gigen Youtube-Kanal gesendet wird) soll sich der Leitende Di-
rektor der Literaturagentur Petőfi, Szilárd Demeter, per Mail an
den deutschen Abgeordneten Emmerich Ritter gewandt und um
Verzeihung gebeten haben. Darüber berichtete Ritter am ersten
Sitzungstag des Ungarischen Parlaments nach der Winterpause
und sagte, dass das in der Sendung Gesagte uns alle erschüttert
habe.
Auch Miklós Soltész, Staatssekretär für Kirchen- und Nationalitä-
tenbeziehungen in der Staatskanzlei, ergriff das Wort und beton-
te, dass der 19. Januar seit 2012 Gedenktag der Verschleppung
und Vertreibung der Ungarndeutschen ist. In den ost-mitteleuro-
päischen Ländern seien viele Zehntausende ums Leben gekom-
men und Hundertausende aus ihrer Heimat vertrieben worden,
weil sie deutscher Abstammung waren. Der Politiker hält es
nach eigenem Bekunden für völlig inakzeptabel, ihr Gedenken
zu schänden, sie zu verunglimpfen und die Bedeutung des Un-
rechts, das sie erlitten haben, geringzuschätzen oder in Frage
zu stellen. Die Regierung bemühe sich um die alteingesessenen
Nationalitäten, indem sie diese unterstütze, damit ihre Sprache,
Kultur und Identität weitergegeben werden. Am Ende seiner
Rede habe der Politiker nach Berichterstattung auf der Seite des
Staatsfernsehens hirado.hu eine lange Aufzählung nach seiner
Auffassung streitbarer Aussagen begonnen, so hätte der ehe-
malige Jobbik-Abgeordnete Márton Gyöngyösi einst gefordert,
Abgeordnete jüdischer Abstammung auf Listen zu setzen, oder
neulich habe der DK-Abgeordnete Péter Niedermüller die wei-
ßen, heterosexuellen Männer und Frauen ein „furchtbares Gebil-
de“ genannt. Der Staatssekretär begrüßte in seiner Rede, dass
Szilárd Demeter „zwar verspätet, aber dennoch“ die Deutschen
um Verzeihung bat, so der Bericht der regierungskritischen Zeit-
schrift magyarhang.org, die damals als erstes Presseorgan über
den Fall berichtete.
Der Jobbik-Abgeordnete Dr. Koloman Brenner, der zusammen
mit anderen Abgeordneten der Opposition gegen die Beteiligten
der Sendung Strafanzeige erstattete, sprach in einem Face-
book-Post von einem „Teilerfolg“. Er bemerkte mit nicht wenig
Ironie, dass die Staatsanwaltschaft auf die Strafanzeige zwar
noch nicht reagiert habe und weiterhin Sendungen produziert
würden, in denen man sich über die Ausrottung der Deutschen
lustig machen würde, aber sich der anfangs zögerliche deutsche
Abgeordnete im Parlament zu Wort gemeldet habe. Brenner freu-
te sich, dass der Agenturchef Szilárd Demeter sich bei Emmerich
Ritter entschuldigt habe, erwartet dies nach eigenem Bekunden
auch in seine Richtung. Der Abgeordnete bekräftigt in dem Post
seine Forderung nach einem Rückzug des Agenturchefs. Zum
Schluss nahm Brenner Bezug auf die abschließende Worte von
Staatssekretär Soltész, die in Verunglimpfung ausgeartet hätten,
wodurch man diesbezüglich keine Illusionen haben sollte.
Trödelkram
Von Georg Sawa
Es ist ein alter Gegenstand unseres Haushalts die Tage in mei-
ne Hände geraten. Ein kleiner Handhobel eines Vorfahren, der
Tischler gewesen ist. „Arcularius”, wie es der Pfarrer damals bei
seiner Heirat im Matrikel festhielt. „1814” – so steht es ins Holz
von diesem Werkzeug geschnitzt – und ein Monogramm: „P. S.”
Als ob dies gar nicht für Petrus Sawa, sondern für Post Skriptum
stünde: als eine Nachschrift, eine Botschaft für eine Zeit in der
Zukunft. Sei es meine Zeit!
