Sonntagsblatt 1/2017 | Page 24

der „ an Okka ” ( Acker ) vom Ersparten dazukaufen , um so den Wohl - stand zu mehren . Mit dem Verkauf der Milch von 3 bis 5 Kühen hatte man doch eine sichere Existenzgrundlage . Schweine- und Ge flü - gelhaltung , dazu der Roggen- , Kukuruz- und Kartoffelanbau machten die Familien zu Selbstversorgern . Durch gelegentliche Fuhr - dienste besserten die Männer die Familienkasse auf .
Der Wein spielte natürlich besonders für die Männer eine große Rolle . Sie gingen davon aus , dass man aus ihm „ deinn Kroft ” für die tägliche , nicht leichte Arbeit , beziehen konnte !! Die besagte Weinverkostung kam dann an jenem Sonntags - nach mittag in Gang , die Frauen sollten sich nach der Sonntags - andacht in der Kirche zu den Männern gesellen .
Man schenkte zunächst jedem das erste Gläschen von einem der Schwäger ein , dann folgten die nächsten Runden . Der Duft des Weines wurde zunächst mit der Nase erfasst , dann in kleinen Schlückchen von Zunge und Gaumen fachmännisch geprüft . Die Männer ließen sich Zeit mit ihren Kommentaren … Danach wur - de festgestellt : „ Dei Wei is a bissl floch , deina hot zu viele Seiri , ba dein schmeikt ma zu viel » Noha « raus , dein ais a bissl triab , i ma du seilst dein bol obziagn …”
Nachdem sie so weiter verkostet hatten und die Flaschen sich langsam leerten !!, kam der Steffl zu einer Erkenntnis , die dann alle bestätigten : „ Unsa Wei hot » kann Kroft !!« ( Alkohol ). Wos haum mia folsch gmocht ??“
Mittlerweile waren die Frauen aus der Kirche zurück und hatten an einem weiteren Tisch Platz genommen und lauschten schmunzelnd den Kommentaren ihrer Männer .
Die Nanni gesellte sich dann zu den vier Männern und versicherte ihnen , dass sie beim „ Weinmachen ” nichts falsch gemacht hätten . „ Mia Weiwa haum deim Wei » deinn Kroft « gnumma . Mia haum ein keingri Gsundheitbewoarn weilln , und drum hauma deinn Wei tauft . Mia haum ghe ’ t , dass ma von deinn Noha-Wie varruckt wea ’ n kau . Maunichsmol hauma schagma ’ t , dass eis gaunz schei narrisch seids !! Owa mit gaunzi Noarn mechtn mia neit zammle ’ m . Drum hauma mit unsan guatn Brunnawossa einkan Wei gsinda gmocht …...
Man muss dazu bemerken , dass gegen Ende des 19 . Jh . Die Phylloxera ( Reblaus ), die aus Amerika eingeschleppt wurde und sich auf fast alle Weinbaugebiete Europas ausbreitete , auch in Un - garn riesige Schäden hinterließ . So wurden in Schorokschar alle Weinstöcke „ ausgehackt ” und die Weingärten danach mit resistenten Rebsorten neu bestockt , darunter besonders auch mit der Noha-Rebe . Dem Wein aus dieser Rebe sagte man nach ??, dass er bei regelmäßigem Konsum die Psyche des Menschen verändere …
Die Teilnehmer der „ Verkosterparty ” sind mittlerweile alle schon längst verstorben , zum Teil im biblischem Alter ; also kann der „ Noha-Wein ” doch nicht die Gesundheit der Probanden dauerhaft geschädigt haben . Auch die Arbeitskraft der Männer hat sich bis ins hohe Alter erhalten , so vor allem beim „ Hild-Jok-Veitta ”!!
Bei meinen ersten Besuch nach der Vertreibung im Jahre 1966 besuchten mein Vater und ich diesen alten Onkel . Er und seine Familie durften ?!!, aus welchen Gründen auch immer , in Scho - rokschar bleiben . Dem mittlerweile 86-Jährigen hatte man sein schönes schwäbisches Langhaus weggenommen , gestattete !! aber ihm und seiner Frau in der Sommerküche bleiben zu dürfen . Er bot uns auch von „ seinem Wein ” ein Gläschen an , er war sehr sauer ( oxidiert !)……
Nachdem wir einige Zeit bei den beiden Alten waren , wurde „ Jok-Veitta ” ziemlich unruhig und eröffnete uns dann , dass er um 14 Uhr von jemand mit dem „ Motor ” abgeholt würde . Als Vater ihn fragte , was er vor habe , antwortete er : „ I muaß heit nu in die MgTSz ( Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft ) a poar munkaegység ( Verrechnungseinheiten , deren Summe am Jahres - ende die Grundlage für die Höhe der » Mitglieder-Dividende « war ) mochn , waßt i meicht mei Haus nu zruckkaufn !!!“ Der von seiner Lebensarbeit sehr gebeugte Greis rief meinem Vater noch vom Hoftor zu :„ Wuns af Pest neikummts , za ’ ch dein Bua , wos da Hild in Pest fiar groußoartige Gebei baut hot … ” Die ses Wissen hätten wir ihm nicht zugetraut …
Nachdem wir uns bei der Katti-Basl verabschiedet hatten , kam Vater auf der Straße ins Grübeln über die Einstellung seines Onkels und sagte zu mir : Is deis typisch schwowisch , owa is dies a ’ foch nur Dummheit …”
Abschied von der Kultur der Rumäniendeutschen – aus NEUE ZÜRICHER ZEITUNG

