Sonntagsblatt 1/2017 | 页面 13

lösen in Südtirol und in der Fachwelt allgemein Verwunderung aus und haben bereits zu heftiger Kritik geführt. Man muss sich fragen, wie es gelungen ist, in einen Satz so viele Fehler hineinzu- packen. Botschafter Tichy hat mit seinen Ausführungen in Bozen die gesamte Südtirol-Politik der vergangenen Jahre brüskiert und sollte mit hanebüchener Uminterpretation des Begriffs Selbst - bestimmung offenbar dafür sorgen, dass das unliebsame Thema ‘Südtirol’ für das Außenministerium endlich ad acta gelegt wird. Anders ist es wohl nicht zu erklären, dass zum wiederholten Male durch einen willfährigen Beamten des Außenministeriums, die fälschliche Behauptung aufgestellt wurde, dass die Selbstbestim - mung in Südtirol durch die Autonomie bereits erfüllt sei. Nach Minister Kurz ließ dies nun Professor Dr. Helmut Tichy anlässlich der Gedenkveranstaltung „70 Jahre Pariser Vertrag” in Bozen ver- lauten, der das Völkerrechtsbüro im österreichischen Außenmi - nis terium leitet, aber ansonsten mit den Rechten der Völker offen- bar nicht viel am Hut hat, zumindest nicht mit jenen in Südtirol“, kritisiert der freiheitliche Südtirolsprecher NAbg. Werner Neubauer. „Wenn nun Tichy weiter behauptet, dass Selbstbestimmungs - recht nicht mit Sezessionsrecht verwechselt werden darf, dann darf ich den Herrn Professor aufklären, dass Selbstbestimmung in vielerlei Form ausgeübt werden kann. Eine davon ist auch die Sezession, sonst würde es beispielsweise den Kosovo, Slowenien oder Kroatien in der heutigen Form gar nicht geben”, sagte Neu - bauer. Das müsste Botschafter Tichy, der immerhin in Graz über eine Praktiker-Professur im Völkerrecht verfügt, eigentlich wissen. Wenn die Haltung von Botschafter Tichy gegenüber einer Rück - kehr Südtirols zu Österreich eine kritische sein sollte, dann muss er die Diskussion anders aufziehen und die Voraussetzungen für die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts in Form einer Se - zession problematisieren. Dann wäre er vielleicht – so wie die Fachwelt – zum Ergebnis gelangt, dass die Ausübung des Selbst - bestimmungsrechts, die verschiedenen Ausübungsmöglichkeiten dieses Rechts, stets von den konkreten Umständen abhängt, wobei die Staatsgrenzen letzthin stark an Bedeutung verloren haben. „Wie kann der Herr Botschafter aber weiters behaupten, ein Selbstbestimmungsanspruch sei ‚durch eine Autonomie bereits für Südtirol erfüllt”? Selbstbestimmung ist – und auch das müsste er wissen – ein fortlaufender Prozess und niemals „erfüllt”. Selbst souveräne Staaten verfügen noch über ein Selbstbestimmungs - recht! Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist im Artikel 1 der UN-Menschenrechtspakte ganz klar definiert: „Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechtes entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.” Dies trifft auf Südtirol eindeutig nicht zu. Die Südtirol-Autonomie war von An - beginn eine Übergangslösung auf dem Weg zur Selbstbestim - mung. Jetzt soll diese plötzlich durch die Autonomie erfüllt sein? „Wer hat denn „selbstbestimmt über den Zustand in Südtirol je - mals autonom darüber abgestimmt?”, fragte Neubauer. „Autonomieregelungen sind von ihrer Natur her dynamisch zu interpretieren und haben sich an den Bedürfnissen der geschütz- ten Minderheit, und nicht jener des Staates, zu orientieren und sind entsprechend zu entwickeln”, so Neubauer, der ergänzte, dass dieser Umstand im Übrigen auch für die anstehende Volksab - stimmung zur Verfassungsreform Italiens gelte! „Es ist ungeheuerlich, dass sich ein Beamter des Ministeriums hier