Sonntagsblatt 1/1997 | Page 8

Rückläufige Schülerzahlen Wie deutsch sind Rumäniens deutsche Schulen heute noch ?

Daß es mit den “ deutschen Schulen ” in Rumänien nicht zum besten steht , ist heute kein Geheimnis mehr und kann auch nicht mehr geleugnet werden . Die Zahl der Schüler in den deutschen Grumdschulklassen ist zur Zeit rückläufig , und der Anteil der rumänischen Kinder steigt unaufhaltsam . Dieses Phänomen ist im Kindergartenbereich noch stärker ausgeprägt . Im Vergleich zum Schuljahr 1994 / 95 sank im Schuljahr 1995 / 96 die Zahl der Schüler um 443 auf 6999 und die der Kinder in den deutschen Kindergärten sogar um 1479 auf nur noch 5769 . Im Bereich der Gymnasial- ( 5 . -8 . Klassen ) und der Lyzealstufen ( 9 . -12 . Klassen ) ist eine ganz leichte Zunahme der Schülerzahl festzustellen . Trotzdem lernten im vorigen Schuljahr um 1648 weniger Kinder und Jugendliche Deutsch als “ Muttersprache ”, wenn auch die wirkliche Muttersprache der meisten dieser Kinder und Schüler Rumänisch war .
Dieser Zustand dürfte beim ersten Blick nicht besorgniserregend sein , wenn man die fast vollendete Aussiedlung aller Rumäniendeutschen , besonders derjenigen , die schulpflichtige Kinder hatten , in die Analyse einbezieht . Betrachtet man aber die Zusammensetzung der “ deutschen ” Klassen , so muß man zur Kenntnis nehmen , daß mit Ausnahme ganz weniger Ortschaften in diesen Klassen nur noch ein bis fünf Schüler mit zwei deutschen Elternteilen oder zumindest mit Deutsch als Umgangssprache in der Familie lernen . Wie sollen nun die wirklich deutschen Kinder in einem solchen Umfeld , in dem man fast ausschließlich nur noch Rumänisch spricht , noch ein richtiges Deutsch erlernen ? Schon in den achtziger Jahren , als in der Temeschburger Lenau-Schule nur etwa die Hälfte der Schüler Deutsche waren , wurde von den Schülern das sogenannte “ Lenau- Deutsch ” gesprochen . Diese Sprache war nichts anderes als ein Gemisch aus deutsch und rumänisch , hauptsächlich aber eine “ Germanisierung ” rumänischer Wörter durch die Anpassung der Endungen . Die Folgen dieses “ Lenau-Deutsch ” hatten viele der Lenau-Schüler erst hier nach der Aussiedlung zu fühlen . Man darf aber nicht vergessen , daß die Lenau- Schule damals noch über die besten deutschen Lehrer des Banats verfügte !
Zur Zeit ist dies alles nur noch eine schöne Erinnerung , weil das Schlimmste an den heutigen “ deutschen Schulen ” Rumäniens die schlechte Ausbildung des größten Teils der “ deutschen ” Lehrer ist . Die meisten von ihnen haben Deutsch als
Fremdsprache erlernt und solche Lehrer können beim besten Willen Deutsch nicht als Muttersprache unterrichten . Dafür fehlt ihnen vor allem eine richtige Aussprache . Auch Schülern , die in Rumänien noch von guten Deutschlehrern unterrichtet wurden , ist hier im Mutterland ein “ zu hartes Deutsch ” vorgeworfen worden . Vielen von ihnen wurde auch vorgeworfen , ein “ Auslandsdeutsch ” zu sprechen . Man merkte eben den fehlenden Kontakt der Deutschlehrer zum deutschen Sprachraum . Heute ist aber das damalige “ Auslandsdeutsch ” bereits ein Ziel , daß nur noch ganz wenige Schüler erreichen .
Das Ergebnis dieses Zustandes der “ deutschen Schulen ” kann man heute auch an den deutschsprachigen Sendungen des rumänischen Rundfunks leicht feststellen . Es verschlägt einem die Sprache vor Staunen , wenn man sich den Sender “ Bukarest International ” anhört . Kein Nachbarland Rumäniens , ja nicht einmal China , läßt Sprecher wie die des genannten Senders zum Mikrofon . Schriftlich mögen diese Sprecher im Deutschen gut sein , aber mündlich kann man sie kaum verstehen .
