HARVARD BUSINESS MANAGER MAGAZINE Harvard_Business_Manager__Juli_2017 | Page 74
STRATEGIEN ENTSCHEIDEN
Zuerst flach, dann steil abfallend
Ein klassisches Beispiel für diese Variante sind Hypothe-
ken. Immobilieneigentümer sind oft überrascht, wie lang-
sam sie in den ersten Jahren der Darlehenslaufzeit ihre
Schulden abtragen. Tatsächlich ist bei einer Hypothek mit
festem Zinssatz und fester Laufzeit der Tilgungsanteil zu
Beginn gering. Der Nennbetrag nimmt nicht linear ab. Bei
einem Darlehen über 165 000 Dollar mit einer Laufzeit von
30 Jahren zu 4,5 Prozent Zinsen werden in den ersten fünf
Jahren nur rund 15 000 Dollar getilgt. Nach 25 Jahren ist der
verbleibende Betrag unter 45 000 Dollar gefallen. Das heißt,
der Eigentümer zahlt in den ersten 16 Prozent der Laufzeit
weniger als 10 Prozent des Nennbetrags zurück, in den letz-
ten 16 Prozent dafür mehr als ein Viertel:
Darlehensnehmer lassen sich oft von linearem Denken
täuschen und wundern sich, wenn sie eine Immobilie nach
wenigen Jahren verkaufen, dass (nach Maklerkosten) kaum
ein Nettogewinn übrig bleibt.
Zuerst steil, dann flach ansteigend
Wenn ein Unternehmen von einem Produkt mehr verkauft,
profitiert es von Größeneffekten und kann den Stück -
gewinn in die Höhe treiben, eine Kennzahl, mit der oft
die Effizienz eines Unternehmens gemessen wird. In der
Regel wird der Stückgewinn mithilfe folgender Formel
berechnet:
Angenommen, ein Unternehmen verkauft 100 000 Pro-
dukte pro Jahr für 2 Dollar pro Produkt, und die Herstellung
dieser Produkte kostet 100 000 Dollar – 50 000 Dollar Fix-
kosten und 50 Cent variable Stückkosten. Der Stückgewinn
liegt bei 1 Dollar. Das Unternehmen kann den Stückgewinn
steigern, indem es mehr Produkte herstellt und verkauft,
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denn dann verteilen sich die Fixkosten auf eine höhere
Stückzahl. Wird die Produktionsmenge auf 200 000 ver-
doppelt, steigt der Stückgewinn auf 1,25 Dollar (bei gleich-
bleibenden variablen Stückkosten). Klingt sehr gut. Dann
müsste der Stückgewinn doch eigentlich durch die Decke
gehen, wenn das Unternehmen die Produktion auf 800 000
Einheiten ausweitet. Dem ist nicht so.
Wenn das Unternehmen den Absatz von 400 000 auf
800 000 verdoppelt (was erheblich schwieriger ist als die
Verdoppelung von 100 000 auf 200 000), steigt der Gewinn
pro Stück nur um rund 6 Cent (siehe Grafik nächste Seite
oben).