Sonntagsblatt 1/2018 | Page 21

benachrichtigte. So fand am 19. Mai 1968 beim Spiel Ferenc- város gegen Dózsa Újpest (Neupest) natürlichkeine Geschenk- übergabe statt. Die Geschichte von Florian Albert und seinem Goldenen Ball zeigt deutlich, wie sich das Kádár-Regime damals zu Ferencvá- ros, dem beliebstesten Club des Landes weit und breit, verhielt. Es spricht für den Stil Alberts, dass er sich nicht einmal nach der Wende zu einer lauthalsen Aussage verleiten ließ, obwohl das, was ihm im Zusammenhang mit der Übergabe des Goldenen Balles widerfuhr, eine der schändlichsten Ereignisse des unga- rischen Sports war. Er sagte lediglich: „Einige konnten sich nicht über meinen Erfolg freuen – aber ich tröste mich seitdem damit und äußere ich mich auch stets dahingehend, dass es der ein- zige Ball in meiner Laufbahn war, den mir noch kein Verteidiger nehmen konnte.” s Mikrokosmos Mitteleuropa s „Gebt uns eine Chance, und Sieben- bürgen wird euch nicht enttäuschen” Interview mit dem Siebenbürger Umwelt-, Denkmalschutz- und Bürgerrechtsaktivisten Hans Hedrich SB: Herr Hedrich, Anfang September war Ihr Name wieder in den ungarischen Medien zu lesen. Sie machten auf einen Fall im siebenbürgischen, überwiegend von Seklern be- wohnten Odorhellen / Odorheiu Secuiesc aufmerksam, wo die rumänischen Behörden einen großen Lebensmittelmarkt bestrafen wollten, weil ein Angestellter nach Behördenanga- ben sich geweigert haben soll, einen Kunden auf Rumänisch zu bedienen. Was weiß man über den Fall? HH: Es wurde von einer Privatperson ein Video gedreht und manipulativ zusammengeschnitten. In diesem Video behauptet die Person, dass er nicht bedient worden sei, weil er eben auf Rumänisch bestellt hätte. Das war der Grund für spätere Kon- trollen durch die Behörde. Dieses Video wurde auf Facebeook und Youtube gepostet und dann von lokalen und nationalen Me- dienanstalten unkritisch übernommen und weiterverbreitet. Ob- wohl man beim genaueren Blick feststellen musste, dass das Video keinen Beweis für Diskriminierung liefert, veranlassten die Behörden als unprofessionelle Reaktion eine Kontrolle und verstärkten dadurch diese Anschuldigungen einer Diskriminie- rung. Das Sensible an dem Fall: Der Mythos geht um, wonach die Sekler Menschen, die auf Rumänisch bestellen würden, nicht bedienen würden. Es gab und gibt vielleicht solche Einzelfälle, aber durch solche Aktionen wie jetzt in Odorhellen, zu ungarisch Székelyudvarhely, wird dieser Mythos am Leben erhalten und von Zeit zu Zeit reaktiviert. Die Antidiskriminierungskommission stellte im Übrigen fest, dass es in diesem konkreten Fall keine Hinweise auf Diskriminierung gibt. Aber da war der Damm be- reits gebrochen: Eine Million Aufrufe auf Youtube, Kommentare wie Rumänien gehöre den Rumänen, Aufruf zur Vertreibung der Sekler aus Rumänien... Am 30. November hat der Verein „Neu- er Weg” Strafanzeige erstattet, Ende Januar haben wir bei der Polizei Aussagen gemacht. Wir warten darauf, dass die Polizei die andere Seite anhört. Dann wird die Staatsanwaltschaft ent- scheiden, ob die Straftatbestände der Aufstachelung zum Hass und zur Diskriminierung erfüllt wurden. SB: Ist dieser Fall ein Einzelfall oder symptomatisch für das Zusammenleben zwischen Deutschen, Madjaren und Rumä- nen in Siebenbürgen? HH: Den Fall finde ich leider symptomisch, es ist kein Einzelfall von Aufstachelung zum Hass, er reiht sich ein in eine Serie von sehr vielen antimadjarischen Äußerungen und Aktionen seitens rumänischer Behörden, Privatpersonen und Medien. Trotzdem ist dieser Fall einzigartig in seiner Art, so was hat es noch nicht gegeben, deshalb, weil meines Wissens zum ersten Mal ein künstlicher Skandal geschaffen wurde, mithilfe von ganz offen- sichtlicher Medienmanipulation, was jeder normale Zuschauer sonntagsblatt als Manipulation hätte erkennen können. Trotzdem, obwohl es gar keinen