SchollZ 12/2018 Nr. 21 | Page 31

gefunden habe, mit denen ich mich  iden fizieren kann, denke ich auch  viel weniger über meine Sexualität  nach. Vorher war es ohnehin mehr  die Frage danach, ob ich vielleicht  auch einfach nur ein Spätzünder bin  oder irgendetwas falsch läu . Heute  ist (meine) Sexualität für mich nur  dann ein Thema, wenn andere  Menschen mich damit konfron eren. Woher hast du gewusst bzw. wie  hast du herausgefunden, dass du  nicht heterosexuell bist? Eine Freundin hat mich irgendwann  mal angeschrieben und gefragt, ob  ich mit "LGBTQIAP+" etwas anfangen  könnte, besonders mit dem A in  diesem Akronym. Konnte ich nicht.  Nicht einmal LGBT+ hat mir etwas  gesagt und Homosexualität und  Transiden tät ... davon ha e ich mal  gehört, aber nie Menschen getroffen,  sie sich so iden fizierten und in  meinem Umfeld ist man zwar offen,  spricht jedoch nie darüber. Ich habe das Akronym also  gegoogelt, Glossare im Internet  gewälzt und Begriffe und Konzepte  wie Vokabeln gelernt. Es hat eine  ganze Weile gedauert, bis ich sie  wirklich verstanden habe und  nachvollziehen konnte. Besagte  Freundin habe ich in der Zeit ein paar  Mal getroffen (sie lebte etwas weiter  weg) und wir haben uns jedes Mal  vorgenommen darüber zu sprechen,  es dann aber doch selten getan, weil  wir nicht wussten wie. Dass ich asexuell bin, habe ich nach  einem Monat verstanden. Zuerst  habe ich Demisexualität in Betracht  gezogen. Schließlich weiß man ja nie,  ob es doch noch mal Klick macht und  ich einfach nur Menschen gut genug  mögen muss ‐ dachte ich zumindest.  Aber je mehr Erzählungen ich von  anderen Asexuellen gelesen habe,  desto mehr habe ich verstanden,  dass dem nicht so ist. Dass das gar  nicht notwendig ist und selbst wenn  es passiert: Man kann Labels  behalten, wenn sie sich rich g  anfühlen. Und Labels kann man jeder  Zeit (!) ändern. Sie sollen  beschrieben, wie wir uns fühlen und  uns nicht selbst in eine Schublade  zwängen. Wenn man mehr über sich  herausfindet oder Dinge sich ändern  (denn das passiert und das ist okay  so), dann darf man seine Labels  ändern ‐ egal wie o . Aroman k war für mich schwieriger.  Das hat mich sehr verwirrt. Es gibt  auch hier ein Spektrum und noch  viele Begriffe, die etwa beschreiben,  dass man gar keinen Unterschied  zwischen roman schen und  platonischen Gefühlen feststellen  kann. Wie gesagt, mich verwirrt es  auch heute noch, was denn bi e  roman sche Gefühle sein sollen ‐ ich  spreche nicht von den  Schme erlingen im Bauch, sondern  das, was dahintersteht und bleibt,  wenn das erste Gefühl vom  Verknalltsein vorbei ist. Ich weiß,  dass ich mich sehr, sehr zu  Menschen hingezogen fühlen kann,  vielleicht auch mehr als  Freundscha . Was das dann sein soll,  weiß ich nicht. Und ganz ehrlich:  Nicht alles braucht Labels. Wenn ich  einen Menschen mag, mag ich ihn,  aber ich weiß, dass ich mich nicht auf  diese spezielle, roman sche Art  hingezogen fühle. Ausschlaggebend  für die Verwendung des Labels war  es, dass ich irgendwann festgestellt  habe: Wenn ich nicht verstehe, was  roman sche Anziehung sein soll,  dann fühle ich sie ganz offensichtlich  nicht. Erging es dir damit schon immer so?  Wie war das für dich in der Kindheit  und während der Pubertät? Ja, tat es. In der dri en Klasse hat  mir mal jemand auf dem Pausenhof  gesagt, er wäre in mich verliebt. Ich  habe das abgetan mit den Worten,  er wisse ja nicht, worüber er da rede,  wir wären viel zu jung dafür. Das  Gefühl, viel zu jung für Liebe zu sein,  ist geblieben, bis ich von Aroman k  erfahren habe. In meiner Pubertät habe ich mir mal  versucht einzureden, ich wäre  verliebt. Denn das hat man als  Jugendlicher zu sein ‐ verliebt. Aber  Einreden funk oniert eben nicht. Ich  ha e auch längere Zeit Panik davor,  was passiert, wenn jemand mir  eröffnen sollte, er oder sie wäre in  mich verliebt. Sollte ich es einfach  ausprobieren? Mitziehen? Ehrlich  gesagt, weiß ich heute nicht, was ich  tun würde, denn Freundscha en  beenden würde ich deswegen auch  nicht wollen. Gut, dass das bis heute  nicht passiert ist. Zumindest nicht,  dass ich wüsste. Freunde haben mir  auch einmal erzählt, ich würde es  bloß nicht mitbekommen, wenn  Menschen auf mich stehen. Aber  woher soll man das auch wissen,  wenn man nicht weiß, wie sich das  anfühlt und niemand, wie besagter  Junge in der dri en Klasse, auf einen  zukommt? (…) Meine jüngere Schwester ha e  mi lerweile ihren ersten Freund ‐ ich  zeige nach wie vor kein Interesse  daran. Da kann meine Tante bei  alljährlichen Treffen auch noch so  sehr fragen, wie es an der  "Jungsfront" aussähe. (…) Hast du dich jemals tatsächlich  geoutet? Falls ja, wie gehen deine  Freunde und deine Familie damit  um? Wie war ihre Reak on? Bei meiner Familie bin ich ungeoutet.  Nicht, weil sie es nicht akzep eren  würden ‐ meine Familie ist sehr offen  und auch meine Eltern haben mal  gesagt, dass es okay wäre, wenn ich  lesbisch sei ‐ sondern weil ich genau  weiß, wie lange ich gebraucht habe,  um das vollends zu verstehen und zu  akzep eren und mir ein Ou ng in  Gedanken so unangenehm  vorkommt, wie "das Gespräch", das  angeblich viele Eltern zu Beginn der  Pubertät mit ihren Kindern führen. Bei Freunden habe ich mich geoutet  und auch neuen Freunden  gegenüber bin ich damit komple   offen. Zuerst habe ich mich bei  Freunden geoutet, die selbst LGBT+  Personen im nahen Familienkreis  haben, da ich bei ihnen auf  Verständnis gehofft habe. Sie haben  die Labels auch ganz  selbstverständlich akzep ert, ein  paar Nachfragen gestellt und dann  war alles okay. Auch alle anderen  Freunde, bei denen ich mich dann  Stück für Stück geoutet habe, waren  vollkommen offen und behandeln  meine Orien erung ganz  selbstverständlich. Eigentlich hat sich  nichts geändert, außer dass ich nun  weiß, dass sie es wissen, und das  fühlt sich sehr gut an. Zum Glück  ha e ich nie einen Freundeskreis,  der Sexualität und Beziehungen groß  thema siert. Hast du jemals Diskriminierung oder  Intoleranz durch deine Sexualität  erlebt? Gibt es Vorurteile? Nein, gar nicht. Aber ich weiß, dass  das bei vielen Menschen anders ist.  Vorurteile gibt es viele, wobei ich  hier nicht von Vorurteilen sprechen  LGBTQ+- What?! 31