VERBRAUCHER BESSER INFORMIEREN
Die Debatten um irreführende Geschäftspraktiken und Verbraucherschutz konzentrieren sich in der Regel auf besonders schutzbedürftige Gruppen wie Kinder und alte Menschen. Aber linearen Fehlschlüssen fallen wir alle zum Opfer. Richard Thaler und Cass Sunstein behaupten in ihrem 2008 erschienenen Buch „ Nudge. Wie man kluge Entscheidungen anstößt“, dass Manager und Politiker für die Rahmenbedingungen verantwortlich sind, unter denen Verbraucher Entscheidungen treffen. Wenn diese Bedin- gungen gut konzipiert sind, können die Verbraucher bessere Entscheidungen für sich und die Gesellschaft fällen.
Regierungen und Verbraucherschutzorganisationen fordern inzwischen standardisierte Leistungskennzahlen, um mit ihrer Hilfe unterschiedliche Angebote vergleichbar zu machen. Bedauerlicherweise übernehmen die Ver- antwortlichen solche Kennzahlen oft direkt von der Industrie – ohne zu erklären, wie sie mit dem Produktnutzen zusammen hängen. Führende Druckerhersteller geben zum Beispiel die Seiten pro Minute an, eine ISO-Norm für die Geschwindigkeit von Druckern. Aber die Zeitersparnis wächst mit einer Steigerung der Seiten pro Minute nicht linear; sie wird am oberen Ende des Seiten-pro-Minute- Spektrums immer geringer.
Standardkennzahlen sind nützlich: Sie erleichtern Produktvergleiche, und das kommt den Verbrauchern zu- gute. Aber wenn die Verbraucher lineare Annahmen zu solchen Kennzahlen anstellen, treffen sie womöglich nicht die klügsten Ausgabenentscheidungen.
Kunden machen sich letztlich nichts aus Kennzahlen, für sie zählen konkrete Ergebnisse, zum Beispiel, wie viel Zeit oder Geld sie sparen. Wir können ihnen die nötigen Daten bereitstellen und ihnen helfen, fundierte Entschei dungen zu treffen.
Manager konzentrieren sich sehr auf die Vorteile von Größeneffekten und Wachstum. Ihr lineares Denken verleitet sie aber unter Umständen dazu, den Absatz als Gewinntreiber zu überschätzen und andere wirksame Einfluss- faktoren, wie den Preis, zu unterschätzen.
Zuerst steil und dann flach abfallend
Unternehmen orientieren sich bei der Bewertung von Investitionen oft an der Amortisationsdauer, also an der Zeit, die es dauert, die Kosten wieder hereinzuholen. Dabei ist eine kürzere Amortisationsdauer natürlich günstiger. Stellen Sie sich vor, Sie entscheiden über die Finanzierung zweier Projekte, Projekt A amortisiert sich nach zwei Jahren, B nach vier. Beide Teams glauben, dass sie die Amortisationsdauer halbieren können. In diesem Fall halten viele Manager Projekt B für attraktiver, weil sie zwei Jahre einsparen – doppelt so viel wie bei Projekt A.
Für die Unternehmensleitung zählt aber letztlich die Investitionsrendite, nicht die Amortisationsdauer. Ein Projekt, das sich in einem Jahr amortisiert, hat eine jährliche Rendite von 100 Prozent. Bei zwei Jahren Amortisationsdauer liegt die Jahresrendite bei 50 Prozent – der Unterschied sind 50 Prozentpunkte. Bei vier Jahren Amortisationsdauer liegt die jährliche Rendite bei 25 Prozent – hier ergibt sich also eine Verbesserung um nur 25 Prozentpunkte. Mit anderen Worten: Bei einem Anstieg der Amortisationsdauer fällt die jährliche Rendite zunächst drastisch und dann immer weniger stark. Wenn Ihr Fokus auf einer höheren Jahresrendite liegt, ist eine Halbierung der Amortisationsdauer bei Projekt A die bessere Wahl.
Manager, die Portfolios mit ähnlich großen Projekten vergleichen, sind manchmal überrascht, dass die Investitionsrendite bei einem Portfolio, das ein Projekt mit einem Jahr Amortisationsdauer und eines mit vier Jahren enthält, größer ist als bei einem Portfolio mit zwei Projekten mit jeweils zwei Jahren Amortisationsdauer. Sie sollten nicht unterschätzen, welche Auswirkungen Rückgänge von relativ kurzen Amortisationsdauern auf die jährliche Rendite haben.
JULI 2017 HARVARD BUSINESS MANAGER 75