Ich bin in der glücklichen Situation, neben meinen zwei erwach-
senen Töchtern drei kleine – heute vielleicht gar nicht mehr so
kleine – Kinder zu haben, Gregor, 14 Jahre alt, meine Tochter
Maria, 12, und Annerose, 10 Jahre, alt. Mit ihnen habe ich per-
sönliche, lebendige Erfahrungen, was die Weitergabe der Natio-
nalitäten-Muttersprache über die Familie betrifft und welche ich
liebend gerne im Detail mit Ihnen teilen würde, jedoch bedürf-
te dies eines längeren Vortrages. Auch meine Frau stammt aus
einer langansässigen Wuderscher Schwabenfamilie, der Hau-
ser-Familie, und ist Pädagogin in der ungarndeutschen Nationa-
litätenbildung.
Kurz gesagt: Wir haben alles darum getan, dass unsere Kinder
mit deutscher Muttersprache aufwachsen. Nach einigen Jahren,
als wir schon langsam begannen das Ziel aufzugeben, dass sie
aktiv Deutsch sprechen werden, brach das Eis. Zuallererst bei
der Kleinsten, Annerose, die, aus Deutschland zurückgekehrt,
fortlaufend weiter Deutsch sprach. Daraufhin begann auch Maria
wenige Wochen später durchgehend Deutsch zu sprechen und
viel später schloss sich auch der Faulenzer Gregor an. Heute
sprechen sie schon jahrelang Deutsch untereinander, spielen
und lesen auf Deutsch. Heute also kann ich eindeutig behaup-
ten, dass Deutsch für sie alle drei eine Muttersprache ist, zumin-
dest neben dem Ungarischen.
Ich bin sehr stolz auf sie und denke, wenn meine Frau und ich
etwas richtig gemacht haben, dann dies, dass wir unsere Kinder
zur deutschen Muttersprache erzogen haben.
Und glücklicherweise sind wir nicht die Einzigen. Auch andere
ziehen ihre Kinder in Ungarn zu deutschen Muttersprachlern auf.
Gleichzeitig muss man aber sehen, dass sich für den Großteil
der Kinder mit ungarndeutscher Abstammung nicht die Gelegen-
heit ergibt, die deutsche Muttersprache von zuhause, aus der
Familie mitzubringen.
Womöglich weil der eine Elternteil nicht ungarndeutscher Ab-
stammung ist, weil die Eltern oder Großeltern nicht mehr genü-
gend gut Deutsch sprechen oder nur weil sie sich nicht mehr
auf das Deutschsprechen einstellen können, keine Möglichkeit
haben ihre Kinder in eine Umgebung zu bringen, wo Deutsch
muttersprachlich gesprochen wird und so weiter.
Was können wir also tun? Die Antwort ist eindeutig: Wir brau-
chen eine genügende Anzahl und ein genügendes Niveau von
deutschsprachigen Nationalitäten-Kinderkrippen, -Kindergärten
und - Schulen - in einem Netzwerk verbunden, in welchem die-
se Nationalitäteneinrichtungen den Kindern Deutsch als Mut-
tersprache dort zurückgeben können, wo die Familie dies nicht
mehr, noch nicht oder nur teilweise bereitstellen kann.
Die erste Stufe der Nationalitäten-Bildung sind die Kindergärten.
2016 erstellten wir in allen 215 deutschen Nationlitäten-Kinder-
gärten eine vollumfängliche Studie über die 5 vorhergehenden
und die 5 folgenden Jahre. Ebenso taten wir dies an den 8 Uni-
versitäten und Fachhochschulen, welche für die Ausbildung der
Nationalitäten-Pädagogen verantwortlich sind. Auf der Grund-
lage der Auswertung dieser Daten und der Entwicklungsmög-
lichkeiten haben wir zum Ende April 2017 ein komplexes Bil-
dungsprogramm für die deutschen Nationalitäten-Kindergärten
ausgearbeitet.
