Sonntagsblatt 1/2019 | Page 7

Mitgliedschaft Ungarns im Warschauer Pakt aufgekündigt hatte, rückten sowjetische Panzerverbände in Ungarn ein und walzten den Aufstand blutig nieder. Nagy, der sich zunächst in die Jugos- lawische Botschaft flüchten konnte, wurde gefangen genommen und wegen Landesverrates zum Tode verurteilt. Am 16. Juni 1958 wurde er 62-jährig im Hof des Budapester Zentralgefäng- nisses gehängt und anschließend in einem anonymen Massen- grab verscharrt. Verhältnis des Fidesz zu Nagy gespalten Erst nach der politischen Wende wurde Nagy offiziell rehabilitiert und feierlich neubestattet. Mit dabei: der junge Studentenführer Viktor Orbán. Der heutige Ministerpräsident feierte hier seine erste große Stunde auf der politischen Bühne. In einer bis heute unvergessenen, flammenden Rede verneigte Orbán sein Haupt nicht nur vor den Reformkommunisten, sondern bezeichnete Nagy sogar als „letzten verantwortungsvollen Ministerpräsiden- ten Ungarns“. Nagy war damals eine der wenigen positiven his- torischen Figuren des 20. Jahrhunderts auf die sich beide politi- schen Seiten einigen konnten. Heute stellen viele von Orbáns Parteigenossen, darunter auch Parlamentspräsident László Kövér, jedoch die Rolle von Imre Nagy als demokratischen Volkshelden infrage. Der konservati- ve Historiker und Fidesz-Bezirksabgeordnete Gábor Sebes be- zeichnet Nagy gar als einen „opportunistischen Kommunisten, der erkannt habe, dass ein Seitenwechsel und die Unterstützung der Revolutionäre in seinem besten Interesse sind“. Auch das Fidesz-nahe Onlineportal Pesti Srácok schreibt: „Man hätte Nagy seine Sünden nie vergeben sollen. Damit bietet man Raum für die Annahme, dass es auch anständige Kommunisten gegeben hätte.“ Das Portal begrüßt die Umsetzung des Denkmals. Opposition vermutet Geschichtsumdeutung Ganz anders sehen es die unabhängigen und oppositionellen Medien. Das Nachrichtenportal index.hu wirft der Orbán-Regie- rung vor, die „Geschichte ausradieren zu wollen“. Die Argumen- tation, dass man nur den ursprünglichen Zustand des Platzes wiederherstellen wolle, lässt es nicht gelten und vermutet, dass nicht nur der Platz, sondern mit ihm auch unser Geschichtsbild restauriert werden sollen. So versuche man das Horthy-Regime zunehmend zu rehabilitieren. Eine Zeit, die, wie Index schreibt, vom „wachsenden Judenhass, der Einschränkung der Freiheits- rechte und von einer immer engeren Bindung an das faschisti- sche Naziregime geprägt war.“ Dem stimmt auch Péter Krekó, Politanalyst und Leiter des ungarischen Thinktanks Political Ca- pital, zu, der in einem Statement gegenüber der New York Times von dem Versuch spricht, „die rechte, autoritäre Vergangenheit Ungarns wiederzubeleben“. Der ungarische Historiker Krisztián Ungváry sieht in der Umplat- zierung des Denkmals ebenfalls „ein schlechtes Zeichen für die Zukunft“. „Es gibt wenige Denkmäler, die künstlerisch so gut um- gesetzt sind und dabei der Realität des 20. Jahrhunderts in ihrer Komplexität derart gerecht werden, wie das von Tamás Varga geschaffene Denkmal Imre Nagys“, so Ungváry. Der Historiker weist dabei auch auf das Wechselspiel zwischen Installation und Standort hin: „Nagys Blick richtet sich bewusst auf das Parla- ment, es ist Teil der Botschaft. Dies würde an einem anderen Standort verfälscht.“ Der Kritik einiger Politiker und Publizisten, die Nagy seine kommunistische Vergangenheit ankreiden, ent- gegnet Ungváry: „Als Christ denke ich, dass das Schicksal eines Mannes, der seine Sünden bereut hat, dafür sogar sein Leben ließ, viel mehr über Menschlichkeit aussagt.