Neue Debatte - Beiheft #005 - 04/2017 Christliches Abendland - Nicht verteidigungswert! | Page 4
das Spiegelbild und Nachhall eines kultu-
rellen Zusammenlebens, indem alle ohne
Ausnahme zum materiellen Leben und
Überleben der Gemeinschaft beizutragen
hatten.
Eine Stammesaristokratie, die sich zuse-
hends ohne Eigenarbeit von den Ernte-
und Arbeitserträgen „ihrer“ Bauern auf
ihrem Landbesitz aushalten ließ, setzte
sich von den gemeinen Bauernkriegern ab
und entwickelte eigene, herrschaftliche
Standesinteressen.
Die Entwicklung von Staaten bildenden
Klassengesellschaften ist zugleich der Ent-
stehungsprozess des sogenannten Abend-
landes. Der hier historisch neue Klassen-
staat konnte nicht mit den alten Stam-
meskulturen und -religionen funktionieren.
Man brauchte einen neuen ideologischen
Überbau, der die neu entstandenen Herr-
schaftsverhältnisse legitimierte, der den
Widerstand alten egalitären Denkens
brach und für eine neue, abgehobene, eli-
täre Kultur sorgte.
Rolle und Aufgabe der Latei-
nisch-Römischen Papstkirche
Es gab bereits eine kulturelle, weltan-
schauliche Kraft, die eine lange Erfahrung
mit Klassenstaaten und Herrschaftseliten
hatte und vor Ort war: Die lateinisch-
römische Kirche. Als Staatskirche hatte sie
länderübergreifende Strukturen und Zu-
sammenhalt bis in die fernen römischen
Westprovinzen hinein herausgebildet.
Sie ging nicht mit den Römern unter, son-
dern wurde Bestandteil von Mischkulturen
vor Ort und ein entscheidender Faktor sich
abzeichnender Staatenbildungen. Sie war
die entscheidende Brücke in dieser Zei-
tenwende zwischen antiker Klassengesell-
4
schaft und sich transformierenden, nord-
westeuropäischen Stammesgesellschaften.
Diese römisch-katholische Papstkirche
inszenierte einen groß angelegten, aggres-
siven Kulturkampf gegen die, ihre Religion
und damit ihre Identit ät verteidigenden
indigenen Völker. Die Strategie war, die
aristokratischen Eliten der germanischen
Völkerschaften zum Verrat an ihrer tradi-
tionellen Kultur zu verführten und sie
durch die Taufe in ihr Lager zu ziehen.
Das wurde die große Zeit der Christianisie-
rung und kirchlichen Mission. Dieser uns
seit mehr als tausend Jahren parteiisch
und einäugig auf das Edelste beschriebene
Vorgang war in Wahrheit ein mörderischer
und aggressiver Kulturkampf gegen freie
und nach innen noch selbstbewusste, nai-
ve und herrschaftsarme Stammesvölker-
schaften.
Was passierte im Zuge der Christianisie-
rung? Was hatte es mit den Missionaren,
den „Märtyrern“, den edlen Rittern à la
Arthur 8 , seiner glorreichen Tafelrunde, der
Gralssuche oder Bonifatius 9 , dem „Apostel
der Deutschen“, in Wahrheit auf sich?
Missionarischer Kulturkampf:
Die Christianisierung von oben
nach unten
Die ersten Missionare waren irische Wan-
dermönche, die aus eigenem Missionseifer,
noch nicht im Auftrag der Papstkirche, auf
dem Kontinent unterwegs waren. Die Rie-
ge der politischen und strategisch han-
delnden Missionare bestand aus für die
damalige Zeit hochgebildeten, eloquenten
Klerikern aus berühmten Domschulen o-
der aus den speziell an den Grenzen ein-
gerichteten Missionsbistümern (Hamburg,
Bremen, Utrecht, etc.). Oft zogen die Bi-
schöfe selber los.