Sonntagsblatt 1/2019 | Page 11

me für Studenten auf die ersten drei-vier Jahre des Berufslebens (dazu habe ich in der letzten Nummer (04/2018) unter dem Ti- tel „Zweifel angebracht” einen längeren Kommentar verfasst) und besondere Fördermaßen für die Lehrerbildungsanstalten und schulischen Einrichtungen, deren Inhalt in der Rede von Emmerich Ritter nicht näher erläutert wird. Darüber hinaus soll das fehlende Glied - das System von Kinderkrippen - ausgebaut werden. Eine Schlüsselrolle käme den 64 Einrichtungen in der Trägerschaft einer Nationalitätenselbstverwaltung zu, denn nun läge die Zukunft der Nationalität – bildhaft und tatsächlich – in unseren Händen. Diese Einrichtungen würden darüber hinaus eine Sonderförderung erhalten, was in der Tat mehr als notwen- dig erscheint, denn seit Sommer sind sie auch für die Gebäude- erhaltung zuständig – ob die Summe von nun über 1,3 Milliarden Forint (4 Millionen Euro), also im Durchschnitt 20 Millionen Fo- rint je Einrichtung, ausreichen wird, wird sich zeigen. Emmerich Ritter berichtete auch darüber, dass Schulklassen mit bis zu 120.000 Forint (380 Euro) je Schüler bezuschusst werden, wenn sie ins deutschsprachige Ausland fahren. Als Muster für diese Maßnahme dient womöglich das Programm für madjarische Kin- der, um in Form von Klassen- und Studienfahrten Orte in den Nachbarländern aufzusuchen und so den Geist des „nationalen Zusammenhalts” zu erleben. Mehr Geld ist immer erfreulich, gerade wenn es um die zukünf- tigen Generationen geht. In dem Beitrag „Zweifel angebracht” habe ich hinsichtlich des neuen Stipendienprogramms Zweifel zum Ausdruck gebracht: Ein Stipendienprogramm mag bei der Studienfinanzierung und beim Berufseinstieg helfen, aber es bleibt zu bezweifeln, ob das in den ersten drei-vier Berufsjahren gewährte Stipendium junge Leute im Beruf hält. Dies gilt auch für die Erhöhung der Nationalitätenzulagen, die im konkreten Fall (Erhöhung zum 1. Januar 2019) keine großen Summen bedeutet. Es bedürfte einer Lösung, die alle Lehrer betrifft und zwar eine deutliche Erhöhung der Gehälter, zum Beispiel über die Koppe- lung der Lehrergehälter an den Mindestlohn - wie ursprünglich praktiziert, aber ganz schnell wieder abgeschafft. Dies brächte spürbare Gehaltszuwächse von 90.000 – 120.000 Forint netto (280-380 Euro) je nach Dienstjahren und Eingruppierung. Ange- sichts des Lohnzuwachses der letzten Jahre in der Privatwirt- schaft wäre diese Erhöhung mittelfristig immer noch ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Lehrermangel wird sich in der Zukunft aufgrund der Überalterung der Lehrerkollegien verschärfen. Was den Lehrerberuf noch zusätzlich attraktiv machen könnte, wären die Reduzierung der administrativen Lasten, der Pflichtstunden- zahl, der Klassengrößen und die Einstellung zusätzlichen sozial- pädagogischen Fachpersonals. Auch die Stärkung der Autono- mierechte der einzelnen Schulen (dies gilt ja in erster Linie für die staatlichen Schulen) wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Dazu bräuchte man aber nicht nur mehr Geld, sondern auch den politischen Willen. Das sind Rahmenbedingungen, die alle Schulen in Ungarn glei- chermaßen betreffen. Dennoch ist die Situation der deutschen Nationalitäteneinrichtungen speziell, wie auch die aller anderen Nationalitäten. Ich stimme Emmerich Ritter zu, dass eine Netz- werkbildung wichtig ist und dass den 64 Institutionen in deutscher Trägerschaft eine Schlüsselrolle zukommen soll. Dies wirft orga- nisatorisch die Frage auf, ob es nicht sinnvoll wäre – womöglich als Ausbau des Ungarndeutschen Pädagogischen Instituts – ein Landesschulamt einzurichten, das nicht nur die 64 Einrichtungen betreuen würde, sondern auch die restlichen mit Nationalitäten- programm, aber in staatlicher Trägerschaft. Die Zahl 64 finde ich auch