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dass sich die Volksgruppe mit der doppelsprachigen Volksschule, die man ihr in Aussicht gestellt hatte zufriedengebe und die seelische Harmonie mit dem Madjarentum unter allen Umständen gewahrt werden müsse. Dabei hatte er 1932 selber zugegeben die- se Harmonie sei durch den unbedingten Assimilationswillen des Staatsvolkes gestört worden sowie dadurch, dass die ungarische Regierung, die Behörden und die Gesellschaft nicht bereit seien, die gesetzlich verbrieften Rechte der deutschen Minderheit zu wahren.
Die deutschen Volksgruppen wurden in ihren kulturellen Bestrebungen vom Deutschen Schulverein – später VDA, – und dessen Leiter Dr. Steinacher moralisch und finanziell unterstützt. Auch die von Gratz aus dem Volksbildungsverein ausgestoßenen Vorkämpfer des ungarländischen Deutschtums erhielten die Un- terstützung des VDA. Um diese bedeutende Hilfeleistung zu un- terbinden, Dr. Steinacher kaltzustellen und den VDA gleichzuschalten, verhandelte Gustav Gratz im Sommer 1937 in Berlin mit Hitler und dem Auswärtigen Amt der NSDAP mit vollem Erfolg, wie er in seinem Buch „ Deutschungarische Probleme”( 1938) selbst mit Genugtuung mitteilte Es wäre sicherlich auch um das ungarländische Deutschtum geschehen gewesen, hätte sich nicht die außenpolitische Lage Ungarns im Herbst 1938 grundsätzlich geändert. Es geschah dies zur Zeit der tschechoslowakischen Kri- se, als man in der Slowakei gegen jegliche Gebietsansprüche Un- garns die Tatsache ins Treffen führte, die Nationalitäten in Ungarn hätten keinerlei Möglichkeit zur freien kulturellen Betätigung, zumal der Volksbildungsverein Gratzscher Prägung die Haupt- aufgabe habe, die Männer der deutschen Bewegung zu bekämpfen. Tatsächlich arbeitete Gratz weitgehend mit den ärgsten Feinden Jakob Bleyers zusammen, wie zum Beispiel mit Endre Bajcsy-Zsilinszky, der Ungarns Zugehörigkeit zum Abendland bestritt und dessen politische Einstellung, wie das Blatt „ Új Magyarság” sich einmal ausdrückte, seine Deutschfeindlichkeit und sein Blatt „ Szabadság” das Fachblatt für Deutschenhass war. Gratz war Liberaler, aber wenn es galt, das ungarländische Deutsch tum zu bekämpfen, arbeitete auch er wie die andern Liberalen Ungarns seit etwa 1920 mit den ärgsten Nationalisten( Gömbös, Bajcsy-Zsilinszky usw.) freundschaftlich zusammen.
Unter dem Eindruck der gegebenen außenpolitischen Notwen- digkeit genehmigte der ungarische Ministerpräsident Béla v. Imrédy die Gründung des „ Volksbundes der Deutschen in Un- garn”, dessen Vorsitzenden und die anderen führenden Persön- lichkeiten nicht mehr die Regierung bestimmte, sondern die Mit- glieder selbst wählen durften. Gratz war mit seiner Minderheiten- po litik gescheitert und verließ bald darauf den Volksbildungsve- rein, der als Regierungsverein auch auf anderen Gebieten in den Dienst der Regierungspolitik gestellt worden war. Der neue Mi- nisterpräsident, Graf Paul Teleki, der spiritus rector des ungarländischen Antisemitismus, schmuggelte antisemitische Züge in diesen Verein, an dessen Spitze Gratz als Abgeordneter des Buda- pester V. Bezirkes, der überwiegend jüdischen Leopoldstadt, somit nicht mehr bleiben konnte. Er wurde Chefredakteur des jüdisch – liberalen „ Pesti Napló”, aber auch dieses Blatt wurde im Zuge der verschärften Maßnahmen gegen das Judentum im Jahre 1940 eingestellt.
