Die Anbieter müssen verstehen, wo der Kunde ein maßgeschneidertes Angebot zu schätzen weiß. Dazu ist eine enge, direkte Zusammenarbeit mit dem Kunden notwendig( zum Beispiel mithilfe von „ Co-Innovation“ oder Key Account Management). All dies löst auch hohe kundenspezifische Investitionen aus. Damit steigt auch die Abhängigkeit zwischen Anbieter und Kunden.
Bei Fundes waren plötzlich nicht mehr die Klein- und Kleinstunternehmer in Süd- und Mit- telamerika die Kunden, sondern multinationale Konzerne. Großkunden wie Nestlé interessierten sich dabei primär für eine maßgeschneiderte Funktionssicherung ihrer globalen Wertschöpfungskette. Zusätzlich stieg jedoch auch das Interesse an einer individuellen Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in das Kerngeschäft. Denn es setzte sich die Auffassung durch, dass ein Unternehmen, um wettbewerbsfähig zu sein, eine angemessene Leistung nicht nur gegenüber den Eigentümern zu erbringen hat, sondern auch gegenüber Umwelt und Öffentlichkeit. Für die Fundes-Mitarbeiter war die größte Herausforderung, die neuen Kundenbedürfnisse zu verstehen, zu bearbeiten und angemessen zu bedienen. Auch wenn sie sich schon im früheren Geschäftsmodell viele Fähigkeiten in Sachen Umwelt- und Öffentlichkeits- anforderungen angeeignet hatten, hatte dies nie einen kommerziellen Charakter. Die gravierende Umstellung sorgte für eine fundamentalen Kulturwandel: Von den ursprünglich 200 Mitarbeitern verließen in dieser Zeit 150 das Unternehmen, 60 neue kamen hinzu.
Backend: Spezifische Kundenanforderungen flexibel bearbeiten und implementieren Häufig werden hier Leistungskomponenten zu Modulen zusammengefasst, um die Anpassungskosten im Griff zu behalten. Um eine kritische Größe zu erreichen, bündelte Fundes Unternehmen mit ähnlichen Geschäftseigenschaften zu Clustern. Die Mitarbeiter versorgten dann nicht mehr einzelne Unternehmen, sondern das ganze Cluster mit den wichtigsten Ressourcen Kapital, Wissen und Märkte. Auch das Verhältnis der Zentrale zu den Landesgesellschaften ändert sich: Auf der Basis von Servicelevel-Vereinbarungen wurde die Zentrale zum Dienstleister der Landesgesellschaften.
Ertragsmechanik: Die variablen, auf das jeweilige Engagement bezogenen Kosten berechnen Statt weitgehend objektive Massenproduktpreise anzusetzen, orientiert sich der Preis nun an der
Bereitschaft des Kunden, für eine maßgeschneiderte Leistung zu bezahlen. Für Fundes war dies ein großer Schritt. Erzielte die Organisation zuvor keinerlei Einkommen mit ihren Leistungen, musste das Management nun Einkommensquellen suchen und die Kosten reduzieren. Schließlich bot Fundes großen Unternehmen eine maßgeschneiderte Supply-Chain-Beratung an, entwickelte also ein Projektgeschäftsmodell. In diesen Projekten gingen die bisher standardisierten Produkte auf: der Einkauf von kleinen und mittleren Unternehmen(„ upstream“), sowie die Organisation von Vertriebsaktivitäten(„ downstream“). Die Fundes-Mitarbeiter mussten lernen, die beim Kunden durch die Beratung erzielte Wertsteigerung in die Preise einzubeziehen. Auf der Kostenseite mussten sie die mit dem Be ratereinsatz verbundenen variablen Personalkosten berücksichtigen. Das Projektgeschäfts modell hat sich bis heute bewährt, und das Unternehmen erfreut sich stetigen Wachstums – immer noch klar im Dienst der ursprünglichen sozialen Mission.
TRANSFORMATIONSPFAD: STANDARDISIERUNG DAS BEISPIEL INFOSYS
Bei der Transformation zu stan- dardisierten Geschäftsmodellen verändert sich ein Unternehmen von einem individuell auf einzelne Kunden ausgerichteten Geschäftsmodell mit einer Vielzahl unterschiedlicher Va- rianten zu einem industrialisierten Geschäfts- modell mit standardisierten Angeboten. Dieser Übergang zur Skalierung wird als „ Produktisierung“ bezeichnet und erfordert organisatorische Fähigkeiten wie Massenfertigung, Mass Custo- mization und auf Volumen ausgerichtete Vertriebsansätze. Die vorher nötigen Fähigkeiten Engineering, hochflexible Fertigungsansätze und Projektmanagement werden nun weniger wichtig.
Eine solche Transformation kann defensiver Natur sein, wenn sich zum Beispiel ein De-facto- Standard am Markt gebildet hat und Preiswettbewerb vorherrscht. Ebenso kann sie eine offensive strategische Option sein, wenn Unternehmen ihr tiefes Kunden- beziehungsweise Projektwissen einsetzen, um ein überragendes Volumenangebot zu entwickeln, das einen Großteil der individuellen Kundenwünsche abdeckt.
Infosys, ein globaler IT-Systemintegrator, konzentrierte sich traditionell auf individuelles Projektgeschäft, was überdurchschnittliche Kompetenzen im Ressourcenmanagement voraussetzt.
JULI 2017 HARVARD BUSINESS MANAGER 53