HARVARD BUSINESS MANAGER MAGAZINE Harvard_Business_Manager__Juli_2017 | Page 73
Leistungskennzahlen sind ein weiteres Feld, in dem
nicht lineare Zusammenhänge von Bedeutung sind. Um
die Effektivität ihres Bestandsmanagements zu bewerten,
messen manche Unternehmen die Lagerreichweite in
Tagen beziehungsweise die Zahl der Tage, die Produkte auf
Lager sind; andere Unternehmen messen den jährlichen
Lagerumschlag. Die meisten Manager wissen nicht, warum
ihr Unternehmen diese oder jene Kennzahl verwendet.
Dabei kann die Wahl der Kennzahl unbeabsichtigte Folgen
haben, zum Beispiel für die Motivation der Mitarbeiter. An-
genommen, ein Unternehmen konnte die Lagerreichweite
in Tagen von zwölf auf sechs senken, und mit zusätzlichen
Untersuchungen wäre eine weitere Reduzierung auf vier
Tage möglich. Das ist letztlich dasselbe wie eine Steigerung
des jährlichen Lagerumschlags von 30 auf 60 beziehungs-
weise künftig auf 90. Doch die Mitarbeiter gehen viel moti-
vierter zu Werke, wenn das Unternehmen den Lagerum-
schlag und nicht die Lagerreichweite erfasst, wie Tobias
Stangl und Ulrich Thonemann von der Universität Köln in
Untersuchungen zeigen konnten. Das liegt daran, dass es
den Mitarbeitern so vorkommt, als würden ihre Anstren-
gungen bei einer Verbesserung der Lagerreichweite mit
immer geringeren Fortschritten belohnt. Wird dagegen der
Lagerumschlag als Kennzahl verwendet, wird der Fort-
schritt mit konstant bleibenden Werten ausgedrückt.
Bereiche, in denen ähnliche Wahlmöglichkeiten be -
stehen, sind zum Beispiel die Lagerhaltung (Greifzeit und
Pickleistung), die Fertigung (Fertigungszeit und Ferti-
gungsquote) und die Qualitätskontrolle (Zeit zwischen
Fehlern und Fehlerquote).
Nicht lineare Beziehungen sind allgegenwärtig. Und sie
lassen sich in unterschiedliche Formen einteilen.
DIE VIER ARTEN NICHT LINEARER BEZIEHUNGEN
Am besten lassen sich nicht lineare Zusammenhänge ver-
stehen, wenn man sie sieht. Dabei gibt es vier Grundtypen.
zent steigt, erhöht sich der CLV um rund 147 Dollar. Mit
einer steigenden Kundenbindung wächst der Customer
Lifetime Value zunächst allmählich und schießt dann regel-
recht in die Höhe:
Die meisten Unternehmen konzentrieren sich darauf,
diejenigen Kunden zu ermitteln, die am ehesten ab -
wandern, und versuchen dann mit gezielten Marketing -
programmen, diese umzustimmen. Dabei ist es in der Regel
profitabler, sich auf diejenigen Kunden zu konzentrieren,
bei denen die Wahrscheinlichkeit, dass sie bleiben, höher
ist. Lineares Denken führt dazu, dass Manager die Vorteile
von kleinen Verbesserungen bereits hoher Kundenbin-
dungsraten unterschätzen.
Zuerst flach, dann steil ansteigend
Angenommen, ein Unternehmen bedient zwei Kundenseg-
mente, die beide einen jährlichen Deckungsbeitrag von
100 Dollar erwirtschaften. In Segment A liegt die Kunden-
bindung bei 20 Prozent, in Segment B bei 60 Prozent. Die
meisten Manager glauben, für den Gewinn spiele es kaum
eine Rolle, in welchem Segment sie die Kundenbindung
verbessern. Wenn überhaupt, halten es die meisten für
sinnvoller, die geringere Kundenbindung zu verdoppeln,
als die höhere zum Beispiel um ein Drittel zu verbessern.
Doch der Wert von Kunden über die gesamte Kundenbe-
ziehung hinweg, der Customer Lifetime Value (CLV), ist eine
nicht lineare Funktion der Kundenbindung; das zeigt sich,
wenn Sie die Berechnungsformel für den CLV anwenden:
Steigt die Kundenbindung von 20 auf 40 Prozent, steigt
der CLV um rund 35 Dollar (bei einem Diskontsatz von
10 Prozent für die Abzinsung künftiger Gewinne auf ihren
aktuellen Wert). Aber wenn die Bindung von 60 auf 80 Pro-
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