Gratz setzte seine ausgedehnte wissenschaftliche Tätigkeit nach 1920 mit großem Erfolg fort. Seine wichtigsten Werke sind: „ Mitteleuropäische Wirtschaftspläne”, 1925; „ Das Zeitalter des Dualismus”, 1934( ungarisch); „ Das Zeitalter der Revolutionen”, 1938( ungarisch). Nach Einmarsch der deutschen Truppen in Un- garn am 19. März 1944 wurde Gratz verhaftet und in ein Kon- zentrationslager Mauthausen verschleppt, wurde jedoch schon im Juli 1944 von dort entlassen. Bis April 1945 lebte er in der Nähe von Wien bei seiner Tochter. Dann kehrte er nach Budapest( zu seiner Frau Ilona Nagy) zurück und war einer der Hauptbelas- tungszeugen in den volksgerichtlichen Prozessen gegen Béla Im- rédy und den ehemaligen Volksgruppenführer Franz Basch. Auf Wunsch der neuen ungarischen Provisorischen Nationalen Regie- rung verfasste er zur Vorbereitung der bevorstehenden Frie- denskonferenz eine Studie über Probleme einer Zusammenarbeit der Donauvölker. Gustav Gratz Starb am 21. November 1946 in Budapest an
Herzversagen. Aus: „ Verlorene Söhne” von Dr. J. Weidlein
( ergänzt von G. Krix)
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ALLER ANFANG IST SCHWER
Rückblick auf die Entstehung einer Gemeinschaft – Mit Jakob Bleyer in den Volkstumskampf
Dr. Stefan Steyer
Treue Bewahrung, Tapfere Bewährung
Erinnerungen
Ich bin Juli 1899 in Großbetschkerek, Banat, geboren. Die Stadt gehörte nach dem Trianoner Vertrag zu Jugoslawien. Dort be- suchte ich den Kindergarten, die Volksschule und das Gymna- sium. Unsere Familie ist seit Generationen hier ansässig und im deutschen Viertel der Stadt wohlbekannt. Im Januar 1917 wurde ich gemustert und im Februar zum Militärdienst eingezogen.
Darum legte ich im Januar 1917 vorzeitig die Matura ab. Im Zug nach Komorn lernte ich Nikolaus Haßlinger aus Stefansfeld kennen, der sich mit mir in der abgesonderten privilegierten Grup pe der Einjährig-Freiwilligen lebhaft und interessiert unterhielt, natürlich in ungarischer Sprache, dem aber der Schwabe im Nacken saß. In Komorn war Haßlinger nur zwei Tage bei unserer Gruppe, dann wurde er in die Rechnungsführer-Kanzlei beim Ersatzbataillon eingeteilt. Ich begegnete ihm nicht wieder. Als ich im Januar 1919 abrüstete, las ich in der Deutschen Zeitung in Großbetschkerek, welch außerordentliche volkspolitische Akti- vität er in der deutschen Volksgruppe in Jugoslawien entfaltete, aber auch darüber, welche Konflikte er mit seiner Hastigkeit in- nerhalb der Volksgruppe heraufbeschwor. Er zog es vor, einen Ortswechsel vorzunehmen und immatrikulierte sich in Budapest an der medizinischen Fakultät, wo er den Weg zu Bleyer fand und wo auch Franz Rothen aus Pardány, ebenfalls im Banat, studierte. Rothen hat nicht bei der Infanterie gedient, sondern bei einer privilegierten Einheit der „ Reitenden Artillerie”, wohin er mit einem Pferd eingerückt war.
Die Rivalität war vorprogrammiert. Auch Rothen fand schon Ende 1919 oder Anfang 1920 den Weg zu Bleyer. Beide waren repräsentative, ehrgeizige Männer, beide reiche Bauernsöhne. Wer macht das Rennen, auf wen wird Bleyer setzen? In diese Zeit fällt die Gründung der „ Vereinigung deutscher Hochschüler in Budapest Gothia!” Diese bekannte sich zum Minderheitenprog- ramm Bleyers und identifizierte sich mit ihm. Sie kam bei den Drei Spatzen in Ofen zusammen. Mitglieder waren außer Haß- linger und Rothen, Martin Steer, die zwi Batisweiler, Einwachter aus Vértesacsa, Ludwig Leber aus Großturwall, Georg Stumpf und Franz Ruck aus Elek, auch Dr. Hans Schnitzer. Unter andern, die ich nicht kennenlernte, war Dr. Schön. Außerdem bestand noch eine zweite „ Vereinigung deutscher Hochschüler in Budapest”, die sich im Matthiaskeller traf. Ihr schlossen sich fast ausschließlich Kriegsteilnehmer aus allen Gebieten des Vor- Trianon-Ungarn zusammen, die in Budapest die Universität be-
( Fortsetzung auf Seite 20)
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