Herbst über Siebenbürgen

von Michaela Nowotnick – 30 . 12 . 2016 ,
Die über 850 Jahre alte rumäniendeutsche Gemeinschaft ist daran , innerhalb kürzester Frist zu verschwinden . Was jetzt noch getan werden kann und muss , ist , die Zeugnisse ihrer Kultur zu sichern .
» Es brauchte noch eine Generation , drei bis vier Lexikografen , um das Wörterbuch in den folgenden zehn Jahren fertigzustellen .« Sigrid Haldenwang steht vor Zettelkästen , die eine Wand in den Räumen in Hermannstadt / Sibiu füllen , in denen das siebenbürgisch-sächsische Wörterbuch erarbeitet wird . Eine Wand mit Käs - ten , in denen sich viele Tausende , wahrscheinlich Millionen von Zetteln und Zettelchen befinden .
Einige der Unterlagen gehen bis in die Zeiten der Gebrüder Grimm zurück , als diese bei der Erarbeitung des berühmten von ihnen begründeten Deutschen Wörterbuchs auch in Siebenbürgen fündig wurden . Die Siebenbürger Sachsen , jene Nachfahren von Siedlern , die im 13 . Jahrhundert aus dem Luxemburger Raum in das Gebiet des heutigen Rumäniens auswanderten , sprechen einen Dialekt , in dem sich bis in die heutigen Tage das Mittelhoch deut - sche konservierte . Dieser wird seit gut einhundert Jahren in der Forschungsstelle zum siebenbürgisch-sächsischen Wörterbuch katalogisiert und systematisiert . Generationen von Haupt- und Ehrenamtlichen zogen in die Dörfer , von denen fast jedes eine eigene dialektale Ausprägung entwickelte . Sie erfragten Aussprache und Bedeutung von Begrif - fen und trugen diese zusammen . Auf ebendiesen Zetteln , die die Grundlage für das grosse Wörterbuchprojekt sind . Sigrid Halden - wang , 74 , ist möglicherweise die letzte Bearbeiterin . Sie hat sich vorgenommen , den 11 . Band noch zu vollenden . Den Band mit Stich wörtern zum Buchstaben S . Fünf Jahre brauche es , bis man eigenständig arbeiten könne , sagt Frau Haldenwang . Noch ist sie rüstig und könnte jemanden einarbeiten . Aber die Zeit läuft ihr
davon . Einfach immer weitermachen
Angeschlossen ist die Wörterbuchstelle an das Forschungsinstitut für Geisteswissenschaften , das vom 79-jährigen Paul Niedermeier geleitet wird . Das Niedermeier-Institut wird es genannt . Auch er ist möglicherweise der letzte einer langen Reihe von Forschern , auch er findet keinen Nachwuchs . Und so heisst es weitermachen , denn wie soll er in den Ruhestand gehen , wenn schon die zu besetzende Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters seit Monaten erfolglos ausgeschrieben ist ? Trifft sich hier im Forschungsinstitut , das der Rumänischen Akademie unterstellt ist , die Hermannstädter Sektion des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde , liegt der Altersdurchschnitt jenseits der 60 .
Die Arbeits- und Umgangssprache ist weiterhin Deutsch , wenngleich der spärliche Nachwuchs fast ausschliesslich keine deutschen , schon gar keine rumäniendeutschen Wurzeln hat . Die jungen rumänischen Forscherinnen und Forscher sind sehr gut aus-
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