unter einem anderen Gesichtspunkt interessant. Denn es ist eine überschaubare Zahl. Sie ließe sich sicherlich noch um einige Dutzend erweitern, aber entscheidend in diesem Zusam- menhang ist, wie Emmerich Ritter an mehreren Stellen betont, die Qualität. Ein wünschenswerter Mindestmaßstab für mich wäre die Zweisprachigkeit und an Schlüsselstellen (also in Ort- schaften mit bedeutender deutscher Bevölkerung) einsprachige Einrichtungen. „Wie soll das denn gehen im Falle von insbeson- SoNNTAGSBLATT dere kleineren Schulen, in denen man eine höchst heterogene Schülerschaft hat?” würde man zu Recht fragen. Da bedürfte es einer differenzierten Förderung, mehr Lehrerstellen und nicht Geldsegen nach dem Gießkannenprinzip. Dass es nie möglich sein wird, die wünschenswerten Maßnahmen 100 %ig umzu- setzen, ist mir auch klar. Das Ungarndeutsche Landesschulamt könnte – wiederum in Anlehnung an die Strategie 2020 – kon- krete Qualitätsstandards entwickeln und die Einrichtungen könn- ten mit einer Staffelung der Höhe der Zuwendungen motiviert werden: Wer mehr (qualitativ hochwertigen) deutschsprachigen Fachunterricht anbietet, kriegt mehr Geld. So könnte man – be- zogen auf die Grundschulen - das System der 5-Deutschstunden plus Volkskundeunterricht endlich aufbrechen, was man damals in der Wendezeit - aus welchen Überlegungen heraus auch im- mer - entwickelt hat. Denn fünf Stunden reichen nicht aus, um die verlorene Muttersprache zurückzuholen, zehn auch nicht. Eine realistische Chance besteht dann, wenn Zweisprachigkeit tatsächlich praktiziert wird und nicht nach Beliebigkeit von Jahr zu Jahr daran gebastelt wird. Ein- und Zweisprachigkeit muss aber auch gelebt werden – durch die Stärkung der Funktionali- tät der deutschen Sprache im Kindergarten- und im Schulalltag, konkret: deutschsprachige Kommunikation auf den Schulfesten, in den Pausen, unter Kollegen und im Büro - ein Modell, das in den Nachbarländern funktioniert, natürlich mit einer anderen his- torischen Entwicklung im Rücken und einer anderen Sprachsitu- ation. Oft wird auf das Vordringen des Englischen hingewiesen, was als Gefahr für den Deutschunterricht (sic!) bewertet wird. Ich meine hingegen: Es wird nur zur Gefahr, wenn man nicht kons- truktiv handelt – was spricht dagegen, dass die Schüler bereits ab der ersten Klasse beide Sprachen lernen (Deutsch hier als einzige oder gleichberechtigte Unterrichtssprache)?! Klar, das Schulgesetz, aber das lässt sich ohne weiteres ändern! Entscheidend ist bei all dem, inwiefern es gelingt, die Lehrer- ausbildung zu reformieren und zu stärken (unter aktiverer Be- teiligung des Mutterlandes), was auch Ritter in Aussicht stellt. Denn es braucht angehende Lehrer (Der Mangel an Lehrern, die deutschsprachigen Fachunterricht (DFU) erteilen können, ist noch gravierender als im Kreise der Lehrer, die ihr Fach auf Ungarisch unterrichten.), die die Möglichkeit haben ihr Fach auch auf Deutsch zu studieren. Denn es ist auffällig, dass ein hoher Prozentsatz der DFU-Lehrer Deutsch als Zweitfach hat. Aber auch an Kindergärten herrscht Not: Viele angehende Pädago- gen werden nach Erfahrungen der Kindergartenleitungen bereits während des Studiums von Anbietern im deutschsprachigen Ausland abgeworben. Genauso wichtig ist es, im Kreise der jet- zigen und zukünftigen Pädagogen einen Mentalitätswandel her- beizuführen. Dass man nämlich erkennt und sich bewusst macht, dass Deutsch kein reines Schulfach ist, was man am liebsten als eine Fremdsprache unterrichtet, sondern Teil des Alltags, Teil un- serer Identität. Wenn das nicht gelingt - und hier werden höhere Zuwendungen auch nicht helfen -, dann wird das von Emmerich Ritter formulierte Ziel, „mögen auch unsere Nachkommen die (Fortsetzung auf Seite 12) GEFÄLLT IHNEN DAS SoNNTAGSBLATT s ? IHRE SPENDE IST DIE JA-ANTWORT! 11