offenbar erdreistet, die Außenpolitik Österreichs bestimmen zu wollen. Es stellt sich weiter die Frage, ob er den österreichischen Landsleuten südlich des Brenners damit einen guten Dienst für das bevorstehende Verfassungsreferendum am 4. Dezember 2016 erwiesen hat. Mit der italienischen Verfassungsreform ist die Auto - nomie Südtirols nämlich schwer gefährdet, was hierzulande Herrn Prof. Tichy offenkundig nicht zu interessieren scheint. In dieser Situation ist es wichtiger denn je, die doppelte Staatsbürgerschaft anzustreben und beim Verfassungsreferendum mit einem klaren „Nein” ein deutliches Signal auf alle diese negativen Entwicklun - gen zu setzen. Insgesamt Fragen über Fragen, die der Vertreter Österreichs mit seinem Auftritt in Bozen provoziert hat. Nun ist der Minister mit einer Klarstellung gefordert. Und es bleibt zu hof- fen, dass die Vertreter der Republik das nächste Mal besser vorbe- reitet zu einer Tagung nach Südtirol fahren”, so Neubauer abschlie- ßend. • Geschichte • Der letzte König von Ungarn Vor 100 Jahren – Krönung von Karl IV. Der alte Kaiser starb am 21. November 1916 nach einer Regie - rungs zeit von 68 Jahren. Österreich hatte ein neues, junges Kaiser - paar. Ein Thronwechsel mitten im Krieg ist keine leichte Aufgabe. Die Nachfolge einer lebenden Legende wie Kaiser Franz Joseph anzutreten, war sogar für den Tapfersten eine nur schwer bewäl- tigbare Herausforderung. In seinem Manifest anlässlich der Thronbesteigung kündigte Kaiser Karl sehr deutlich seinen festen Willen zum Frieden an. Bei seiner ersten Audienz drängte der ungarische Ministerprä - sident, Graf Tisza, auf die Krönung in Budapest. Kaiser Karl (seit seiner Thronbesteigung schrieb er sich nicht mehr mit „C”) hatte gehofft , die ungarische Krönung die erlaubten sechs Monate hi - nausschieben zu können. Nicht nur des Krieges wegen, sondern weil er wusste, dass der damit verbundene Eid seinen Handlungs - spielraum für die dringend notwendigen innenpolitischen Refor - men weitgehend einengen würde (Franz Ferdinand und sein Stab hatten mit dem gleichen Problem gerungen!). Graf Tisza erklärte, es gäbe einige Gesetze, die nur ein gekrönter König verlängern könne. Mit dem Neuen Jahr drohten deshalb die Nahrungsliefe - rungen an die österreichische Hälfte der Monarchie zum Stillstand zu kommen. Kaiser Karl willigte schlussendlich ein, auch, um dem ungarischen Volk in den Kriegszeiten nicht die Freude an einer Krönungszeremonie zu nehmen. Er vertraute darauf, dass es in Friedenszeiten trotzdem möglich sein werde, die nötigen Refor - men in Angriff zu nehmen. Am 30. Dezember 1916 kniete Karl vor dem Grafen Tisza und dem Primas von Ungarn in der Mathiaskirche in Budapest nie- der, um mit der Stephanskrone zum König Karl IV. (IV. Károly) gekrönt zu werden. Kaiserin Zita wurde ebenfalls gekrönt, indem sie mit der Krone auf ihrer Schulter berührt wurde. Anschließend schwor Karl im Freien vor einer jubelnden Menge den Eid auf die Verfassung. Zum Abschluss ritt er den Königshügel hinauf, und schwang sein Schwert in alle vier Himmelsrichtungen, um zu ver- sinnbildlichen, daß der König die Grenzen der Länder der Stefans - krone stets verteidigen würde. Zurück in Wien leitete Kaiser Karl umgehend Maßnahmen zum Wohl der Bevölkerung ein. Am 26. Jänner 1917 erließ er eine Ver - ordnung zum Schutz der Mieter, um so seine Frontsoldaten und deren Familien vor steigenden Wohnkosten zu schützen. Er erar- beitete Pläne für zwei neue Ministerien, eines für Soziale Fürsorge (eingerichtet im Dezember 1917) und ein weiteres für Volksge - (Fortsetzung auf Seite 14) 13