Sonntagsblatt 1/1997 | Page 7

Mit weiblicher List gegen Vorurteil von Robert Rohr

FRANZ SCHUBERT

EIN KIND SEINER ZEIT ?

Am 31 . Jänner jährte sich zum 200 . Mal Franz Schuberts Geburtstag .
“ Die Tonkunst begrub hier einen reichen Besitz , aber noch viel schönere Hoffnungen ”, schrieb Franz Grillparzer seinem Freund Schubert als Grabspruch . 31 jährig starb der als Bohemien verkannte , in Wahrheit hochsensible , gewissenhafte und fleißigte Arbeiter der Musikgeschichte am 19 . November 1828 an Bauch-Typhus . Schubert starb , wie er gelebt hatte : Untergebracht bei Freunden , ohne eigene Wohnung , als “ verkanntes Genie ” völlig mittellos . Denn Schubert war , außer im Freundeskreis , so gut wie unbekannt : Der “ reiche Besitz ”, tausend Werke , errang erst Jahre nach Schuberts Tod Berühmtheit .
Franz Peter Schubert wurde als 12 . von 14 Kindern des schlesischen Schulmeisters Franz und der Köchin Elisabeth Schubert am 31 . Jänner 1797 in der heutigen Nußdorferstraße in Wien geboren . Achtjährig kam Franz als Sängerknabe an die Hofkapelle , wo er von Salieri , einem musikalischen “ Star ” seiner Zeit , nicht nur Musikunterricht , sondern auch eine Grundausbildung in Musiktheorie und Kompositionskunde erhielt . Als löjähriger hatte er bereis Kirchenmusik und Messen komponiert ; “ Gebrauchsmusik ” für seine Heimatpfarre
Lichtental . Das bekannteste Stück aus dieser Zeit , das er auf die “ Lichtentaler Besetzung ” zugeschnitten hat , ist die zartgetönte Messe in G .
Um dem Wehrdienst in den Napoleonischen Kriegen zu entkommen , nahm Schubert widerwillig einen Lehrerposten an der Schule des Vaters an . Kammermusik , Symphonien und 300 Lieder entstanden in dieser Zeit . Doch der Vielschaffende mußte frei sein : Gegen den Willen des Vaters quittierte er den Schuldienst , um zu komponieren . Ohne Auftrag , ohne praktischen Nutzen , denn niemand wollte seine Werke aufführen .
In den Klerikerräumen des Bistumsgebäudes , heute Konservatorium für Kirchenmusik sowie im Gasthaus “ Zu den drei Kronen ” am Herrenplatz wohnte Schubert . Daß er unter einer Linde in Ochsenburg “ Am Brunnen vor dem Tore ” geschrieben hätte , ist nur nett erdichtet : Der Lindenbaum entstand kurz vor seinem Tod im Spital .
Schuber schuf eine Unmenge ewigkeitsgültiger Musik : die “ Winterreise ”, “ Schwanengesang ” ( nach Heine-Liedern ), die große C-Dur-Symphonie und die Es- Dur-Messe , ein Höhepunkt in Melodik , aber in kühnster , erschreckendster Harmonik komponiert . “ Mit gottestrunkenem Blick begnadet , aber auch von den Schauern der Todesahnung berührt ”,
HEIMATDORF MAGOTSCH

Marschlied

Text und Melodie von Matthias Wisinger Balatoni
Heimatdorf Magotsch , von mir stets gegrüßt , Hab deinen Boden bei Freud ’, Leid geküßt ; Treu und Liebe ich dir schwörte : Warst mein alles , Bist mein alles , Wirst es du mir immerdar sein .
Reichet die Hände , ihr weltweit zerstreut , Denkt an die Heimat , lieb ’ Magotscher Leut ; Lieb verbinde , Lied erklinge : Warst uns alles , Bist uns alles , Wirst es uns auch immerdar sein .
Euch , die ihr ruhet hier im stillen Grab , Euch , denen eins fern fremde Erde gab ; Wir geloben fest entschlossen : Für Euch betend , All umarmend , Immer treue Magotsch ’ r zu sein .
schreibt dazu das Handbuch der Musikwissenschaft . Am Höhepunkt seines Schaffens stirbt Schubert - geschwächt durch seine chronische Erkrankung , zermürbt vom unermüdlichen Schaffen .
Schubert war ein Kind seiner Zeit - er war ihr aber auch voraus ! Nicht nur die ungeheure Anzahl , sondern die Zeitlosigkeit seiner Werke legen davon Zeugnis ab .

Gut , daB Sie Juliane hieß ...

Mit weiblicher List gegen Vorurteil von Robert Rohr
Mit weiblicher List gegen ein Vorurteil . Heute , nach weitgehend vollzogener Emanzipation , lächelt man vielleicht darüber . Aber damals - vor Jahrzehnten - war es nicht verkehrt , wenn sich Damen etwas Besonderes einfallen ließen , um ein anvisiertes Ziel zu erreichen .
Juliane Kreutzer , geborene Ambros , die am 22 . Januar 1889 in Ruma ( Syrmien , damals Österreich-Ungarn , danach Jugoslawien ) zur Welt gekommen war , war schon sehr früh zur Musik gestoßen . Juliane hatte es das Cello und vor allem die Zither angetan . Auf diesem Instrument erteilte sie auch Unterricht .
Nach Flucht und Vertreibung gelangte sie nach Österreich . Und da kam sie - mit 58 Jahren - auf die Idee , einem einschlägig bekannten Wiener Musikverlag einige Proben ihrer Tonschöpfungen zur Überprüfung zu schicken - aber um
G
Gottes willen nicht als “ Juliane ”, sondern als “ Jul . Kreutzer ”. Sollten die Herren doch glauben , es handelte sich um einen “ Julius ”, einem Mann - meinte sie . Und siehe da , die erste - und ganz wichtige - Hürde war genommen . Die Vorlagen wurden akzepitert . Die kleine List hatte geholfen , der “ Herr Jul . Kreuzer ” erhielt seine Notendrücke . Der Verlag veröffentlichte mehrere ihrer Titel unter “ Wiener Klänge , Sammlung beliebter Original Kompositionen für eine oder mehrere Zither ”. Ende 1948 wanderte Juliane Kreutzer mit Sohn und Schwiegertochter ( die ebenfalls Zither spielte ) nach Argentinien aus . Aus ihrer Feder entstanden weitere Kompositionen , auch solche der Heimatsehnsucht , Vertonungen von Gedichten Nikolaus Lenaus und argentinische Titel .
Eines Tages stand der Vertreter des Wiener Verlages , der irgendwie ihren Aufenthalt entdeckt hatte , vor ihrer Türe in Buenos Aires . Der freundliche Mann verlangte “ Herrn Julius Kreutzer ” zu sprechen ... Er war natürlich aus allen Wolken , daß der gesuchte “ Julius Kreutzer ” eigentlich eine “ Juliane Kreutzer ” war ... Es kam - leider und offensichtlich deshalb - keine neue Vereinbarung zustande .
Nach elf Jahren kehrte diese donauschwäbische Komponistin aus Übersee zurück und ließ sich in Deutschland nieder . Ihrer Zither ist sie solange treu geblieben , bis ihre Finger nicht mehr recht gehorchen wollten . Am 21 . September 1971 ist sie in Paidt bei Andernach gestorben .
Wie gut , daß sie - Juliane hieß , denn nicht jeder weibliche Vorname hätte sich durch eine simple Abkürzung zu der beschriebenen List verwenden können .
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