschaften , die slawische und die deutsche , wobei letztere die größte staatenübergreifende Volksgruppe in Europa darstellt .
Mit großen Erwartungen wurde die Minority SafePack-Initiative eingebracht . Hatte doch auch das Europa-Parlament dieses Begehren mit mehr als 75 Prozent Zustimmung unterstützt . Die EU-Bürokratie hatte sich jedoch wenig Mühe mit dieser beachtlichen Initiative gemacht und zu den einzelnen Punkten mehr oberflächliche Betrachtungen angestellt . Die Zurückweisung dieser umfangreichen europäischen Bürger-Initiative stellt eine beträchtliche Brüskierung nicht nur der Parlamentarier , sondern besonders der 50 Millionen EU-Bürger in den Minderheiten dar . Diese haben es in ihren einzelnen Herbergsstaaten ohnehin meist nicht leicht . Ist doch auch in Ungarn bei weitem nicht alles bestens gelöst , wenn man nur an die Förderung von deutscher Muttersprache und Schulwesen denkt . Schon gar nicht ist z . B . auch in Slowenien 75 Jahre nach Weltkriegsende die verfassungsmäßige Anerkennung der deutschen Minderheit erfolgt - trotz mehrmaliger Ermahnung durch die EU : eine Schande für die so oft gepriesene europäische Wertegemeinschaft .
Der EU-Lissabon-Vertrag von 2007 hatte nämlich erstmals eine Europäische Bürger-Initiative vorgesehen . Diese ist insofern interessant , als mit einer Million Unterstützern aus einem Viertel der EU-Staaten Gesetzesvorschläge eingebracht werden können ,
Die Zurückweisung der FUEV-Initiative ist aber in der jetzigen Lage der Europäischen Union besonders deprimierend : Wird doch dauernd von zunehmender Europa-Müdigkeit und Europa-Skepsis gesprochen , die durch mehr Einbeziehung der
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