Mitgliedschaft Ungarns im Warschauer Pakt aufgekündigt hatte,
rückten sowjetische Panzerverbände in Ungarn ein und walzten
den Aufstand blutig nieder. Nagy, der sich zunächst in die Jugos-
lawische Botschaft flüchten konnte, wurde gefangen genommen
und wegen Landesverrates zum Tode verurteilt. Am 16. Juni
1958 wurde er 62-jährig im Hof des Budapester Zentralgefäng-
nisses gehängt und anschließend in einem anonymen Massen-
grab verscharrt.
Verhältnis des Fidesz zu Nagy gespalten
Erst nach der politischen Wende wurde Nagy offiziell rehabilitiert
und feierlich neubestattet. Mit dabei: der junge Studentenführer
Viktor Orbán. Der heutige Ministerpräsident feierte hier seine
erste große Stunde auf der politischen Bühne. In einer bis heute
unvergessenen, flammenden Rede verneigte Orbán sein Haupt
nicht nur vor den Reformkommunisten, sondern bezeichnete
Nagy sogar als „letzten verantwortungsvollen Ministerpräsiden-
ten Ungarns“. Nagy war damals eine der wenigen positiven his-
torischen Figuren des 20. Jahrhunderts auf die sich beide politi-
schen Seiten einigen konnten.
Heute stellen viele von Orbáns Parteigenossen, darunter auch
Parlamentspräsident László Kövér, jedoch die Rolle von Imre
Nagy als demokratischen Volkshelden infrage. Der konservati-
ve Historiker und Fidesz-Bezirksabgeordnete Gábor Sebes be-
zeichnet Nagy gar als einen „opportunistischen Kommunisten,
der erkannt habe, dass ein Seitenwechsel und die Unterstützung
der Revolutionäre in seinem besten Interesse sind“. Auch das
Fidesz-nahe Onlineportal Pesti Srácok schreibt: „Man hätte Nagy
seine Sünden nie vergeben sollen. Damit bietet man Raum für
die Annahme, dass es auch anständige Kommunisten gegeben
hätte.“ Das Portal begrüßt die Umsetzung des Denkmals.
Opposition vermutet Geschichtsumdeutung
Ganz anders sehen es die unabhängigen und oppositionellen
Medien. Das Nachrichtenportal index.hu wirft der Orbán-Regie-
rung vor, die „Geschichte ausradieren zu wollen“. Die Argumen-
tation, dass man nur den ursprünglichen Zustand des Platzes
wiederherstellen wolle, lässt es nicht gelten und vermutet, dass
nicht nur der Platz, sondern mit ihm auch unser Geschichtsbild
restauriert werden sollen. So versuche man das Horthy-Regime
zunehmend zu rehabilitieren. Eine Zeit, die, wie Index schreibt,
vom „wachsenden Judenhass, der Einschränkung der Freiheits-
rechte und von einer immer engeren Bindung an das faschisti-
sche Naziregime geprägt war.“ Dem stimmt auch Péter Krekó,
Politanalyst und Leiter des ungarischen Thinktanks Political Ca-
pital, zu, der in einem Statement gegenüber der New York Times
von dem Versuch spricht, „die rechte, autoritäre Vergangenheit
Ungarns wiederzubeleben“.
Der ungarische Historiker Krisztián Ungváry sieht in der Umplat-
zierung des Denkmals ebenfalls „ein schlechtes Zeichen für die
Zukunft“. „Es gibt wenige Denkmäler, die künstlerisch so gut um-
gesetzt sind und dabei der Realität des 20. Jahrhunderts in ihrer
Komplexität derart gerecht werden, wie das von Tamás Varga
geschaffene Denkmal Imre Nagys“, so Ungváry. Der Historiker
weist dabei auch auf das Wechselspiel zwischen Installation und
Standort hin: „Nagys Blick richtet sich bewusst auf das Parla-
ment, es ist Teil der Botschaft. Dies würde an einem anderen
Standort verfälscht.“ Der Kritik einiger Politiker und Publizisten,
die Nagy seine kommunistische Vergangenheit ankreiden, ent-
gegnet Ungváry: „Als Christ denke ich, dass das Schicksal eines
Mannes, der seine Sünden bereut hat, dafür sogar sein Leben
ließ, viel mehr über Menschlichkeit aussagt.“ Ungvárys Ansicht
nach sollte man das Erbe des Reformkommunisten abseits von
Parteipolitik würdigen: „Nagy ist nicht nur ein Held für die Linke,
sondern für alle Ungarn.“
Obwohl der ungarische Ausschuss für Gedenkstätten bereits An-
fang Dezember endgültig dem Abbau des Nagy-Denkmals zu-
SoNNTAGSBLATT
gestimmt hatte und die Pläne für den Platz auch schon davor
bekannt waren, formte sich handfester Widerstand erst nach-
dem am 28. Dezember Tatsachen geschaffen worden waren.