10
In einer Erinnerung aus meiner Kindheit ist dieser Hobel schon
einmal zum Vorschein gekommen. Da hielt ihn mein Vater in sei-
ner Hand und betrachtete ihn als einen wertlosen Gegenstand,
weil das Messer bereits so verrostet gewesen ist, dass man an
ein Schärfen nicht mehr hat denken können, wodurch das kleine
Werkzeug seinen praktischen Wert verlor. Mein Vater wollte es
wegwerfen, dessen ungeachtet, dass dieser „P. S.” einer aus der
Reihe seiner Vorfahren gewesen ist. Ich bat meinen Vater, den
Hobel zu behalten; bis jetzt fiel es mir jedoch nicht noch einmal
ein, nach ihm zu suchen. Wo nun die Tageshitze des Sommers
vorbei ist, bin ich einmal auf den Dachboden gegangen, mit dem
Vorsatz, alles zu entstauben und zu entspinnweben. Dabei guck-
te ich in jene Holzkiste, die meinem Urgroßvater als Soldat im
Ersten Weltkrieg gehört hat – und seither bereits seit Genera-
tionen als Werkzeugkiste dient. Neben Handbohrern, Fuchs-
schwanzsägen und sonstigem Kram erblickte ich nun den Hobel.
Verstaubt, matt und von den Holzwürmern durch- und durchge-
löchert. Er schmiegte sich aber griffbereit und gewissermaßen
wohltuend in meine Hand, so dass ich mit dem Säubern und Auf-
räumen kurzerhand aufgehört habe. Mithilfe eines leicht ange-
feuchteten Lappens wischte ich den Staub der Jahrzehnte weg,
um die liebevoll geschnörkelten Zahlen und Buchstaben sowie
eine Rankenornamentik, die den Kanten entlang eingearbeitet
ist, näher zu betrachten. Ich habe den Hobel mit Bienenwachs
behandelt und seidenmatt poliert. Er liegt jetzt bei uns in der
Vitrine unter Bleikristall und Porzellan. Es hat auch mich selber
verwundert, dass er unter den edlen „Gesellen” nicht als wertlos
hervorsticht. Jetzt durchfährt mich, sooft ich zur Vitrine blicke,
eine besondere Freude!
Nun denke ich über die weiteren Gegenstände des alten Haus-
halts nach. Wie die Möbel mit gedrechselten und geschnitzten
Ornamenten in die Garage und in den Keller gelangt sind, mit-
samt jener Schublade aus Nussbaum, mit den Porzellanknöpfen,
die auf versilberten Beschlägen montiert gewesen sind. Sie sind
aus der Mode gegangen. Jetzt stelle ich mir die Frage, wie man
überhaupt nur auf den Gedanken kommen konnte, Hart- und
Edelgehölz auf „Industriepappe” einzutauschen?! Die alte Näh-
maschine, deren Nähtisch feinste Intarsien verziert haben! Nach
den Jahrhunderten, wo meine Ahnen bessere und feinere – sehr
wohl auch haltbarere und wertvollere – Möbel und Einrichtungs-
gegenstände sich haben leisten können, wurden ihre Nachkom-
men von der Mode eingeholt und ließen sich dazu hinreißen, ja
verblöden, sich vom Wert an und für sich abzunabeln, um das
wahre Erbe gegen wertlosen Wegwerfkram einzutauschen…
Es erging uns natürlich nicht nur im Falle vom materiellen, son-
dern vielleicht noch viel mehr bei unserem geistigen Erbe so und
noch schlimmer. Oft denken wir gar nicht daran, dass unsere Ah-
nen schon bei ihrer Ankunft in Ungarn keine Analphabeten gewe-
sen sind! Dass wir ihre Schriften und Aufzeichnungen ohne Emo-
tionen dem Verschwinden und Verwesen preisgegeben haben!
Dass uns die Menschen, die uns von alten Schwarz-Weiß-Pho-
tographien anschauen, fremd geworden sind, obwohl sie vor
kaum 100-150 Jahren gelebt haben und unsere Ahnen gewesen
sind…! Es ist doch Zeit, ja vielleicht die letzte Möglichkeit, den
Staub des Vergessens wegzuwischen, um die Kontinuität in un-
serem Dasein herzustellen! Denn wie wollen wir selbst über uns
auch etwas nur wissen, wenn uns unsere direkten Vorfahren (in
quasi jeder Hinsicht) unbekannt geworden sind? Dürfen wir jedes
Gefühl der Lebensweise von früher unbekümmert verfliegen las-
sen? Ist es rechter Dinge, dass wir eventuell die Inschriften der
alten Grabsteine unserer Ahnen nicht mehr entziffern können,
weil wir die Ausrede haben, die Frakturschrift nicht mehr lesen zu
können? Wie weit können wir in uns gefestigt sein, wie weit kom-
men wir an unserem Weg voran, ohne die imaginäre Kraft wahr-
zunehmen, die von jenen Gegenständen herrühren, die unsere
Ahnen gebraucht haben, die durch ihre Tränen oder durch ihren
SoNNTAGSBLATT