HARVARD BUSINESS MANAGER MAGAZINE Harvard_Business_Manager__Juli_2017 | Page 8

TRENDS Personaler sind auf der Suche nach einer neuen Positionierung im Unter nehmen. Eine Studie gibt erste Antworten, wohin die Reise gehen kann – und liefert ein erschreckendes Bild des Status quo im deutschen Personalmanagement. VON HELENE ENDRES UND CHRISTINA KESTEL M 8 anchmal gewinnt die Dynamik einer Verände- rung derart an Fahrt, dass sich Menschen ver- wundert die Augen reiben. Ein Beispiel ist der Technologiekonzern Heraeus: Dessen Personal- abteilung bekommt von CEO Jan Rinnert die Aufgabe, alles – also alle Funktionen, Rollen, Tools – nach dem Kunden auszurichten. Plötzlich müssen die Personaler die Perspektive des Mitarbeiters einnehmen: Wie erlebt der Kunde den Kontakt mit uns? Dies ist eine der Maßnahmen, mit denen Rinnert die Abteilung Human Resources (HR) zum Motor der Trans - formation im Unternehmen umbauen will (siehe Interview rechts). Das Vorgehen von Heraeus ist längst nicht Standard im Personalwesen deutscher Unter - nehmen. Aus den Vorstandsetagen kommen noch einige beharrliche Stimmen, wie eine neue Studie des Bundesverbands der Personal manager (BPM), der Beratungen Egon Zehnder und Boston Consulting Group (BCG) sowie der Quadriga Hochschule Berlin zeigt. Einige der befragten Führungskräfte HARVARD BUSINESS MANAGER JULI 2017 ORGANISATION Geht es nach den befragten Topmanagern, sollte HR auch in Sachen Strategie, Unternehmens - leitbild und Transformation aktiv mitarbeiten. HR sorgt für eine enge Verzahnung der Unter- HR NEU DENKEN bezeichnen HR nur als „Dienstleistung im Konzern“, messen ihr „keine strategische Wich- tigkeit“ bei und betrachten sie als eine Abtei- lung, in der „alle noch zu sehr in Strukturen ge- fangen“ sind. Die Studie mit dem Titel „Rethinking HR“ zeigt außerdem, dass nicht nur andere Unter- nehmensbereiche die Personalabteilung für un- fähig und wenig wichtig halten: Auch die rund 1360 befragten Personaler räumten ein, nicht die nötigen Kompetenzen für die Herausforderun- gen der Zukunft zu besitzen. In weniger als einem Zehntel der Unternehmen attestiert sich HR selbst eine hohe bis sehr hohe Kompetenz in den relevanten Bereichen. „Es befinden sich schon einige Unternehmen in größerer HR-Transformation“, sagt Rainer Strack, Senior Partner und Managing Director bei BCG, „aber es gibt hier eben auch noch viele deutsche Eichen, die eher HR aus dem 20. Jahrhundert betreiben.“ Erst langsam beginnt eine Selbstreflexion und Neudefinition der Rolle der Personaler und ihrer Aufgaben. „Viele HRler haben Angst vor dem, was auf sie zukommt, aber sie sind willens, sich den neuen Anforderungen zu stellen“, sagt Jörg Ritter, Partner bei Egon Zehnder und Initiator der Studie. HR hat die Chance, sich neu zu posi- tionieren, doch die große Frage, die alle bewegt, lautet: Wie kann das geschehen? Die Studie versucht, Antworten zu finden. Dafür wurden in einer ersten quantitativen Studienphase ab August 2016 branchenübergreifend rund 40 Interviews mit CEOs und Vorständen geführt, mit dabei Vorstände von Siemens, Zalando, Allianz, Google, Telekom und Gewerkschaften. Sie wurden gefragt, welche Strukturen, Rollen und Kompetenzen HR haben muss; wie sich die Funktion entwickelt; wie sich die Akzeptanz in Vorstand und Aufsichtsrat vergrößern lässt; wie sie strategisch besser aufgestellt werden kann. Die Antworten betreffen vier Themen (Organisation, Arbeit, Mitarbeiter, HR-Platt- form). Als Modell betrachtet, skizzieren sie eine neue Personalarbeit („Transforming Organiza- tion & People Model“). In einer zweiten quantita- tiven Studienphase wurden diese neuen Aspekte der Personalarbeit von den Mitgliedern des BPM bewertet.