HARVARD BUSINESS MANAGER MAGAZINE Harvard_Business_Manager__Juli_2017 | Page 23

anstreben – und das sind nach einer Umfrage von Korn Ferry aus dem Jahr 2014 immerhin 87 Prozent –, diese Verhaltensweisen bewusst über- nehmen, steigern sie dadurch ganz erheblich ihre Aussichten, einmal ein herausragender Unter- nehmenschef zu werden.
DIE VIER VERHALTENSWEISEN
Es kommt nur sehr selten vor, dass erfolgreiche Führungskräfte alle vier Verhaltensweisen glei- chermaßen perfektionieren. Als wir aber unsere Daten durchgingen und die Ratings untersuchten, mit denen unsere Berater die Kandidaten nach 30 Kompetenz- und Leistungskriterien auf ihre Eignung als CEO hin bewertet hatten( wie effektiv sie beispielsweise Mitarbeiter zur Verantwortung ziehen oder wie gut sie ein Team motivieren können), stießen wir auf einen aufschlussreichen Zusammenhang. Etwa die Hälfte der starken Kandidaten( die auf einer in A, B und C unterteilten Skala insgesamt mit A bewertet worden waren) zeigte sich bei mehr als einer der vier entscheidenden Verhaltensweisen besonders stark, während dies nur auf 5 Prozent der schwachen Kandidaten( die ein B oder C erhalten hatten) zutraf.
Diese Verhaltensweisen, die wir im Folgenden näher beschreiben wollen, klingen überraschend banal. Der Schlüssel liegt darin, sie mit sturer Unnachgiebigkeit zu praktizieren, was – wie unsere Untersuchungen zeigen – für viele Führungskräfte eine echte Herausforderung darstellt.
SCHNELL UND ENTSCHLOSSEN ENTSCHEIDEN
Es gibt jede Menge Legenden über CEOs, die jederzeit genau wissen, wie sie ihr Unternehmen zum nächsten großen Erfolg steuern. Nach unseren Erkenntnissen treffen herausragende CEOs nicht unbedingt immer gute Entscheidungen. Was sie aber von anderen unterscheidet, ist ihre Entschlossenheit. Sie treffen Entscheidungen früher, schneller und mit größerer Überzeugung. Sie tun dies mit großer Kontinuität – auch in mehrdeutigen Situationen, ohne Kenntnis der vollständigen Information oder in unbekannten Bereichen. In unseren Daten zählten Manager, die als „ entschlossen“ beschrieben wurden, mit einer zwölfmal so großen Wahrscheinlichkeit zu den herausragenden CEOs.
Interessanterweise tun sich unter den von uns gecoachten Führungskräften diejenigen, die über den höchsten Intelligenzquotienten verfügen und den größten Gefallen an intellektuell komplexen Fragen finden, manchmal in puncto Entschlossenheit am schwersten. Weil sie nach der perfekten Antwort suchen, sind ihre Entscheidungen häufig gut, dennoch kann es zu lange dauern, bis sie zu einer solchen Entscheidung gekommen sind oder ihre Prioritäten gesetzt haben – und dafür zahlen ihre Teams einen hohen Preis. Diese schlauen, aber langsamen Entscheider werden zum Flaschenhals, und unter ihren Mitarbeitern wächst die Frustration( was zum Abgang wichtiger Talen- te führen kann) oder sie werden ihrerseits übervorsichtig und bremsen die gesamte Firma aus.
Es ist keine Überraschung, dass wir unter den als unentschlossen eingestuften Managern nur 6 Prozent gefunden haben, die für allzu schnelle Entscheidungen kritisiert wurden. Die überwiegende Mehrheit – 94 Prozent – bekam schlechte Noten, weil sie zu wenig und zu spät Entschei- dungen traf.
Herausragende CEOs wissen, dass eine falsche Entscheidung häufig besser ist als gar keine. Der frühere Greyhound-Chef Stephen Gorman, der den verlustbringenden Fernbusbetreiber wieder in die Gewinnzone führte, sagte uns: „ Eine schlechte Entscheidung war damals besser als eine fehlende Führung. Die meisten Entscheidungen können rückgängig gemacht werden, aber Sie müssen lernen, das richtige Tempo zu finden.“
Entschlossene CEOs verstehen, dass sie nicht warten können, bis sie alle Aspekte perfekt durchleuchtet haben. „ Sobald ich mir einer Antwort zu 65 Prozent sicher bin, muss ich eine Entscheidung treffen“, sagt Jerry Bowe, CEO des Eigenmarkenherstellers Vi-Jon. Dennoch bemühen sie sich aktiv darum, unterschiedliche Meinungen einzuholen, und arbeiten häufig mit einem relativ kleinen, sorgfältig gepflegten „ Küchenkabinett“ aus Beratern ihres Vertrauens, auf deren ungeschönte Ehrlichkeit und ausgewogene Urteilskraft sie sich verlassen können.
Bowe bestärkt sich selbst darin, Entscheidungen herbeizuführen: „ Ich stelle mir zwei Fragen: Erstens, was passiert, wenn ich falschliege? Und zweitens, wie sehr zögert diese Frage andere Dinge heraus, wenn ich nicht zu einer Entscheidung gelange?“ Dieser Ansatz, berichtet er, inspiriert auch seine Mitarbeiter, sich bei operativen Entscheidungen stärker auf ihr eigenes Urteil zu verlassen – was unerlässlich ist, um dem CEO mehr Raum für wichtigere Fragen freizumachen.
Dazu gehört auch, dass erfolgreiche CEOs wissen, wann sie sich besser aus Entscheidungen he raushalten. Stephen Kaufman, ein ehemaliger CEO des Elektronikhändlers Arrow Electronics, warnt davor, sich überstürzt einer Flut von Entscheidungen hinzugeben. Er rät, kurz innezu- halten und zu überlegen, ob die vorliegende Entscheidung nicht besser auf einer tieferen Ebene der Unternehmenshierarchie zu treffen und ob es sinnvoll wäre, sie um eine Woche oder einen Monat aufzuschieben – ohne damit irreparablen Schaden anzurichten – und abzuwarten, ob weitere wichtige Informationen auftauchen.
Wenn die Richtung einmal festgelegt ist, gehen herausragende CEOs ohne zu schwanken voran.
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