HARVARD BUSINESS MANAGER MAGAZINE Harvard_Business_Manager__Juli_2017 | 页面 24

SCHWERPUNKT KARRIERE

ÜBER DIE STUDIE

Art Collins, der ehemalige Chairman und CEO des Medizintechnikherstellers Medtronic, sagte uns: „ Mitarbeiter und andere wichtige Gruppen verlieren schnell ihren Glauben an Führungskräfte, die mit einmal getroffenen Entscheidungen hadern oder diese zurücknehmen.“ Und wenn sich Entscheidungen als falsch erweisen? Unsere Analysen zeigen, dass zwar jeder CEO Fehler macht, die meisten Entscheidungen aber nicht fatal sind. Von den CEOs, die wegen der Art ihrer Entscheidungsfindung entlassen wurden, verlor lediglich jeder Dritte seinen Job wegen zu schlechter Entscheidungen. Dagegen mussten zwei Drittel gehen, weil sie zu unentschlossen waren.
Dieser Beitrag basiert auf einer auf zehn Jahre angelegten Studie, die im Rahmen des CEO Genome Project von ghSmart durchgeführt wurde. Die Beratungsgesellschaft für Führungskräfte hat eine Datenbank mit den Beurteilungen von 17000 Managern der Vorstandsebene – darunter mehr als 2000 CEOs – aus allen wichtigen Branchen und aus Unternehmen jeder Größe zusammengetragen. Jeder Datensatz enthält Informationen über Ausbildung und Werdegang der Führungskraft, Bewertungen ihrer Leis- tungen als Manager sowie Angaben zu ihren Verhaltensweisen, Entschei- dungen und Geschäftsergebnissen. All diese Daten stammen aus strukturier ten Interviews mit den jeweiligen Führungskräften und wurden in einigen Fällen um Interviews mit ihren Geschäftspartnern ergänzt. Um Merkmale zu identifizieren, die eine künftige Ernennung zum CEO vorhersagen lassen, und um die Merkmale der CEOs mit denjenigen anderer Manager der Vorstandsebene vergleichen zu können, haben wir eine Stichprobe von 930 CEO-Kandidaten näher untersucht, die Unter- nehmen jeder Größe und aus 19 von 20 Industriesektoren nach der nord- amerikanischen NAICS-Klassifikation vertreten. In dieser Stichprobe stammten 86 Prozent der Unternehmen aus den USA. Darüber hinaus haben wir aus den Finanzergebnissen der jeweiligen Unternehmen und aus Stellungnahmen von Boardmitgliedern und Investoren Informationen über die Leistungen von 212 der Führungskräfte zusammengetragen. Unser Team umfasste 14 Wissenschaftler und setzte sich aus Psychologen, Ökonomen unter der Leitung der Professoren Steven N. Kaplan von der University of Chicago und Morten Sørensen von der Copenhagen Business School sowie Statistikern, Finanzmarktexperten und Datenexperten von SAS und NYU zusammen. Das Team analysierte Interviewprotokolle nach einer breit gestreuten Reihe von Merkmalen wie Ausbildung, Amtszeit und Branchenerfahrung. Diese Informationen wurden verwendet, um( a) Kandidaten, die als CEO eingestellt wurden, von Kandidaten ohne ein solches Angebot zu unterscheiden, und um( b) CEOs, die die Erwartungen erfüllten oder übertrafen, von unerwartet schwachen Konzernchefs zu trennen.( Außerdem haben wir die Karriereentwicklungen erforscht, die zu einer CEO-Berufung führten, sowie Muster bei der Einstellung und Entlassung, Fehlentscheidungen und weitere Aspekte.) Parallel dazu haben wir mehr als 70 zusätzliche Interviews mit CEOs und Boardmitgliedern geführt, um unsere Hypothesen zu überprüfen und um besser zu verstehen, was es braucht, um ein erfolgreicher CEO zu werden, und wie Boards tatsächlich ihren CEO auswählen.
ANDERE AUF ERGEBNISSE EINSCHWÖREN
Nachdem ein CEO eine klare Marschrichtung vorgegeben hat, muss er sich die Unterstützung seiner Mitarbeiter und anderer Stakeholder sichern. Erfolgreiche Unternehmenschefs verbinden ein tiefes Verständnis für die Prioritäten ihrer Stakeholder mit der unablässigen Konzentration auf gute Geschäftsergebnisse. Sie setzen sich zunächst genau mit den Bedürfnissen und Motiven ihrer Stakeholder auseinander und nehmen dies als Startpunkt, sie einzubinden und auf das Ziel der Wertsteigerung einzuschwören. Nach unseren Daten waren CEOs, die die Interessen der Stakeholder geschickt mit einer Ergebnisorientierung verknüpften, um 75 Prozent erfolgreicher.
Unternehmenschefs, die andere für ihre Sache gewinnen können, setzen ganz bewusst und konsequent auf Kommunikations- und Beeinflussungsstrategien. „ Bei jeder großen Entscheidung erstelle ich eine Übersichtskarte aller wichtigen Stakeholder, die ich an Bord haben muss“, erläutert Madeline Bell, Leiterin des Kinderkrankenhauses Philadelphia. „ Ich finde heraus, wer die Gegner sind und worum es ihnen geht. Und dann überlege ich, wie ich deren kontraproduktive Energie in etwas Positives umleiten kann. Ich mache den Menschen klar, dass sie für den Prozess wichtig sind und dass sie Teil des Erfolgs sein werden. Am Ende kommt es aber darauf an, allen klarzumachen, dass der CEO die Entscheidungen trifft und erwarten kann, dass alle ihn unterstützen.“
CEOs wie Bell sind sich im Umgang mit den Vertretern der verschiedenen Interessengruppen immer bewusst, welchen Einfluss ihre Stimmung und ihre Körpersprache auf die Kommunikation haben können. Es wurde schon viel über das Phänomen der „ Gefühlsansteckung“ geschrieben. Dennoch sind gerade unerfahrene CEOs immer wieder überrascht, wie viel Schaden sie mit einem unüberlegten Wort oder einer falschen Geste anrichten können. „ Jede Bemerkung und jeder Gesichtsausdruck wird im Unternehmen rezipiert und um ein Zehnfaches vergrößert“, sagt Stephen Kaufman. „ Wenn Sie während der Präsentation eines Mitarbeiters das Gesicht verziehen, weil Sie Rückenschmerzen haben, wird der Mitarbeiter glauben, dass er kurz vor dem Rausschmiss steht.“ Eine gute Selbstbeherrschung zählt zu den An- forderungen an den Unternehmenschef – drei Viertel der überzeugenden CEO-Kandidaten in unserer Stichprobe demonstrieren auch unter Druck Gelassenheit.
CEOs, die Stakeholder für ihre Sache gewinnen, setzen ihre Energie nicht dafür ein, gemocht zu werden oder ihre Mitarbeiter vor schwierigen Entscheidungen zu schützen. Solche Verhaltens- weisen sind häufiger bei CEOs mit schlechter
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