Vorwand für einen Skandal gab, wurde die Gesell- schaft, Millionen von Menschen, aufgestachelt gegen die Mad- jaren in Rumänien, unter aktiver, komplizenhafter Mitwirkung der großen Massenmedien und der rumänischen Behörden. Und dies eingebettet in den Kontext der zehnjährigen Mitgliedschaft Rumäniens in der EU. Der virtuellen Mobilisierung gegen die Ma- djaren folgte dann der Aufruf zur realen „Mobilisierung”, was sich auch in Handgreiflichkeiten und dem Verbrennen einer ungari- schen Fahne äußerte. SB: Sie haben vor einigen Jahren zusammen mit einem sie- benbürgisch-sächsischen Pfarrer und einem pensionierten bayerischen Ingenieur einen Verein namens Neuer Weg ge- gründet. Welche Ziele verfolgt der Verein? HH: Laut Satzung bemühen wir uns um Denkmalschutz, Natur- schutz, Korruptionsbekämpfung, Förderung von regionalen und europäischen Werten und das gute Zusammenleben in einer multikulturellen Gesellschaft. SB: Auf der Seite des Vereins neuerweg.ro berichten Sie auch über Gerichtsverfahren, die der Verein führt bzw. führ- te. Was waren die spektakulärsten und gesellschaftsrele- vantesten Fälle der letzten Jahre, wo Sie und Ihre Unterstüt- zer aktiv wurden? HH: Wir versuchen sowas wie strategische Prozessführung, d. h. Musterprozesse zu starten in Bereichen, in denen es ernsthafte Missstände in Rumänien gibt, an denen in der Regel vor allem der Staat, aber auch einflussreiche Investoren Schuld haben. Konkret haben wir gegen einen einflussreichen siebenbürgisch- -deutschen Investor prozessiert, der ein denkmalgeschütztes Haus illegal abgerissen hatte. Wir haben prozessiert gegen einen einflussreichen siebenbürgisch-deutschen Politiker wegen eines Plagiats. Dann haben wir prozessiert gegen Firmen, die illegalerweise nach Schiefergas gesucht haben. Aber auch gegen einen großen Holzverarbeiter aus Österreich, das waren insgesamt sechs Prozesse. Einen sehr überraschenden Erfolg konnten wir Ende Dezember 2017 verbuchen: Es gelang uns zusammen mit einer anderen Umweltschutzorganisation, die Zerstörung eines natürlichen Flusslaufes in einem Nationalpark gerichtlich zu stoppen. Um die Dimension dieses Projekts zu verdeutlichen: Bisher wurden 155 Millionen Euro an staatlichen Geldern in das Projekt investiert. SB: Bei diesem Beispiel stellts sich die generelle Frage: Wie hoch ist die Bereitschaft in Rumänien, sich zivilgesellschaft- lich zu engagieren? HH: Hm, eine schwere, eine gute Frage. Nach der Wende gab es ganz engagierte Proteste gegen die Exkommunisten. Und ebenso muss man sagen, dass auch die madjarische Minder- heit sich für ihre Rechte eingesetzt hatte. Die Folge dieses be- geisterten Engagements war tragisch und empörend, weil die Exkommunisten 1990 die Minenarbeiter auf die Protestierer in Bukarest hetzten bzw. die Rumänen auf die Madjaren. Um 2000 herum konnte man dann zunehmend zivilgesellschaftliches En- gagement wahrnehmen, auch im Umweltbereich, u. a. finanziert vom Soros-Netzwerk. Die Umweltbewegung hat vor allem nach 2003 einen großen Schub bekommen, als der rumänische Staat und dubiose Investoren aus dem Ausland in den Westkarpaten die größte Goldmine Europas eröffnen wollten. Man kann sagen, dass Roşia Montană, auf Deutsch Goldbach, auf Ungarisch Ver- espatak, sowas wie die Mutter aller Umweltproteste in Rumä- nien war. Das Projekt wurde gestoppt, und weil es Korruptions- verdacht um das Projekt herum gab, gingen die Proteste über in Massenproteste gegen die Korruption in Rumänien. Am 20. Januar 2018 war der letzte große Anti-Korruptionsprotest, noch konkreter eine Kundgebung gegen korrupte Politiker und Beam- te. Aus dieser Geschichte kann man ableiten, dass es eine Kon- tinuität in den Protestbewegungen gab, von der Politik 1990 zu Umwelt und dann zum Kampf gegen Korruption. SB: Wie reagiert die Politik auf dieses zivilgesellschaftliche Engagement? (Forsetzung auf Seite 22) 21