HARVARD BUSINESS MANAGER MAGAZINE Harvard_Business_Manager__Juli_2017 | Seite 62
STRATEGIEN GESCHÄFTSMODELLE
BITTE ZU TISCH
Tolaram, Hersteller von
Fertignudeln der Marke
Indomie, ist heute tief im
gesellschaftlichen Leben
Nigerias verwurzelt. Von
oben im Uhrzeigersinn:
eine von Indomie geför -
derte Schulmensa; ein
Laden, der die Nudeln an
Endabnehmer und Stra -
ßenhändler verkauft; ein
Indomie-Fanklub; Deepak
Singhal, Chef von Dufil
Prima Foods (mit Anzug
und Krawatte), mit den
Preisträgern der Nigerian
Independence Day
Awards, die von Indomie
gesponsert werden.
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zern ab 1995 die Nudelproduktion nach Nigeria.
Damit dies gelang, musste Tolaram dort auch im
Bereich der Infrastruktur tätig werden und er-
weiterte das Geschäft um eine eigene Strom- und
Wasserversorgung. „Ich betreibe ein Nahrungs-
mittelunternehmen, aber ich weiß mehr über die
Stromerzeugung als über Nahrungsmittel“, sagt
Singhal. Tolaram ist zudem im Bildungswesen ak-
tiv und holt die besten Absolventen der nigeriani-
schen Schulen ins Unternehmen, wo sie weitere
Kompetenzen erwerben können, beispielsweise in
Elektronik, Maschinenbau oder Finanzen. Wäh-
rend viele Multis Expatriates in Schwellenmärkte
entsenden, sucht sich Tolaram seine Manager für
Afrika in Afrika.
Doch das sind noch längst nicht alle Inves -
titionen. Um seine Produkte in den Markt zu brin-
gen, musste der Konzern sowohl vor- als auch
nach gelagert integrieren. Wie so viele (angehen -
de) Schwellenländer hat Nigeria keinen echten,
lebensfähigen Supermarktsektor, und auf dem
Weg vom Hersteller zum Verbraucher konnte viel
verloren gehen. Tolarams Manager beschlossen
deshalb, in den Aufbau einer Supermarktliefer-
kette zu investieren. Das begann bei unterneh-
menseigenen Lastwagen und setzte sich über Ver-
teilerzentren bis hin zur Schau fenstergestaltung
HARVARD BUSINESS MANAGER JULI 2017
fort. Wann immer sie einen Schwund an Produk-
ten feststellten, holten sie sich höhere Integrität
ins Unternehmen – und zwar indem sie nachgela-
gert integrierten. Anstatt mit externen Partnern
und Prozessen zu arbeiten, übernahmen sie die
betreffenden Schwachstellen kurzerhand selbst.
Sie versuchten also nicht, das Unternehmen zu
mehr Ehrlichkeit zu erziehen, indem sie mehr Po-
lizeikräfte in Anspruch nahmen, denn diese sind
oft leicht zu bestechen.
Bei seinen Investitionen in den Ausbau der
Lieferkette ließ sich Tolaram von der Frage leiten:
„Wozu das Ganze – wenn unser Produkt zwar
günstig, aber nicht erhältlich ist?“ Bei den vorge-
lagerten Prozessen musste das Unternehmen fast
alles selbst stemmen, da die Zulieferer entweder
die Qualitäts- und Kostenstandards nicht erfüllen
konnten oder sich nicht an vertragliche Zusagen
hielten. Deshalb kontrolliert Tolaram mittlerweile
92 Prozent aller Vorprodukte für Indomie-Nudeln
und betreibt 13 Produktionsstandorte in Nigeria,
von denen viele ebenjene Vorprodukte herstellen.
Dass Tolaram dieser marktbildenden Strategie
treu geblieben ist, hat sich ausgezahlt. Heute ver-
kauft der Konzern jedes Jahr 4,5 Milliarden Nudel-
päckchen in Nigeria. Er besitzt und betreibt mehr
als 1000 Fahrzeuge für die Logistik, beschäftigt