Sonntagsblatt 1/2018 | Page 22

HH: Allergisch.
SB: Viele Bürger Rumäniens haben große Hoffnungen in den amtierenden Staatspräsidenten siebenbürgisch-sächsischer Herkunft Klaus Johannis( Iohannis) gesetzt. In letzter Zeit mehren sich, auch im Kreise der Siebenbürger Madjaren, die kritischen Stimmen. Wie bewerten Sie die Präsidentschaft von Johannis?
HH: Die Präsidentschaft von Johannis ist von einem Satelliten aus betrachtet positiv zu bewerten, wegen der Konsolidierung der Westbindung Rumäniens. Wenn man ins Detail geht, vor allem in Minderheitenfragen, wenn man sie also von ganz unten her analysiert, wie er auf legitime Forderungen von den Madjaren zum Beispiel reagiert, wirkt der Präsident auf mich und andere Beobachter unglaubwürdig, lächerlich und maximal enttäuschend. Nicht nur, dass er das Thema Autonomie aus der öffentlichen Diskussion verbannt, obwohl er als Präsident alle Themen, die die Öffentlichkeit betreffen, diskutieren müsste, hat er es geschafft, die historischen Verdienste von László Tőkés, dem Auslöser und Symbol der Rumänischen Revolution, in Frage zu stellen und aus dem öffentlichen Bewusstsein zu verbannen, indem er die staatliche Auszeichnung von Tőkés wieder zurückgezogen hat. Durch diese Geste hat sich Klaus Johannis auf die Seite der Befürworter und Nutznießer der nationalkommunistischen Diktatur geschlagen, was eines europaorientierten Politikers unwürdig ist.
SB: Ihre Vereinsseite ist erklärtermaßen mehrsprachig. Ist diese historisch gewachsene Mehrsprachigkeit noch Realität in Siebenbürgen?
HH: Es gibt die Mehrsprachigkeit in Siebenbürgen, wenn auch stark vermindert im Vergleich zu früher. Umso mehr gilt es Mehrsprachigkeit, Multikulturalität und Ökumene bewusst zu leben und zu fördern.
SB: Sie sind selbst in einer Mischehe aufgewachsen und die deutsch- und rumänischsprachige Bergschule in Schässburg besucht. Wenn man die Internet- und Facebookseite der Schule, auf Rumänisch Liceul Teoretic Joseph Haltrich, aufruft, findet man kaum deutschsprachige Inhalte. Wie „ deutsch” ist die Bergschule noch und wie war es zu Ihrer Zeit?
HH: Die Bergschule ist heute so „ deutsch”, wie sie es mit der heutigen kleinen deutschen Gemeinschaft sein kann. Die allermeisten Schüler der deutschen Abteilung sind Rumänen, ihre Eltern haben sich aber dafür entschieden, sie auf eine deutsche Schule zu schicken, was die deutsche Abteilung am Leben hält, so wie in anderen Städten Siebenbürgens auch. Dies finde ich ein schönes Beispiel gelebter Mehrsprachigkeit und transilvanischen Geistes.
Zu meiner Schulzeit erlebte ich die letzten Jahre der Anwesenheit der siebenbürgisch-deutschen Gemeinschaft, auch in den Schulen. Die überwiegende Mehrheit der Schüler und Lehrer waren siebenbürgisch-deutsch. Als ich 1989 die Reifeprüfung ablegte, dauerte die starke Auswanderung schon seit über zehn Jahren an. Parallel dazu gab es einen immer stärkeren rumänischen Nationalismus, der sich vor allem gegen Siebenbürger Madjaren und Deutsche richtete. Mit der Folge, dass immer mehr Schulfächer auf Rumänisch unterrichtet wurden. Wir sprachen in der Schule meistens noch deutsch, aber wir beobachteten, dass dank den rumänischen Klassen auf den Fluren immer mehr Rumänisch gesprochen wurde. Das war auch so gewollt staatlicherseits. Es gab zu meiner Zeit jedoch auch einige Schüler aus rumänischen oder gemischten Familien. Vor allem bessergestellte rumänische Familien schickten ihre Kinder auf deutsche Schulen – es galt als etwas Selbstverständliches, und es entstanden daraus sehr schöne Freundschaften und Liebesbeziehungen. Es gab zu meiner Schulzeit schon seit längerer Zeit auch rumänische Schulklassen. Nach der Einführung der rumänischen Klassenzüge nach dem Zweiten Weltkrieg hatte es allerdings auch Konflikte zwischen deutschen und rumänischen Schülern und Lehrern gegeben. Es wäre schön gewesen, wenn diese siebenbürgisch-deutsche Gemeinschaft nicht ausgewandert wäre.
