's Dorfblattl Haiming - Digitalausgabe Dorfblattl Haiming Sommer 2016 - 03/16 | Page 17

´s Dorfblattl Haiming Symbiose von Landwirtschaft, Tourismus und Technik auf höchstem Niveau Längental - eine Haiminger Alm! I m Juni 2016 hat die Umweltabteilung des Landes einen positiven Bescheid für die Umweltverträglichkeitsprüfung des Projekts Kühtai II erlassen. Gegenstand der Prüfung war die Errichtung des Steinschüttdammes für den neuen Speicher, der Bau des Pumpspeicherkraftwerkes Kühtai II und mehrerer Triebwasserwege für das Kraftwerk, von denen einer bis ins hintere Stubaital führt. Da noch Einsprüche aus dieser Region zu behandeln sind, wird mit dem Baubeginn frühestens in zwei Jahren gerechnet. Obwohl dieses Projekt seit vielen Jahren im Fokus steht, blieb bislang verborgen, dass dieses 520 Millionen-Projekt auf einer Haiminger Alm entstehen wird. Das Längental ist nämlich ausschließlich im Besitz der „Agrargemeinschaft Längenthal“, deren 14 Mitglieder am Haimingerberg beheimatet sind. Hubert Leitner, Bauer am Mittelberg, Wirt „auf Mareil“, Obmann der vorgenannten Agrargemeinschaft, ist seit dem Jahr 2000 Hirte im Längental; diese Alm wird heuer mit 80 Rindern und 250 Schafen beschickt. Die Schafe betreut Florian Neurauter aus Grün. Die wunderbare Almidylle, die sich vom Ufer des „kleinen“ Stausees über ein nach Süden verlaufendes Hochtal zum wildromantischen Gebirgskamm zwischen Acherkogel und Hochreichkopf erstreckt, ist schon seit Jahrtausenden ein Sommerfrische-Refugium für Mensch und Tier. Dieser sensationelle Befund hat sich aus der wissenschaftlichen Auswertung von vier Grabungs-Stellen ergeben, die ein Tiroler Archäologenteam dank der Unterstützung der TIWAG, des Landes, der Landwirtschaftskammer sowie der Bergbahnen Oetz und Kühtai näher unter die Lupe genommen hat. Burkhard Weishäupl vom Team: „Wir haben Feuersteingeräte und Holzkohlestücke gefunden, die sich auf das Mesolithikum und dabei auf die Zeit zwischen 11.000 bis 7.000 v. Chr. datieren lassen.“ Weiters kam zu Tage: Einer der Gebirgsseen dürfte bereits zwischen 8000 bis 4500 v. Chr. als Jägerrastplatz gedient haben. Sensationell sei auch der Fund einer Hirtenhütte auf 2.200 m Seehöhe gewesen, sie konnte „mit Zubehör“, einem Topf und einer Schale aus Keramik auf ca. 500 v. Chr. datiert werden. Weitere archäologische „Hinterlassenschaften“ können Wanderer in den Mauerresten eines Hages und der ehemaligen Hütte der „oberen Längentalalm“ selbst entdecken; auch zwei große Felsblöcke lassen sich als über viele Generationen benutzte Unterstände für Hirten und Jäger erahnen. Im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit erklangen im Hochtal auch häufig die Jagdhörner höfischer Herrschaften; die prominentesten waren Kaiser Maximilian sowie die Landesfürsten Erzherzog Leopold, Ferdinand Karl Wander-Tipp A ls Ausgangspunkt für eine Tour ins Längental ist der Parkplatz am Stausee zu empfehlen. Der Weg über den Damm und dann entlang des Seeufers zum Kraftwerk ist geradezu ideal zum „Einwandern“; neben der Bachbrücke weist eine geschotterte Werkstraße ins wunderschöne Längental. Diese wird alsbald zum Steig und führt zum ersten der für das Hochtal typischen Seen. Nach einer Steilstufe wendet sich der Weg in einer großen Schleife Richtung Westen; eine Hochalm lädt zur Rast. Über steiles Gelände führt ein markierter Steig zu zwei weiteren Seen und schließlich über einen Felsriegel. Die Niederreichscharte ist über eine Moränen-Halde zu erreichen, von dort aus kann man lohnende Blicke ins Ötztal werfen. Die Errichtung des 113 Meter hohen Steinschüttdammes und der Bau des zweiten Pumpspeicherkraftwerkes wird das Längental nachhaltig verändern. Der Speicher II ist auf ein Nutzvolumen von ca. 31 Mio. m³ ausgerichtet. Das Krafthaus wird als Kavernenkrafthaus geplant. Das bedeutet, dass von außen nur ein Stollenportal sichtbar sein wird. Das Ausbruchsmaterial wird für den Bau des Dammes verwendet. Durch den Bau eines zweiten Kraftwerkspeichers im Längental will die TIWAG zusätzliche 216 Gigawattstunden Spitzenstrom erzeugen. Sommer 2016 Seite 17 Chronik Bauer, Hirte und Gastwirt mit Leib und Seele: Hubert Leitner. und Sigismund Franz. Im 19. Jahrhundert erwanderten die ersten Touristen dieses hochalpine Kleinod. Die ersten Schitouren wurden im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gewagt. Eine ausführliche Würdigung des Beitrages, den die Haimingerberger Bauern für die Entwicklung Kühtais geleistet haben, ist längst überfällig und ist auch für eine der nächsten Ausgaben der Gemeindezeitung vorgesehen. Ab 1970 stand das TIWAG-Projekt „Sellrain-Silz“ zur Verhandlung an. Dabei stellte sich heraus, dass die untere Alm mit der Almhütte einem gigantischen Schachtkraftwerk und einem Speichersee weichen muss. Johann Prantl leitete damals für seine Alminteressentschaft die Verhandlungen mit Weitsicht; nachkommende Generationen werden ihm dafür zu danken haben. Ebenso erfolgreich verhandelten die „Barger Bauern“ auch mit dem Tourismusverband und den Bergbahnen Kühtai; ihre Bereitschaft zur Kooperation ermöglichte eine Symbiose von Landwirtschaft, Tourismus und Energiewirtschaft, die sich für die Region insgesamt als sehr vorteilhaft erwiesen hat. (Text und Foto oben: Johann Zauner; Foto unten: TIWAG)