weise Ihre Jugend als Heimatvertriebener ?
RZ : Im Lauf der Jahre 1946 / 47 wurden rund 100 Heimatvertriebene nach Oberschüpf angewiesen . Die meisten waren Donauschwaben und stammten aus den Orten Wudersch , Edeck / Etyek und Kier / Németkér . Was uns mit den „ Einheimischen “ verband , waren die Sprache , wenn wir uns auch in den Dialekten sehr unterschieden haben , und eine gemeinsame Kultur . Natürlich gab es genügend Unterschiede wie z . B . im Kochen und Essen , in Gebräuchen und Gewohnheiten . Vor allem aber schuf die Tatsache , dass nun lauter katholische Heimatvertriebene in ein rein evangelisches Dorf gekommen waren , eine klare Trennung .
Die Not der Nachkriegszeit führte Einheimische und „ Flüchtlinge ” zusammen . In der Schule in Oberschüpf habe ich nie erlebt , dass die Lehrer uns schlechter behandelt hätten . Wir fanden bald guten Kontakt zu unseren Mitschülern vor Ort , zumal wir Heimatvertriebenen eine relativ starke Gruppe von Schülern darstellten . Noch heute treffen wir uns in bestimmten Abständen in Oberschüpf zum Klassentreffen . Diese Treffen werden organisiert von einer Mitschülerin , die aus Kier stammt . Die Konfessionen blieben getrennt . Wir Vertriebenen erregten eher Aufsehen , weil wir zu 90 % Sonntag für Sonntag zu Fuß in den Nachbarort Unterschüpf zum Gottesdienst gingen . In Unterschüpf war eine noch größere Gruppe Wuderscher , die sich auch gleich engagierten und zum Beispiel 1947 zum Erstaunen der protestantischen Dorfmitglieder in Unterschüpf die Gestaltung und das Legen der Blumenteppiche für die Fronleichnamsprozession übernahmen . Auch wenn die Trauer über den Verlust der Heimat uns lange begleitete , so schauten wir doch nach vorne , da uns klar war , dass wir nie mehr in die alte Heimat zurückkehren würden , obwohl wir uns auch immer wieder über die alte Heimat austauschten und die Entwicklungen dort mit Interesse verfolgten .
SB : Ihr Studium der Philosophie und Katholischen Theologie fiel in die Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils . Wie beeinflusste dieses kirchliche Großereignis Ihr Beruf ( ung ) - sbild als Priester ?
RZ : Ich habe in den Jahren des Zweiten Vatikanischen Konzils in Freiburg und München Philosophie und Theologie studiert und wurde im Jahr seines Abschlusses zum Priester geweiht . Was dieses Konzil über die Kirche , über die Kirche in der Welt , über Ökumene und Religionsfreiheit , über den Dienst des Priesters und die Laien sagte , hat mich , mein Leben und meinen Dienst als Priester und Bischof entscheidend und nachhaltig geprägt . Es half mir , voller Vertrauen und Hoffnung in die Zukunft zu schauen und freudig meinen Pilgerweg im Glauben zu gehen und möglichst viele auf ihrem Weg ermutigend zu begleiten .
SB : Sie bezeichneten sich 2008 in einem Interview mit dem Domradio als „ konservativ im guten Sinne ”. Was dürfen wir darunter verstehen ?
RZ : Ich schätze die katholische Tradition und die Volkskirche , in die ich dank meiner Eltern hineingeboren wurde . Und das heißt für mich , das Gute zu bewahren , voll Vertrauen in die Zukunft zu gehen und dabei das mitzunehmen , was uns geschenkt und überlassen ist .
Zukunft weisende Personal- und Patoralplanung zu entwickeln , in der nicht mehr der Priester allein Seelsorger ist . Noch größer war dann die Herausforderung , als ich im Jahr 2008 zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewählt wurde . Nun ging es darum , in einem deutschlandweiten Dialogprozess den Weg der Kirche in die Zukunft in den Blick zu nehmen , die sich als pilgernde Kirche im gemeinsamen Hören auf Gott und im Hören aufeinander den Weg in die Zukunft zeigen lässt . Ich habe meine Heimat verloren . Die Kirche , in der ich getauft wurde und als Kind am Gottesdienst teilnahm , steht nicht mehr . Die Kirche , in der ich zum ersten Mal zur heiligen Kommunion ging und in der ich gefirmt wurde , ist profaniert und dient als Gemeindesaal . Gott hat mich zum Pilger gemacht , dem es zugewachsen ist , die Schwestern und Brüder auf dem Pilgerweg mitzunehmen und sie davor zu bewahren , sich in dieser Welt festzumachen .