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SB: Die Mehrheit der Deutschen hat nach der Wende Rumänien verlassen. Wie haben Sie bzw. Ihre Familie diesen Exodus erlebt?
HH: Meine Familie ist 1990 ausgewandert, mit der großen Ausreisewelle. Nach 1999 hatte ich schon konkrete Pläne zurückzukehren. Und 2005 habe ich es auch getan, weil ich immer verbunden geblieben war mit meiner Heimat. Ich habe sie oft besucht, solange ich im Ausland war. Ich habe die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in Rumänien hautnah miterlebt. Und mit dem nahenden Beitritt zur EU sah ich große Chancen und interessante Betätigungsfelder für mich, vor allem im zivilgesellschaftlichen Bereich. So bin ich direkt zu einer Umweltschutzorganisation in meiner Heimatstadt Schässburg gekommen.
SB: Wie sehen Sie die Zukunft der Minderheiten in Siebenbürger, allen voran der deutschen Minderheit?
HH: Die Zukunft der ethnischen Minderheiten in Rumänien und Siebenbürgen ist meiner Meinung nach nicht gesichert. Das sieht man an der Abnahme der Madjaren nicht nur zahlenmäßig, sondern auch verhältnismäßig gegenüber den Rumänen, was mit dem Staatsnationalismus und der teilweisen Nichtbeachtung nationaler, europäischer und internationaler Minderheitenschutzvorschriften zu tun hat.
Die Problematik der Zukunft der Siebenbürger Deutschen ist vielschichtig. Bei der siebenbürgisch-deutschen Gemeinschaft ist die Tendenz weiterhin abnehmend. Andererseits gibt es viele Deutsche und Deutschsprachige, die nach Siebenbürgen ziehen oder schon hier leben. Würden die siebenbürgisch-deutsche Gemeinschaft und die Gemeinschaft der Neuzugezogenen fusionieren, sowie die deutschsprachigen Rumänen, Roma und Madjaren dazukommen, dann würde das die Zukunft der Siebenbürger Deutschen sichern.
Die Lösung der siebenbürgischen Problematik sehe ich jedoch darin, unsere Region als „ Europa in Europa” neu zu definieren und zu organisieren. Das könnte beispielsweise bedeuten, dass in Siebenbürgen drei offizielle Sprachen zugelassen sind, so wie früher. Dies würde im Übrigen dem Völkerrecht entsprechen bzw. dem so genannten Recht auf innere Selbstbestimmung. Siebenbürgen ist eine europäische Region, in der alle europäischen Sprachgruppen vertreten sind, und zwar seit Jahrhunderten. Für das vereinte Europa im 21. Jahrhundert sollte ein multiethnisches, multikonfessionelles emanzipiertes Siebenbürgen eine Lösung sein und nicht ein Problem. Eine Brücke und ein Ausgleich zwischen Ost und West sowie ein vermittelndes Element zwischen konkurrierenden nationalen Interessen. Gebt uns eine Chance, und Siebenbürgen wird euch nicht enttäuschen!
SB: Herr Hedrich, vielen Dank für das Gespräch! Das Gespräch führte Richard Guth.
Die slowakischen Reformierten
( Szlovák reformátusok)
Erschienen am 13. Dezember 2017 im Blog „ Pangea”( pangea. blog. hu), Autor: Tranquillius. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Seitenadministrators. Aus dem Ungarischen: Richard Guth.
In Ungarn hat sich fälschlicherweise schon lange die Auffassung festgesetzt, dass die calvinistische Richtung der reformatorischen Bewegung eine „ madjarische” Bekenntis sei. Diese vereinfachende Sichtweise geht davon aus, dass es ethnisch determiniert sei, dass die Madjaren Calvinisten seien und die Slowaken wie Deutsche( Sachsen) Lutheraner. Um das Gegenteil zu beweisen, nehmen wir in unserem heutigen Blogeintrag
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