Man darf aber in keinem Fall vergessen , daß heute nur noch etwa die Hälfte der “ deutschen ” Grundschullehrer und noch weniger Kindergärtnerinnen eine entsprechende Ausbildung vorzeigen können . Die meisten sind sogenannte “ Hilfslehrer ”, die meist ein “ deutsches Lyzeum ” mit den oben genannten Zuständen absolviert haben . Von einer pädagogischen Qualifikation kann keine Rede sein . Zu dieser “ Ausbildung ” kommen dann auch die Sprachschwierigkeiten eines Nichtdeutschen oder Halbdeutschen hinzu . Zu diesem Thema machte eine Teilnehmerin bei der 4 . Sitzung des Ständigen Ausschusses für das Fach “ Deutsch ” im April mit Recht die Bemerkung , daß man die deutschen Schulen auflösen müßte , wenn nur jene Lehrer unterrichten dürften , die ein korrektes Deutsch sprechen . Wie könnte es aber in einer “ deutschen Schule ” sein , in der nichtdeutsche Schüler Deutsch als “ Muttersprache ” erlernen sollen und zwar von Lehrern , deren Muttersprache auch nicht Deutsch ist ?
Auch hier ist reichlich bewiesen , daß man eine echte deutsche Kultur in den gewesenen deutschen Siedlungsgebieten Rumäniens nicht mehr pflegen kann , wenn diese dort keine Träger hat . Sogar der künstliche Erhalt der deutschen Schulen mit Hilfen von Gastlehrern hat sich als ein Fehlschlag erwiesen . Lehrer mit zwei grundverschiedenen pädagogischen Konzepten und noch unterschiedlicheren Weltanschauungen sollten nicht in derselben Klasse unterrichten . Was kann sich da in den Köpfen ihrer Schüler abspielen ?
Die heutige Lage der “ deutschen Schulen ” hat noch einmal bewiesen , daß eine “ Volksgemeinschaft ”, deren Existenz immer künstlich vorgeführt wird , die aber ihre Kultur nicht mehr selbst tragen kann , weil sie über keine eigenen Intellektuellen mehr verfügt , sich im Auflösungsprozeß befindet . Kinder aus Mischehen können sehr gut an der Pflege einer Kultur , der sie nur zum Teil angehören , teilnehmen , sie sind aber nicht imstande , alleine diese Kultur zu “ retten ”. Demzufolge kann auch die deutsche Schule Rumäniens , einst ein Stolz dieses Landes , von nichtdeutschen Lehrern kaum gerettet werden . Unter den heutigen Bedingungen kann man in Rumänien Deutsch nur noch als Fremdsprache unterrichten und erlernen .
So leid es uns auch tut um jene in der alten Heimat verbliebenen Landsleute , die sich nicht entschließen konnten , ins Mutterland zu ziehen , sie müssen wissen , daß sie dort eine Zeitlang als Deutsche leben können , aber ihr Zugang zur deutschen Kultur wird ständig enger . Man müßte hierzulande endlich auch bei den zuständigen Stellen die Realität wahrnehmen : in Rumänien gibt es keine geschlossenen deutschen Siedlungsgebiete mehr , und damit muß die deutsche Kolonisation im Südosten Europas als abgeschlossen betrachtet werden . Man sollte sich endlich auf eine Hilfeleistung konzentrieren , die das existentielle Überleben unserer im Banat und in Siebenbürgen verbliebenen Landsleute sichert .
Die “ deutsche Schule ” in Rumänien ist an einem Scheidepunkt angelangt , an dem nun die richtigen Entscheidungen für die nächste Zeit getroffen werden müssen . Deutsch als Muttersprache unter diesen schlechten Bedingungen oder Deutsch als Fremdsprache . In diesem letzten Fall müßten die deutschsprachigen Schulen aus Bukarest , Kronstadt , Hermannstadt und Temeschburg mit den 1 . bis 12 . Klassen unter allen Umtänden erhalten bleiben . Hier sollten die besten Lehrer des Landes konzentriert werden und die deutschen Schüler sollten bei der Aufnahme vor den nichtdeutschen Vorrang haben .
Aber ... viel Zeit zum Überlegen bleibt leider nicht mehr !
Anton Zöllner ( Aus Der Donauschwabe )
Humntagöblatt 7