schen, sowie ein besonderer Ausdruck der Verständigung und Versöhnung in Europa sei. Der Schlüsselgedanke „ Integration” des Symposiums sei, so Spengler, bezüglich der Flüchtlingskrise auch heute höchst aktuell. Er betonte seine Hoffnung darauf, dass Europa aus dem viel Schmerz und Leid, das unschuldigen Men- schen angetan wurde, gelernt habe. Auch der Bürgermeister von Wudersch begrüßte die Tagungs- teilnehmer und erläuterte kurz die Konsequenzen der Vertrei- bung auf seine Stadt. Laut TamásWittinghoff seien im gebrochenen Wudersch lediglich etwa achthundert Menschen geblieben. In Bezug auf die zwanghafte Vertreibung müssten, so der Bürger- meister, zwei Aspekte berücksichtigt werden: einerseits der der nach Deutschland Vertriebenen, diese Menschen hätten sich nämlich aus dem Nichts ein neues Leben aufbauen müssen; aber auch der Gesichtspunkt der Hiergebliebenen sei relevant, weil sie bis zu den 80ern keinen Kontakt zu ihren vertriebenen Angehörigen gehabt hätten und ihre deutsche Abstammung hätten verleugnen müssen.
Prof. Dr. Michael Prosser-Schell vom Institut für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa schilderte in seinem Vortrag Ankunft und Integration der ungarndeutschen Vertriebenen in Südwestdeutschland zwischen 1946 – 1960. Laut der vorliegenden Forschungsergebnisse sei die Integration der Vertriebenen in Deutschland grundsätzlich von Schwierigkeiten geladen gewesen: sie kamen in ein zerstörtes, ruiniertes Deutschland, hätten Diskriminierung erfahren müssen, und die dort Lebenden hätten darauf gehofft, dass sie bald wieder nach Ungarn zurückkehren würden. Ihr Glaube und die damit verbundenen religiösen Ze- remonien wie Wallfahrten hätten den Ungarndeutschen die Ge- legenheit gegeben, ihre Herkunftskultur zu bewahren. Mit dem für sie charakteristischen Fleiß hätten sie aber allmählich ihr neues Zuhause aufgebaut und sich am Aufblühen Deutschlands beteiligt.
Integration im Prinzip – Diskriminierung in der Praxis. Die Deutschen in Ungarn 1948 – 1956: zu diesem Thema sprach an der Konferenz Dr. Ágnes Tóth, Leiterin des Stiftungslehrstuhls für Deutsche Geschichte und Kultur im südöstlichen Mitteleuropa an der Universität Pécs. In ihrem Vortrag schilderte die Historikerin die politischen Umstände und gesetzlichen Rahmenbedingungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg den Ausbau und die Festigung der kommunistischen Diktatur erzielten, und die auf Vertriebene, Hiergebliebene, auf Heimkehr, Familienzusammenführung, Zwangs arbeit und Internierung der Ungarndeutschen eine Wir- kung hatten.
Warum wurden aus dem kommunistischen Rumänien die Deut- schen nicht ausgesiedelt? – stellte sich in ihrem Vortrag Hannelore Baier, rumäniendeutsche Journalistin und Historikerin, die die Anwesenden in die wichtigsten Momente der Geschichte der Deutschen in Rumänien zwischen 1944 und 1956 einführte. Etwa 70 000 Rumäniendeutsche seien laut Baier in die Sowjetunion zur Zwangsarbeit verschleppt worden, abermals so viele interniert. Der Diskriminierungsdruck seitens der Regierung sei auch in Rumänien da gewesen, vertrieben seien die Deutschen aus diesem Lande jedoch nicht geworden, obwohl auch die rumänische Regierung die Vertreibung jahrelang als „ beste Lösung” für die Regelung der ethnischen Verhältnisse betrachtet hätte. Die Rumäniendeutschen hätten ihr Zurückbleiben – so die Histori- kerin – der Unentschlossenheit der rumänischen Regierung zu verdanken. Auch die Deutschen in Jugoslawien haben viel Leid ertragen müssen – dies schilderte Dr. Zoran Janjetovic, Leitender Wis- senschaftler der geschichtlichen Forschung am deutschen Institut für Neuere Geschichte Serbiens. In der Nachkriegszeit habe alles mit der Enteignung begonnen: Haus und Gut der Deutschen hätten die Veteranenpartisanen bekommen. Viele Zehntausende Jugoslawiendeutsche seien in Konzentrationslager gekommen – um die 50 tausend betrage die Zahl derjenigen, die während der Lagerzeit gestorben seien. Auch viele Jugoslawiendeutsche seien in die Sowjetunion zur Zwangsarbeit verschleppt worden, und viele seien in das Deutschland des „ Wirtschaftswunders” ausgewandert, weil sie ihres Eigentums und ihrer Menschenwürde beraubt worden seien.
