ltmeister-Titeln
Ich merke, dass sich langsam aber
sicher mein Vorsprung auf Tere-
za und die Britin Harriet Harnden
vergrößert. Ab sofort gilt für mich
mein Motto „Es gibt nur ein Gas –
und das ist Vollgas“. Du weißt in so
einem Rennen nie, was passieren
kann. Da kann ein komfortabler
Vorsprung nie schaden.
Auch als ich meine beiden Haupt-
konkurrentinnen aus den Augen
verliere, fahre ich das höchst-
mögliche Tempo. Wie groß der
Abstand zwischenzeitlich ist, weiß
ich nicht. Ich bleibe hochkonzen-
triert, versuche, exakt die Linie zu
fahren, die ich mir für´s Rennen
vorgenommen habe. Schließlich
geht’s auf die letzte Runde. „Jetzt
nur nicht nachlassen“ denke ich
mir und drück weiter voll drauf
- auch angetrieben von meinen
Fans. Durch zusätzliche Motivati-
on, die ich durch sie erhalte, kann
ich sogar in der letzten Steigung
noch aus dem Sattel gehen und
einen Sprint anziehen.
Dann raus aus der letzten Wald-
passage und rein ins Zielstadion.
Als mir eine Österreich-Fahne ent-
gegengehalten wird, weiß ich: Ich
hab’ es geschafft: Weltmeisterin
2018! Womit ich mir einen wei-
teren sportlichen Traum erfüllt
habe.
Unzählige Gratulanten strömen
auf mich zu. Die Siegerehrung mit
der Nationalhymne sorgt für Gän-
sehaut. Danach geht’s noch zur
obligatorischen Pressekonferenz
und zur Doping-Kontrolle. Erst
dann fällt die ganze Spannung
wirklich von mir ab – und ich kann
mich so richtig freuen…
Auch auf diesem Weg: Danke an
alle, die mich vor Ort unterstützt
haben. Ihr wart eine unschätzbare
Hilfe für mich.
Der Straßentitel als Draufgabe
Nach der Mountainbike-WM in
der Schweiz hatte ich nur wenig
Zeit, um zu regenerieren. Denn ich
hatte mich auch für die Straßen-
Weltmeisterschaft in Innsbruck
qualifiziert. Ein derartiger Event
vor der eigenen Haustür – ein un-
vergleichliches Erlebnis.
Dienstag, 25. September: So
richtig wohl fühle ich ich mich an
meinem Geburtstag nicht. Eine
Verkühlung hat mich erwischt.
Na bravo, das kann ich jetzt ge-
rade gebrauchen. Aber Jammern
hilft bekanntlich gar nichts. Die
Schule lass ich heute aus. Mittags
kommen Familienmitglieder und
einige Freunde, um zu gratulie-
ren. Und dann heißt es auch schon
Einrücken ins Teamquartier nach
Thaur. Dort ist sozusagen unsere
Zentrale für die Weltmeisterschaft.
Mittwoch, 26. September: Ich
habe gut geschlafen, der Infekt
steckt mir aber immer noch ein
wenig in den Knochen. Gemein-
sam mit meinen Teamkamera-
dinnen steht heute noch eine
letzte Ausfahrt am Programm. In
Innsbruck übe ich aus Gaudi auch
einen Zielsprint. Dass genau der
noch wichtig werden würde, kann
ich zu diesem Zeitpunkt noch
nicht ahnen. Am Nachmittag hol’
ich mir letzte Tipps von Ex-Profi
Thomas Rohregger. Mit Trainer Ru-
pert Scheiber gehe ich nochmals
die Taktik für das WM-Rennen
durch. Nervliche Anspannung ver-
spüre ich keine. Ich weiß schon,
dass ich von manchen als Mitfa-
voritin gesehen werde. Aber das
lass’ ich nicht an mich ran. Ich bin
Mountainbikerin, auf die Straße
wechsle ich für die WM zum Spaß.
Donnerstag, 27. September,
WM-Tag: Morgens heißt es früh
aus den Federn. Der Start in Rat-
tenberg ist für 9.10 Uhr angesetzt.
Wir müssen überstellt werden, da-
nach heißt es auch schon ab auf
die Rolle zum Aufwärmen. Dann
geht es los, zunächst einige Kilo-
Herbst 2018
meter neutralisiert, anschließend
im Renntempo Richtung Westen.
Schnell gibt es im Feld die ersten
Probleme. Ich bin zum Glück in
keinen Sturz verwickelt, arbeite
mich kontinuierlich weiter nach
vorne. Denn eines ist klar: In der
ersten Steigung hinaus nach Gna-
denwald muss ich in der Spitze mit
dabei sein.
Leicht ist es dort für mich nicht.
Immer noch hab’ ich mit den Fol-
gen meiner Erkältung zu kämp-
fen. Aber ich merke auch, dass
ich mithalten kann. Ich fixiere das
Hinterrad einer Gegnerin und
trete, was mein Bike hergibt. Bei
der ersten Durchfahrt durch Inns-
bruck merke ich, dass wieder sehr
viele Fans von mir mit dabei sind.
Meine Motivation schnellt weiter
nach oben.
Hinauf nach Aldrans fährt zu-
nächst eine Russin vorne weg. Das
beunruhigt mich nicht. Die Atta-
cke kommt viel zu früh. Ich starte
die dann genau da, wo es mit Tom-
my und Rupert ausgemacht war
– auf der letzte Rampe Richtung
Lans. Eine Italienerin und eine Ka-
nadierin folgen mir – das passt,
denn alleine vorne weg könnte ich
kaum das Ziel erreichen. Wieder
unten in Innsbruck scheitert das
gemeinsame Arbeiten dann vor
allem an der Italienerin. Sie will
wohl lieber auf zwei ihrer Lands-
frauen warten. Den Anschluss
schafft dann eine Französin – und
zu viert geht’s schließlich auf die
Zielgerade beim Congress.
Was dann kommt, werde ich nie
vergessen. Ich packe meine letz-
ten Reserven zusammen und
ziehe den Sprint an, schau’ nicht
mehr nach links oder rechts.
Schließlich merke ich: Es reicht,
ich schaffe Platz eins und reiße
begeisterte meine Arme in die
Höhe. Dann verspüre ich nur noch
Genugtuung. Denn mit diesem
WM-Titel habe ich mich selbst
überrascht.
(Text: Laura Stigger; Fotos: Peter
Leitner)
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sein, und das gelingt mir auch.
Jetzt liegt es an mir, das Rennen
von der Spitze weg zu gestalten.