Darauf bauend wollten wir schon ab Januar 2018 stufenweise
sowohl in der Quantität und vor allem die Qualität betreffend Ver-
besserungen in der Ausbildung und der Erhaltung der Pädago-
gen der deutschen Nationalitäten-Kindergärten erreichen.
Das komplexe ungarndeutsche Kindergartenpädagogen-Pro-
gramm erfuhr auch eine Vorzugsbehandlung im Gesetz über den
Staatshaushalt 2018, welches die Bedürfnisse der nationalen
Minderheiten beinhaltet, sowie im Staatshaushalt für das Jahr
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2019, welcher schon im Juni 2018 angenommen wurde. Mit all
diesem konnten wir folgende konkrete Maßnahmen erzielen:
1.)
Innerhalb von zwei Jahren konnten wir die Gehaltszulagen der
Nationalitäten-Pädagogen (wir sprechen von fast 3000 Perso-
nen) von 10% auf 30% erhöhen.
2.)
Mit dem 1. September 2018 haben wir für die Studierenden der
Nationalitäten-Kindergartenpädagogik ein Stipendien-System
eingeführt. Sie werden diese Stipendien nicht nur während der
Ausbildung von 3-4 Jahren, sondern auch in den 3-4 Jahren des
Berufseinstiegs erhalten.
3.)
Im Januar 2019 werden die 8 Universitäten und Hochschulen,
welche die Ausbildung von Nationalitäten-Kindergartenpädago-
gen anbieten, eine besondere Förderung erhalten.
4.)
Mit September 2019 werden die Kindergärten eine gezielte För-
derung erhalten, welche Pädagogen in einem Nationalitäten-Auf-
bauprogramm fortbilden, die über einen ungarischen Abschluss
der Kindergartenpädagogik verfügen, aber selbst der ungarn-
deutschen Nationalität angehören.
Nach dem Kindergarten sind auf der nächsten Stufe die Nationa-
litätenschulen und die Qualitätsverbesserung in der Ausbildung
der Nationalitäten-Lehrer, daher:
1.)
werden wir mit dem 1. September 2018 auch in der universitä-
ren Nationalitäten-Lehrerbildung das Stipendiensystem für die
Studierenden einführen sowie gezielte Förderungen der entspre-
chenden Hochschulen und die Haushaltsförderungen der an-
stellenden Schulen.
2.)
werden wir mit dem 1. Januar 2020 die Gehaltszulagen der Na-
tionalitäten-Lehrer um weitere 10% auf 40% erhöhen, diesen An-
spruch auf alle Pädagogen ausweiten und ein Differenzialsystem
einführen.
Gleichzeitig werden wir auch die Nationalitäten-Ausbildung für
Krippen-pädagogen in Gang setzen sowie ein ungarndeutsches
Krippensystem ausbauen.
Wir müssen der qualitativen Förderung der deutschen Sprach-
kompetenzen in Bildung und Erziehung auf jedem Niveau eine
außerorderntliche Bedeutung zukommen lassen.
In dieser Qualitätsförderung kommt den Bildungs- und kulturel-
len Einrichtungen, welche die Landes- und die lokalen Selbst-
verwaltungen übernommen haben, eine Schlüsselrolle zu. Ihre
Anzahl hat sich in den letzten 5 Jahren vervielfacht.
Seit September 2018 unterhalten die Selbstverwaltungen in-
zwischen 64 ungarndeutsche Kindergärten, Grundschulen und
Gymnasien, und mit dem 30. Juni 2018 haben die Selbstverwal-
tungen dazu alle Rechte der Vermögensverwaltung der Einrich-
tungen erhalten. In diesen 64 Bildungseinrichtungen lernen jähr-
lich nahezu 15.000 ungarndeutsche Kinder. Das Schicksal ihrer
Nationalität liegt nunmehr – bildhaft und tatsächlich – in unseren
Händen!
Mit dem Betrag von 80 Millionen Forint, ca. 250.000 Euro, konn-
ten wir diesen, von den deutschen Selbstverwaltungen über-
nommenen Einrichtungen erstmals eine Sonderförderung im
Jahr 2017 zukommen lassen. 2018 betrug diese bereits 270
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