„ Es handelt sich um die Geschichte der Verluste. Diese Ge- schichte muss wissenschaftlich analysiert und in Ehren gehalten werden” – begann sein zur Konferenz verfasstes Schlusswort Zoltán Balog, Minister für Humanressourcen. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe man aus Rache Gesetze erbracht, aufgrund derer Menschen deutscher Abstammung automatisch als Kriegsver- brecher gegolten hätten. Es dürfe niemals vorkommen, formulierte der Minister, dass Gesetze auf Rassenbasis verabschiedet werden, und dass Schuld – insbesondere vermeintliche Schuld – mit neuer Schuld getilgt wird. „ Eigene Verluste für Menschen und Familien, ein gemeinsamer Verlust für die Gesellschaft – das verursachte die Vertreibung der Ungarndeutschen. Ich frage mich: was haben wir aus den vielen Verlusten und Opfern gelernt? Es muss daraus nämlich ein gemeinsames Lernen geben, und Veranstaltungen wie diese Konferenz tragen zum Vorantreiben dessen bei.” Minister Balog wies auch darauf hin, dass das Gelernte auch in die gegenwärtige Migrationskrise mit eingebaut werden müsse, und dass die Aufarbeitung der Vergangenheit auf gemeinsamer europäischer Ebene erfolgen sollte. „ Es irritiert mich, wenn die gegenwärtige Flüchtlingswelle mit der Aufnahme der vertriebenen Ungarndeutschen in Deutschland verglichen wird”, so Balog. „ Im Falle der Ungarndeutschen war nämlich eine gemeinsame Basis, der christliche Glaube da, das Gebet der Vertriebenen und das der sie Aufnehmenden stieg in die gleiche Richtung. Unser Europa können wir uns nur so vorstellen.” Der Minister für Humanressourcen bezeichnete die im heutigen Ungarn lebende deutsche Volksgruppe als „ einen sonnige Fleck am bewölkten Himmel”. Die Ungarndeutschen seien der Regie- rung sehr wichtig, und die Art und Weise, wie sich Ungarn 2012 öffentlich für die Gräueltaten der Vertreibung und Verschleppung öffentlich entschuldigt hat, sei europaweit vorbildhaft. Die Aufarbeitung der ungarndeutschen Geschichte sei ebenfalls ein „ sonniger-Fleck” im Verhältnis zwischen Deutschland und Un- garn, weil diese eine historische Perspektive habe – meinte Zoltán Balog.
„ Es tut gut, bei solchen Tagungen zu spüren, dass es keinen tabuisierten Themenaspekt mehr gibt. Ungarns Beziehung zu Deutschland ist enttabuisiert. Das war nicht immer so!”, begann seine Rede Hartmut Koschyk, Beauftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten der deutschen Bundesregierung. „ Erinnerung braucht, wenn sie versöhnend sein soll, öffentlichen Raum. Ungarns Weg in den letzten Jahren will ich würdigen. Das, was wir heute Nachmittag erleben werden, ist ein Zeichen dafür, dass sich Ungarn dem gemeinsamen Erinnern und Lernen stellt.” Koschyk würdigte darüber hinaus auch die Fortschrittlichkeit ungarischer Minderheitenpolitik. Er sprach sich dafür aus, dass Minderheiten positive Diskriminierung benötigten, um sich be- haupten zu können. Leute dürften nicht vor die entweder-oder- Identitätsfrage gestellt werden: es sollte möglich sein, sich zum „ Sowohl-als auch” zu bekennen. Europa habe noch einiges dabei zu lernen. Bezüglich Deutschlands und Ungarns unterschiedlicher Bewältigung der Migrationskrise vertrat Koschyk der Auffassung, man müsse unbedingt die Kraft zur Diskussion finden. „ Nur Rei- bung erzeugt Energie”, meinte er, und man müsse einen Konsens finden, damit Europa auch noch morgen als politischer Faktor wahrgenommen werden kann.
14