Einem Aufruf der Demokratischen Koalition (DK) zu einer Pro-
testveranstaltung noch am selben Abend folgten knapp tausend
Menschen. Dort sprach unter anderem auch die Enkelin des
Revolutionshelden, Katalin Jánosi, die ebenso wie die Imre-Na-
gy-Gesellschaft den Abbau der Statue scharf verurteilte. Viele
stellten darüber hinaus am vorerst leeren Vértanúk tér Kerzen
auf.
Was den Verbleib des Denkmals angeht, so befindet es sich laut
Tamás Wachsler, dem verantwortlichen Projektleiter, derzeit in
Restauration. Mitte des Jahres soll der Ministerpräsident der Re-
volution dann seinen neuen Platz auf dem nahe der Margareten-
brücke gelegenen Jászai Mari tér finden. Bis dahin werde auch
das anhand von zeitgenössischen Fotografien und Dokumenten
authentisch rekonstruierte Denkmal für die Opfer des Roten Ter-
rors fertiggestellt sein.
In der Septemberausgabe des Sonntagsblattes (3/2018) ist
unter dem Titel „Zieht Imre Nagy um?” bereits ein Meinungs-
artikel von Patrik Schwarcz-Kiefer zum Thema erschienen.
Sloweniendeutsche: VLÖ weist die
Äußerungen des slowenischen
Außenministers zurück
Von Ing. Norbert Kapeller
Die offizielle Anerkennung der deutschen altösterreichischen
Minderheit in Slowenien ist für den VLÖ unumgänglich
„Natürlich können wir solche Aussagen nicht unkommentiert
stehen lassen“, sind sich die Verbandsvertreter des VLÖ, allen
voran VLÖ-Präsident Dipl.-Ing. Rudolf Reimann und VLÖ-Ge-
neralsekretär Ing. Norbert Kapeller, einig und weisen die jüngs-
ten Äußerungen des slowenischen Außenministers Miro Cerar
zurück, wonach dieser am Wochenende das „Nein“ Sloweniens
zur Anerkennung der „deutschsprachigen Minderheit“ bekräftigte
und es dafür auch keine rechtliche Grundlage gebe. „Die Presse“
berichtete darüber in Ihrer Online-Ausgabe am Samstag. (01. 12.
2018, Red.)
„Diese Aussagen des slowenischen Außenministers sind natür-
lich ein Schlag ins Gesicht für all jene, die sich ehrlich und inter-
essiert für die Belange der deutschen altösterreichischen Volks-
gruppe in Slowenien einsetzen, deren langjährige Forderung im
Sinne der offiziellen Anerkennung als autochthone Minderheit
unterstützen und somit auch den nachhaltigen Fortbestand die-
ser sichern wollen“, führt Generalsekretär Kapeller weiter an.
„Man fragt sich natürlich schon, was Außenminister Cerar mit
seinen Worten bezwecken will, indem er sagt, dass Slowenien
die deutsche Volksgruppe zwar in der Erhaltung der Identität
unterstützen will, dieser aber gleichzeitig einen offiziellen Min-
derheitenstatus verwehren möchte“, ortet Kapeller Widersprüch-
lichkeit bei Außenminister Cerar und fragt sich darüber hinaus,
wie man in Laibach die rechtlichen Grundlagen im Sinne der An-
erkennung der deutschen Volksgruppe derartig negieren könne.
Die Aussage Cerars, dass es auch „keine Veranlassung dazu
gebe, der ethnischen Gruppe einen Sonderstatus zu verleihen“,
lässt die VLÖ-Verantwortlichen ebenfalls irritiert zurück. „Die
deutsche altösterreichische Volksgruppe in Slowenien will kei-
(Fortsetzung auf Seite 8)
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