Sonntagsblatt 1/2019 | Page 5

Millionen Forint, nahezu 850.000 Euro. In wenigen Wochen, am 7. März, werden wir im Jäger-Saal des ungarischen Parlaments den geladenen Vertretern der deutschen Selbstverwaltungsein- heiten und Nationalitätenschulen die Aufteilung dieser Förderung für das Jahr 2019 unterbreiten, welche nun schon eine ganze Milliarde 350 Millionen Forint, das sind 4 Millionen 220 Tausend Euro, sein werden. Somit wuchs die Sonderförderung der Nationalitäten-Selbstver- waltungen und der übernommenen deutschen Bildungs- und Kultureinrichtungen innerhalb von 3 Jahren von 0 auf 4 Millionen 220 Tausend Euro. Und lassen Sie mich noch ein herausragendes Ergebnis nenne, welches in engem Zusammenhang mit der Pflege der ungarn- deutschen Muttersprache steht: Den jährlichen finanziellen Rah- men für deutschsprachige Kinder-Ferienlager, welcher im Jahre 2014 zugesichert wurde, konnten wir in den letzten 5 Jahren von 30 Millionen Forint auf 600 Millionen Forint anheben, das bedeu- tet, ihn verzwanzigfachen. In Euro gerechnet konnten wir also den Rahmen von kaum 94 Tausend Euro auf 1 Million 875 Tau- send Euro, nochmals betont, verzwanzigfachen. Dies bedeutet, dass heute eine Klasse von 25 deutschen Nationalitäten-Schü- lern, für einen deutsch-muttersprachlichen Schullager-Aufenthalt von 5 bis 7 Tagen in Österreich, Deutschland oder sei es Tirol pro Kind ganze 100-120 Tausend Forint, ganze 3-400 Euro, Förde- rung erhalten kann. Ich denke, dass diese Zahlen für sich sprechen. Daher möchte ich auch hier und jetzt ein klares und ehrliches Dankeschön an die ungarische Regierung und das ungarische Parlament aussprechen, im Namen der Ungarndeutschen und aller 13 langansässigen Nationalitäten Ungarns. Nicht zufällig habe ich neben der ungarischen Regierung auch das ungarische Parlament genannt, darunter alle Oppositions- fraktionen und fraktionslose Abgeordnete, denn in der vergange- nen 4-jährigen Amtszeit sowie auch im neuen Parlament seit den letzten Wahlen im April 2018 wurden alle seitens der deutschen Nationalitätenvertretung eingereichten Gesetzesinitiativen und -änderungsinitiativen einstimmig beschlossen! Die Belange der nationalen Minderheiten Ungarns wurden, unter nationalem Konsens, aus dem täglichen politischen Streit her- ausgehalten, und hierfür bedanken wir uns zutiefst bei allen 198 Abgeordneten, Gott erhalte ihnen diese gute Sitte! Mit den Entwicklungen der letzten 5 Jahre, der direkten parla- mentarischen Vetretung der nationalen Minderheiten, der hierzu garantierten einheitlichen Unterstützung seitens Regierung und Parlament haben wir alle Gelegenheit dazu, tiefgreifende quali- tative Veränderungen zugunsten der Kinder, was ihr Leben und ihre Zukunft als Teil dieser deutsche Nationalität betrifft, zu er- reichen. Wir müssen die Gelegenheiten, welche wir bekommen oder viel- mehr die wir uns erkämpft haben, nur gut nutzen! Ich bin außerordentlich optimistisch und werde meinerseits im Parlament weiterhin alles darum tun und hierzu erbitte ich auch Ihre Hilfe, Zusammenarbeit und Unterstützung in jeder Form für die Zukunft der Kinder in unserer deutschen Nationalität! Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Emmerich Ritter Parlamentarischer Abgeordneter der Ungarndeutschen Quelle: Internetseite des Generalkonsulats von Ungarn in Mün- chen Lesen Sie auch unseren Kommentar „Mit mehr Ködj noch kein Erfolg” im Ressort „Merkwürdigkeiten”. SoNNTAGSBLATT Mut und Ausdauer können Berge versetzen Ungarndeutsche Familien und die deutsche (Mutter-)Sprache Von Richard Guth Neulich war ich mit meinem Sohn in einer Budapester Kinder- klinik. Er musste stationär aufgenommen werden, so haben wir die Nacht im Spital verbracht. Seit seiner Geburt rede ich mit ihm ausschließlich deutsch, so war das auch während des Kranken- hausaufenthaltes. Die Reaktionen waren unterschiedlich, aber generell positiv, aufgeschlossen. Einige versuchten sogar, wie ei- ner der Kinderärzte, ihre Deutschkenntnisse zu reaktivieren und mit meinem Kind einige Worte auf Deutsch zu wechseln. Worte der Vertrautheit, aber irgendwo der Fremdheit in einer anders- sprachigen Umgebung. Mich interessiert schon seit geraumer Zeit, wie andere ungarndeutsche Familien ihre „Andersartigkeit” erleben. Andersartigkeit, denn in ihren Familien wird Deutsch als Mutter- (oder Vater)sprache gesprochen, etwas, was vor siebzig Jahren noch etwas völlig Selbstverständliches war. Ich habe eine Familie aus der Region Nord und eine aus dem Süden hinsicht- lich ihrer Erfahrungen befragt. In der Familie aus der Region Nord sind beide Elternteile Ungarn- deutsche, oder „Donauschwaben”, wie sie es zu sagen pflegen, die Familie in Südungarn ist eine deutsch-madjarische Familie, Ehemann Ungarndeutscher, Ehefrau Madjarin siebenbürgischer Herkunft. Der Ehemann der ersten Familie hat im deutschspra- chigen Ausland studiert, beide Eheleute haben dort gearbeitet und halten es nach eigenen Angaben für wichtig, dass „die Spra- che der Ahnen nicht verloren geht”. Über eine ähnliche Motiva- tion berichtet der Fünfkirchener Familienvater: „Ich bin in einer ungarndeutschen Familie aufgewachsen, habe noch die frän- kisch-fuldische Mundart meiner Ahnen mit in die Wiege gelegt bekommen, also war es meinerseits gar keine Frage, ob ich die deutsche Sprache meinen Kindern weitergeben soll.“ In der Of- ner Familie würde fast ausschließlich deutsch gesprochen, dies gelte auch für die Kommunikation der Kinder und Eheleute unter- einander. Die Fünfkirchener Familie hat sich für das Modell „eine Person-eine Sprache“ entschieden, so spricht der Familienvater mit ihren beiden Kindern deutsch, die Ehefrau ungarisch. Hier sprechen die Eheleute untereinander ungarisch, „eine Gewohn- heitssache“, so der Familienvater. Der Dialekt spielt in keiner der beiden Familien eine Rolle, lediglich die Kinder der Fünfkirche- ner Familie hätten noch die Gelegenheit, der Urgroßmutter beim Mundartsprechen zuzuhören und für Schulwettbewerbe Mund- artgeschichten zu lernen. Mit dem deutschen Sprachgebrauch scheinen sie nicht alleine dazustehen: „Es gibt mehrere Familien in meinem Bekannten- und Verwandtenkreis, in denen Deutsch wegen der ungarndeut- schen Wurzeln weitergegeben wird. Mehrere meiner ehemaligen Kommilitonen von der Uni versuchen ihrem Nachwuchs Hoch- deutsch als (zweite) Muttersprache mit auf den Weg zu geben“, so der Familienvater aus Südungarn. Er berichtet ferner von Familien aus dem Bekannten- und Freundeskreis, in denen der Sprachgebrauch nicht auf entsprechende Wurzeln zurückzufüh- ren wäre, sondern vielmehr auf praktische Erwägungen, wo der eine Ehepartner eine bestimmte Sprache (in der Regel Englisch oder Deutsch) gut beherrscht. Das Ofner Familienoberhaupt kennt nach eigenen Angaben auch Familien, in denen man ja versuchen würde, in der Familie deutsch zu sprechen, aber als besondere Schwierigkeit würde sich die Inkonsequenz erweisen, denn man neige dazu, wenn es kompliziert wird, auf das Unga- rische zurückzugreifen. Diese Inkonsequenz nütze aber beim Aufbau ein- und zweisprachiger Sprachstrukturen in der Familie nicht viel. (Fortsetzung auf Seite 6) 5