SB : Apropos Zukunft : Die Katholische Kirche befindet sich in einem Prozess rasanten Wandels . Es stellt sich daher die Frage : Wo wird sie in dreißig Jahren stehen ?
RZ : Ich bin gläubiger Christ und zuversichtlich . Mein Lebensweg hat mich gelehrt , mich vor Veränderungen nicht zu fürchten , sondern mich den Herausforderungen aktiv zu stellen . Wir begegnen als Pilger ständig dem Wandel . Wir haben die Verheißung Jesu , dass er bei uns ist , mit uns geht und durch seinen Heiligen Geist führt . Die Kirche wird in Europa kleiner , aber auch entschiedener werden . Wir werden weniger eine „ Klerikerkirche ” sein , sondern uns als Kirche mehr als pilgernde Gemeinschaft , in der wir alle Verantwortung tragen und die vielen Heimat gibt , verstehen .
SB : Sie haben sich stets zu Ihrer donauschwäbischen Herkunft bekannt . Pflegen Sie Kontakte zu ungarndeutschen Gläubigen beziehungsweise zu Kirchengemeinden mit ungarndeutschen Mitgliedern und wenn ja , wie bewerten Sie Ihre gegenwärtige Situation ?
RZ : Dass ich Donauschwabe bin , hat mich geprägt . Dazu bekenne ich mich . Das führte natürlich auch dazu , dass Heimatvertriebene – nicht nur Donauschwaben – in vielfältiger Weise auf mich zukamen und zukommen , um mit ihnen Gottesdienste und Jubiläen zu feiern . So sind gerade Wallfahrten besondere Gelegenheiten , Landsleuten zu begegnen . Ich pflege vielfältige Kontakte nach Serbien und freue mich , auch dort Donauschwaben zu begegnen , gerade weil ich mir dessen bewusst bin , dass ihre Zahl dort zu gering ist , um eine Zukunft zu haben . Ich freue mich , dass die Deutschen und Donauschwaben in Ungarn sich zusammenschließen und einander stützen und bestärken . So habe ich mich gefreut , als ich vor zwei Jahren in Wetschesch eine aktive Gruppe von Donauschwaben erlebt habe . Obwohl die Donauschwaben in Deutschland gut integriert sind , halten sie an vielen Orten ihre Traditionen lebendig . So habe ich zum Beispiel im vergangenen November einen Festgottesdienst mit der Donauschwabengemeinde St . Stephan in Grießheim gefeiert und werde im Herbst dieses Jahres mit den Donauschwaben in Mosbach ihr Jubiläum feiern .
SB : Sie sind seit über drei Jahren emeritiert . Erzählen Sie bitte ein wenig über den Alltag eines „ Erzbischofs im Ruhestand ”.
SB : Sie waren von 2003 bis 2013 ( bzw . 2014 ) Erzbischof von Freiburg . Welche waren die größten Herausforderungen während Ihrer Amtszeit ?
RZ : Bevor ich im Jahr 2003 zum Erzbischof von Freiburg gewählt wurde , trug ich 16 Jahre Verantwortung in der Priesterausbildung und 20 Jahre als Personalreferent . Ich kannte die Situation und war mir dessen bewusst , was mich erwartete . Angesichts des gewaltigen gesellschaftlichen Wandels , der zurückgehenden Zahl der Priester und der wachsenden Zahl der hauptberuflichen pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter galt es , eine in die
RZ : Bischof bleibt man sein Leben lang . Als Emeritus habe ich nicht mehr die Verantwortung und brauche nicht die vielen Sitzungen zu leiten . Aber ich bin durch Gottesdienste , Vorträge und Begegnungen weit über die Erzdiözese hinaus eingeladen und gefordert , so dass mein Terminkalender nach wie vor voll ist . Nicht zuletzt habe ich jetzt auch ein bisschen mehr Zeit , mich des St . Gerhards-Werks anzunehmen .
SB : Exzellenz , vielen Dank für das Gespräch !
Mit Erzbischof Zollitsch sprach Richard Guth sonntagsblatt 11