Neue Debatte - Beiheft #005 - 04/2017 Christliches Abendland - Nicht verteidigungswert! | Page 6

unten“ (der Historiker Franz Flaskamp). Zuerst taufte man immer die heidnischen Stammesfürsten. Die lateinisch-römische Religion war zunächst die Ideologie der Fürsten, der Adligen. Sie wurde als Staats- kirche die kulturelle Basis der entstehen- den Feudalstaaten. Das „Christliche Abendland“: Feudale Ständestaaten Das sogenannte christliche Abendland entstand aus dieser historischen Allianz zwischen dem fränkischen feudalen Groß- staat und der römischen Kirche. Dieses Erfolgsmodell wuchs unaufhaltsam in den Jahrhunderten des Früh- und Hochmittel- alters. Christliche Religion war der gesell- schaftliche Spaltpilz, der die wachsende standesmäßige Klassenteilung der Gesell- schaften ausnutzte und vertiefte. Zugleich war sie bestens geeignet, den zunehmend in Abhängigkeit und Rechtlosigkeit hinein- geratenden unteren Volksschichten den Widerstandsgeist auszutreiben. Beginnend mit dem frühen Staat der Franken waren alle weiteren mittelalter- lichen Staaten durch folgende Charakte- ristika gekennzeichnet:     die Herausbildung einer zentralen kö- niglich-staatlichen Verwaltung; die feudale Grundherrschaft auf der Ba- sis von Belehnung; die Entwaffnung des freien Bauernkrie- gers zugunsten eines ritterlichen Ge- folgschaftswesens; die absolute kriegerische Dominanz des bewaffneten, adeligen, berittenen Kämpfers. Die Gesellschaft teilte sich nach Besitz und Verfügungsgewalt über alle Ressourcen in Klassen in der Form mittelalterlicher Stän- 6 de auf: einerseits die Besitzenden und herrschenden Stände der bellatores (Krie- ger, Ritter) und die oratores (Betende, Kle- riker); andererseits die laboratores (Arbei- tende, vor allem die Masse der leibeige- nen Bauern). Das Kerngebiet des „Christlichen Abendlandes“: aggressiv, expan- siv Zusammenfassend ist festzuhalten: Nach- dem der erste Karolinger und der römi- sche Papst Mitte des 8. Jahrhunderts eine feste Bindung eingegangen waren und nachdem Karl der Große mit der Unter- werfung der Langobarden in Italien und der Sachsen im Norden ein zentral es, christlich-fränkisches Großreich im Wes- ten des Kontinents mit teilweise unge- bremster Brutalität konsolidiert hatte, wurde dieses Staatsgebilde und seine Nachfolgestaaten für die folgenden vier Jahrhunderte zu einer ständigen Gefahr für die angrenzenden, europäischen und erreichbaren außereuropäischen Gebiete. Das europäische Kerngebiet – eben das berüchtigte „Abendland“ – lag in einer Zo- ne, die sich von Südostengland über Frankreich und Deutschland nach Zentrali- talien hinzog, wobei insbesondere Nord- frankreich und Norditalien den Ton anga- ben. Eroberungsaktivitäten in die meist heidni- schen Randbereiche hinein gingen vorran- gig von dem Kriegeradel der jeweiligen Grenzregionen dieses Kernbereiches aus. Schottland, Wales und Irland wurden das Ziel englisch-normannischer Ritter. Auf der Iberischen Halbinsel wurden im Zuge der Reconquista 10 in immer neuen Schüben nach Süden die muslimischen Gebiete erobert. Höhepunkte aggressiver