HARVARD BUSINESS MANAGER MAGAZINE Harvard_Business_Manager__Juli_2017 | Page 27
chender Manager, den wir coachen sollten, wurde
in seinem Unternehmen als Wundertäter wahr -
genommen. In einer Firma, in der die Übererfül-
lung des Plans um 2 Prozent schon ein klarer Sieg
war, hatte er zuletzt eine Umsatzsteigerung um
150 Prozent erzielt. Obwohl er sich in der Ver -
gangenheit den einen oder anderen Fehlgriff er-
laubt hatte, leitete er nun die größte Geschäftsein-
heit des Konzerns, dessen Kronjuwel. Als sich
Simon um den frei gewordenen Sitz des CEOs
bewarb, machten seine jüngsten Leistungen bei
den Directors durchaus Eindruck. Sie konnten je-
doch nicht ganz nachvollziehen, wie er sie erreicht
hatte, und bezweifelten deshalb, dass er sie
wiederholen könne. Das Board entschied sich da-
her für einen „sichereren“ Kandidaten, der dafür
bekannt war, Jahr für Jahr stetig und vorhersagbar
zu liefern.
Aus unseren Daten ist die große Bedeutung der
Zuverlässigkeit deutlich herauszulesen. Beein -
druckende 94 Prozent der von uns ermittelten
überzeugenden CEO-Kandidaten bekamen hohe
Werte dafür, ihren Zusagen kontinuierlich gerecht
zu werden.
Eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist es,
am Anfang für möglichst realistische Erwartungen
zu sorgen. Zuverlässige CEOs widerstehen der Ver-
suchung, schon in den ersten Wochen ihrer Amts-
zeit in den Realisierungsmodus zu springen. Statt-
dessen arbeiten sie sich durch Budgets und Pläne
und setzen sich mit Führungskräften, Mitarbei-
tern und Kunden zusammen, um deren Erwartun-
gen kennenzulernen. Gleichzeitig machen sie sich
ein erstes Bild vom Unternehmen, um selbst eine
Meinung zu gewinnen, was ihnen realistisch
scheint. Anschließend können sie die Erwartun-
gen dann in diese Richtung lenken.
Als Scott Clawson 2012 die Leitung bei Culligan
übernahm, einem Anbieter von Systemen zur
Wasseraufbereitung, fand er sich überraschend an
der Spitze eines angeschlagenen Unternehmens.
Zwar dachte jeder, Culligan erwirtschafte einen
Jahresgewinn vor Zinsen, Steuern und Abschrei-
bungen von 60 Millionen Dollar. Doch nachdem
Clawson sich selbst einen Überblick über die
Geschäftszahlen verschafft hatte, musste er den
Investoren verkünden, dass die realistischere Pro-
gnose wohl eher bei 45 Millionen lag. Damit be-
gann er zwar sein neues Amt mit einem deutlichen
Dämpfer, machte sich dann aber daran, das Ge-
schäftssystem der Firma auf Vordermann zu brin-
gen und die Mitarbeiterbasis zu stärken. Und
schließlich konnte er – zur Freude seines Boards
und der Investoren – ein starkes Ergebnis vor -
legen, das die Erwartungen übertraf.
Als sehr zuverlässig eingestufte Unternehmens-
führer arbeiten mit einer Reihe weiterer Taktiken.
Drei Viertel von ihnen erhielten gute Noten für
Organisations- und Planungsfähigkeiten. Sie schu-
fen Managementsysteme, die eine bestimmte
Abfolge von Meetings sowie Kennzahlen, klare
Zuständigkeiten und unterschiedliche Kanäle für
die Leistungskontrolle und für kurzfristige Ku