PRAXIS
HE-162
He162
alter Baukasten, neue Technik
Bauplan als Referenz für den
Nachbau der Tragfläche
Vorgeschichte
Im März kontaktierte mich Norbert Perl aus Wien, und bat mich
um Unterstützung beim Bau einer
He162 mit 1,32 m Spannweite. Der
Baukasten aus den 70er Jahren
lag schon lange bei ihm und war
ursprünglich für einen Antrieb mit
Impeller vorgesehen. Der
Bericht
Bau wurde bis
Harald Schüßler
jetzt nie in Anmore than scale composite
griff genommen. Mit dem
Erwerb einer
2,5kg Kolibri
Turbine bekam das Projekt neuen
Wind. Damit ergab sich aber auch
folgende Frage: Ist die vorgesehene Rippenfläche fest genug für
einen Turbinenantrieb? Mit dem
Baukasten unter dem Arm besuchte mich Herr Perl in meiner Werkstatt, um diesen zu sondieren und
eine mögliche Alternative für die
Tragfläche zu besprechen. Nach
dem Entfalten des Planes war sehr
schnell klar, dass man die schöne
(und auch kostenintensive) Turbine nicht der originalen Tragfläche
zumuten sollte. Da der Rumpf und
64 prop 2/2013
die Leitwerke nach Plan in Eigenregie entstehen werden, bekam ich
den Auftrag für eine Tragfläche in
Styro-Balsa Bauweise mit entsprechendem Holm, die ich für 250
km/h bei vollem ca, sprich „voll ziehen“, auslegen sollte.
Die Berechnung
Da der Rumpf aus GFK ist und
somit eine vorgegebene Flächenanformung besitzt, sollte an der
Wurzelrippe nichts geändert werden. Der Plan gab ein Naca 2412
vor. Ein Profil mit deutlich besseren
Auftriebswerten als die von Motorflugzeugen, wie z.B. dem Naca
0012, das für den Randbogen laut
Plan vorgesehen war. Ich „klopfte“ beide Profile in mein Berechnungsprogramm, und verglich die
Polaren. Nach dem ersten Ergebnis, das ich für die Landegeschwindigkeit auswarf, fragte ich mich
sofort nach der „Fliegbarkeit“ der
He162. Da die Wurzel gegenüber
dem Randbogen mehr als doppelt
so viel Profiltiefe besitzt, hat das
Randbogenprofil noch mehr Rückstand gegenüber dem 2412, was
zumindest bei der Landung mehr
als kritisch sein dürfte. Noch dazu
kommt der große Unterschied des
Nullauftriebes der beiden Profile.
(-2,1 Grad beim Naca2412, 0° beim
Naca0012). Würde man den Randbogen negativ schränken, würden
sich die Profile im unteren Bereich
zwar decken, aber bei höheren Anstellwinkeln trägt der Randbogen
einfach nicht mehr. Beim Speedflug würde die negative Anstellung
ein Moment verursachen, das, je
nach Fluggeschwindigkeit, dauerndes Trimmen erfordern würde.
Aus dem Grund wurde vermutlich
„laut Plan“ nicht geschränkt, was
aber dann, wie die Polare zeigt,
schwer fliegbar erscheint. Somit
wären die Landungen immer mit
einer hohen Geschwindigkeit und
Bauchweh verbunden, wie man es
von manchen Modell-Jets ohnehin
kennt. Auch bei schneller Gangart, wofür die He eigentlich vorgesehen ist, brachten die Polaren
nicht viel bessere Ergebnisse zum
Vorschein. Man müsste mit dem
Höhenruder immer sehr bedacht
zu Werke gehen, was bei einem Jet
wenig Spielraum lässt, besonders
bei den ersten Flügen, wo man
sowieso alle Hände voll zu tun hat
mit dem Betrieb der Turbine und
dem noch unbekannten Modell.
Die Alternative: Da die He162 laut
Herrn Perl nur mit einem Startwagen ausgerüstet, und somit als
motorisierter Segler abheben wird,
ersetzte ich das Randbogenprofil
durch ein paar gängige Seglerprofile. Bei der richtigen Wahl besitzen
sie weniger Widerstand, was ja für
einen Jet nicht schlecht ist, und
verfügen darüber hinaus auch über
Weitere Infos und Fotos zum Projekt in Kürze auf www.mts-c.at
mehr Auftrieb. Nach einigen Versuchen bin ich bei einem mir gut
bekannten Profil gelandet, das ich
bei fast jeder Landung mit meinem
Pinocchio genieße. Es lässt absolut
keinen „Abkipper“ zu, und passt
zum Glück auch sehr gut zum hier
verwendeten Profil an der Wurzel.
Nach einem kurzen Telefonat hatte
ich das OK für die Abweichung, und
der Bau konnte beginnen.
Flächengeometrie,
wwKerne und Pressschalen
Die Herstellung der Styroporkerne und -schalen ist immer mit ein
paar Fragenzeichen verbunden,
weil sich bei fast jeder Flächengeometrie von Jets Probleme ergeben.
Aufgrund der großen Unterschiede
der Profiltiefen und der damit vorhandenen Pfeilung passen diese
Geometrien schwer in gängige Fertigungsmaschinen, bzw. sind die
Verfahrwege einfach begrenzt. Zusätzlich begrenzt der Raum außerhalb der Styroschneide meist die
Ausladung des Drahtbogens. Auch
hier war ich wieder einmal fast an
der Grenze meiner Maschine, und
die Endpunkte waren nur um wenige Millimeter vom Schneideportal
entfernt. Das steigert immer den
Puls (die einen schauen im Fernsehen einen Krimi, die anderen stellen sich halt an die Styroschneide
?). Das Flächentrapez geht bei der
He162 von einer Wurzel mit 398
mm Tiefe über 550mm Halbspannweite zum Randbogen mit 173mm.
Ein ordentlicher Versatz, der auch
dem Styropor nicht so gut gefällt,
weil der Abbrand am Randbogen
erheblich ist. Man muss immer
mit den Geschwindigkeiten jonglieren, bis man ein gutes Ergebnis
erhält. Bei solchen Verfahrwegen
gibt auch der Draht immer deutliche Spannungsgeräusche von sich,
was in manchen Fällen sogar einen
Drahtriss bedeutet. Dagegen ist
der Schnitt der Flächenmitte, die
Flächenauflage ist rechteckig mit
120mm Breite ohne V-Form ausgeführt, wie der Gang ins nächste
Kaffeehaus. A propos V-Form: pro
Seite sind es 55mm Überhöhung
des Randbogens, was vielleicht
die nach unten geneigten Flächenstummeln am Randbogen erklärt.
Sie haben offensichtlich eine ähnliche Aufgabe wie ein Grenzschichtzaun, der das Abfließen der Strömung zum Randbogen verhindert.
Die Styroschneide in Aktion
Die Materialzusammenstellung. Gut zu sehen die zwei Verstärkungsrippen im Wurzelbereich
Im Vakuumsack
2/2013 prop
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