Neue Debatte - Beiheft #006 - 04/2017 Über die Korruption in Frankreich | Page 6
te von politischer Einflussnahme und von
Interessen der Hochfinanz. Dass dies heu-
te nicht mehr der Fall ist, konnte hinrei-
chend nachgewiesen werden durch die
diesbezüglichen Karten von Le Monde dip-
lomatique und von Acrimed, auf denen die
Konzentration der Presse in den Händen
von Großeigentümern gezeigt wird, von
denen viele
Multimilliardäre sind.
Logo von Le Canard enchaîné
Wer steht an der Spitze der Enthüllungen
um François Fillon? Mediapart und Le
Canard enchaîné: zwei Organe der freien
Presse. Nur eine Presse, die frei ist von der
Kontrolle durch die Chefs der börsenno-
tierten Großunternehmen (CAC 40 ist der
Aktienindex der 40 führenden französi-
schen Großunternehmen) kann heute je-
manden wie François Fillon vorführen; der
Rest der Presse ist mehr oder weniger zö-
gerlich gefolgt und hat manchmal seine
Verteidigung ergriffen.
Ein Schweigen wäre zu verdächtig gewe-
sen, aber dennoch haben die Blätter der
Oligarchie die Arbeit den beiden, Medi-
apart und dem Canard überlassen. Sie wa-
ren in der Rolle der mehr oder weniger
geneigten Beobachter ohne Position zu
beziehen. Daraufhin hat François Fillon
zurückgeschlagen. Er greift die Presse an:
Er beklagt eine Kampagne, die einem
Staatsstreich gleichkäme. Ja so was!
Er ist ja noch gar nicht Präsident; er maßt
sich eine Rolle an, die nicht seine ist. Ins-
besondere durch sein Beharren auf seiner
Kandidatur schädigt er die traditionelle
Rechte und droht seine Wähler in Rich-
tung von Macron oder von Front National
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zu drängen. Er greift das oberste Finanzge-
richt, also den Justizapparat an, und be-
klagt, dass die Gewaltenteilung nicht res-
pektiert würde. Wo doch die Gewaltentei-
lung genau darin besteht, dass die Abge-
ordneten nicht über den Gesetzen stehen
und die Justiz nicht im Dienste der Exeku-
tive, etc.
Es heißt, dass man den Wald vor lauter
Bäumen nicht sieht. Man möchte sagen,
dass François Fillon und Marine Le Pen nur
der sichtbare Teil des Eisbergs sind, sagen
wir ungefähr 10% der Realität. Der Eisberg
selbst bleibt größtenteils unsichtbar. Diese
Fälle sind nur wie ein Schneeball an der
Spitze des Eisbergs, wie der Stern am
Weihnachtsbaum, wie die Rosinen im
Pudding.
Wofür steht die Korruption?
Das Wort Korruption bezeichnete im 18.
Jahrhundert das Verfaulte, die Substanz-
veränderung durch Verrottung. In diesem
Sinne würde das Wort heute zu den Na-
turwissenschaften, genauer zur Biologie,
gehören. Darin würde man also die Meta-
pher des politischen Körpers wiederfinden;
aber die Korruption meint auch die Verän-
derung des Urteils, des Geschmacks, der
Sprache: wenn man zum Beispiel von „un-
sanfter Befragung“ spricht, um von einer
gemeinschaftlich durch Amtspersonen zu
sprechen.
Die Unterschlagung von Geldern ist so
auch eine Unterschlagung der Form und
der Sinne. Erst in seiner dritten Bedeutung
findet man im Wörterbuch (Le Robert des
noms communs) die Definition der morali-
schen Korruption: Erniedrigung, Verderbt-
heit, Geschwür, Perversion, Befleckung,
Laster. Und schließlich die vierte Bedeu-
tung: „unter Verwendung von verwerfli-