“ Ungvárys Ansicht nach sollte man das Erbe des Reformkommunisten abseits von Parteipolitik würdigen: „Nagy ist nicht nur ein Held für die Linke, sondern für alle Ungarn.“ Obwohl der ungarische Ausschuss für Gedenkstätten bereits An- fang Dezember endgültig dem Abbau des Nagy-Denkmals zu- SoNNTAGSBLATT gestimmt hatte und die Pläne für den Platz auch schon davor bekannt waren, formte sich handfester Widerstand erst nach- dem am 28. Dezember Tatsachen geschaffen worden waren. Einem Aufruf der Demokratischen Koalition (DK) zu einer Pro- testveranstaltung noch am selben Abend folgten knapp tausend Menschen. Dort sprach unter anderem auch die Enkelin des Revolutionshelden, Katalin Jánosi, die ebenso wie die Imre-Na- gy-Gesellschaft den Abbau der Statue scharf verurteilte. Viele stellten darüber hinaus am vorerst leeren Vértanúk tér Kerzen auf. Was den Verbleib des Denkmals angeht, so befindet es sich laut Tamás Wachsler, dem verantwortlichen Projektleiter, derzeit in Restauration. Mitte des Jahres soll der Ministerpräsident der Re- volution dann seinen neuen Platz auf dem nahe der Margareten- brücke gelegenen Jászai Mari tér finden. Bis dahin werde auch das anhand von zeitgenössischen Fotografien und Dokumenten authentisch rekonstruierte Denkmal für die Opfer des Roten Ter- rors fertiggestellt sein. In der Septemberausgabe des Sonntagsblattes (3/2018) ist unter dem Titel „Zieht Imre Nagy um?” bereits ein Meinungs- artikel von Patrik Schwarcz-Kiefer zum Thema erschienen. Sloweniendeutsche: VLÖ weist die Äußerungen des slowenischen Außenministers zurück Von Ing. Norbert Kapeller Die offizielle Anerkennung der deutschen altösterreichischen Minderheit in Slowenien ist für den VLÖ unumgänglich „Natürlich können wir solche Aussagen nicht unkommentiert stehen lassen“, sind sich die Verbandsvertreter des VLÖ, allen voran VLÖ-Präsident Dipl.-Ing. Rudolf Reimann und VLÖ-Ge- neralsekretär Ing. Norbert Kapeller, einig und weisen die jüngs- ten Äußerungen des slowenischen Außenministers Miro Cerar zurück, wonach dieser am Wochenende das „Nein“ Sloweniens zur Anerkennung der „deutschsprachigen Minderheit“ bekräftigte und es dafür auch keine rechtliche Grundlage gebe. „Die Presse“ berichtete darüber in Ihrer Online-Ausgabe am Samstag. (01. 12. 2018, Red.) „Diese Aussagen des slowenischen Außenministers sind natür- lich ein Schlag ins Gesicht für all jene, die sich ehrlich und inter- essiert für die Belange der deutschen altösterreichischen Volks- gruppe in Slowenien einsetzen, deren langjährige Forderung im Sinne der offiziellen Anerkennung als autochthone Minderheit unterstützen und somit auch den nachhaltigen Fortbestand die- ser sichern wollen“, führt Generalsekretär Kapeller weiter an. „Man fragt sich natürlich schon, was Außenminister Cerar mit seinen Worten bezwecken will, indem er sagt, dass Slowenien die deutsche Volksgruppe zwar in der Erhaltung der Identität unterstützen will, dieser aber gleichzeitig einen offiziellen Min- derheitenstatus verwehren möchte“, ortet Kapeller Widersprüch- lichkeit bei Außenminister Cerar und fragt sich darüber hinaus, wie man in Laibach die rechtlichen Grundlagen im Sinne der An- erkennung der deutschen Volksgruppe derartig negieren könne. Die Aussage Cerars, dass es auch „keine Veranlassung dazu gebe, der ethnischen Gruppe einen Sonderstatus zu verleihen“, lässt die VLÖ-Verantwortlichen ebenfalls irritiert zurück. „Die deutsche altösterreichische Volksgruppe in Slowenien will kei- (Fortsetzung auf Seite 8) 7