´s Dorfblattl Haiming
Symbiose von Landwirtschaft, Tourismus und Technik auf höchstem Niveau
Längental - eine Haiminger Alm!
I
m Juni 2016 hat die Umweltabteilung des Landes einen positiven Bescheid für die Umweltverträglichkeitsprüfung des Projekts
Kühtai II erlassen. Gegenstand der
Prüfung war die Errichtung des
Steinschüttdammes für den neuen Speicher, der Bau des Pumpspeicherkraftwerkes Kühtai II und
mehrerer Triebwasserwege für das
Kraftwerk, von denen einer bis ins
hintere Stubaital führt. Da noch
Einsprüche aus dieser Region zu
behandeln sind, wird mit dem Baubeginn frühestens in zwei Jahren
gerechnet.
Obwohl dieses Projekt seit vielen
Jahren im Fokus steht, blieb bislang
verborgen, dass dieses 520 Millionen-Projekt auf einer Haiminger
Alm entstehen wird. Das Längental
ist nämlich ausschließlich im Besitz der „Agrargemeinschaft Längenthal“, deren 14 Mitglieder am
Haimingerberg beheimatet sind.
Hubert Leitner, Bauer am Mittelberg, Wirt „auf Mareil“, Obmann
der vorgenannten Agrargemeinschaft, ist seit dem Jahr 2000 Hirte
im Längental; diese Alm wird heuer
mit 80 Rindern und 250 Schafen beschickt. Die Schafe betreut Florian
Neurauter aus Grün.
Die wunderbare Almidylle, die sich
vom Ufer des „kleinen“ Stausees
über ein nach Süden verlaufendes
Hochtal zum wildromantischen
Gebirgskamm zwischen Acherkogel und Hochreichkopf erstreckt,
ist schon seit Jahrtausenden ein
Sommerfrische-Refugium für
Mensch und Tier. Dieser sensationelle Befund hat sich aus der wissenschaftlichen Auswertung von
vier Grabungs-Stellen ergeben, die
ein Tiroler Archäologenteam dank
der Unterstützung der TIWAG, des
Landes, der Landwirtschaftskammer sowie der Bergbahnen Oetz
und Kühtai näher unter die Lupe
genommen hat. Burkhard Weishäupl vom Team: „Wir haben Feuersteingeräte und Holzkohlestücke
gefunden, die sich auf das Mesolithikum und dabei auf die Zeit
zwischen 11.000 bis 7.000 v. Chr.
datieren lassen.“ Weiters kam zu
Tage: Einer der Gebirgsseen dürfte bereits zwischen 8000 bis 4500
v. Chr. als Jägerrastplatz gedient
haben. Sensationell sei auch der
Fund einer Hirtenhütte auf 2.200
m Seehöhe gewesen, sie konnte
„mit Zubehör“, einem Topf und einer Schale aus Keramik auf ca. 500
v. Chr. datiert werden.
Weitere archäologische „Hinterlassenschaften“ können Wanderer in
den Mauerresten eines Hages und
der ehemaligen Hütte der „oberen
Längentalalm“ selbst entdecken;
auch zwei große Felsblöcke lassen
sich als über viele Generationen benutzte Unterstände für Hirten und
Jäger erahnen.
Im ausgehenden Mittelalter und
in der frühen Neuzeit erklangen
im Hochtal auch häufig die Jagdhörner höfischer Herrschaften; die
prominentesten waren Kaiser Maximilian sowie die Landesfürsten
Erzherzog Leopold, Ferdinand Karl
Wander-Tipp
A
ls Ausgangspunkt für
eine Tour ins Längental
ist der Parkplatz am Stausee zu empfehlen. Der Weg
über den Damm und dann
entlang des Seeufers zum
Kraftwerk ist geradezu ideal
zum „Einwandern“; neben
der Bachbrücke weist eine
geschotterte Werkstraße ins
wunderschöne Längental.
Diese wird alsbald zum
Steig und führt zum ersten der für das Hochtal
typischen Seen. Nach einer
Steilstufe wendet sich der
Weg in einer großen Schleife Richtung Westen; eine
Hochalm lädt zur Rast.
Über steiles Gelände führt
ein markierter Steig zu zwei
weiteren Seen und schließlich über einen Felsriegel.
Die Niederreichscharte ist
über eine Moränen-Halde
zu erreichen, von dort aus
kann man lohnende Blicke
ins Ötztal werfen.
Die Errichtung des 113 Meter hohen Steinschüttdammes und der Bau des
zweiten Pumpspeicherkraftwerkes wird das Längental nachhaltig verändern.
Der Speicher II ist auf ein Nutzvolumen von ca. 31 Mio. m³ ausgerichtet. Das
Krafthaus wird als Kavernenkrafthaus geplant. Das bedeutet, dass von außen
nur ein Stollenportal sichtbar sein wird. Das Ausbruchsmaterial wird für den
Bau des Dammes verwendet.
Durch den Bau eines zweiten Kraftwerkspeichers im Längental will die TIWAG
zusätzliche 216 Gigawattstunden Spitzenstrom erzeugen.
Sommer 2016
Seite 17
Chronik
Bauer, Hirte und Gastwirt mit Leib und Seele: Hubert Leitner.
und Sigismund Franz.
Im 19. Jahrhundert erwanderten
die ersten Touristen dieses hochalpine Kleinod. Die ersten Schitouren
wurden im ersten Jahrzehnt des 20.
Jahrhunderts gewagt. Eine ausführliche Würdigung des Beitrages,
den die Haimingerberger Bauern
für die Entwicklung Kühtais geleistet haben, ist längst überfällig
und ist auch für eine der nächsten
Ausgaben der Gemeindezeitung
vorgesehen.
Ab 1970 stand das TIWAG-Projekt
„Sellrain-Silz“ zur Verhandlung an.
Dabei stellte sich heraus, dass die
untere Alm mit der Almhütte einem
gigantischen Schachtkraftwerk
und einem Speichersee weichen
muss. Johann Prantl leitete damals
für seine Alminteressentschaft
die Verhandlungen mit Weitsicht;
nachkommende Generationen
werden ihm dafür zu danken haben. Ebenso erfolgreich verhandelten die „Barger Bauern“ auch mit
dem Tourismusverband und den
Bergbahnen Kühtai; ihre Bereitschaft zur Kooperation ermöglichte
eine Symbiose von Landwirtschaft,
Tourismus und Energiewirtschaft,
die sich für die Region insgesamt
als sehr vorteilhaft erwiesen hat.
(Text und Foto oben: Johann Zauner; Foto unten: TIWAG)