HARVARD BUSINESS MANAGER MAGAZINE Harvard_Business_Manager__Juli_2017 | Page 16

VERTEIDIGEN SIE IHRE FORSCHUNG MIT 66 JAHREN … Die Studie: Wann gehen die Leute im Schnitt in Rente? Das wollte ein Forscherteam um Chenkai Wu von der Oregon State University wissen. Bei einer Auswertung der US-Längsschnitterhebung „Health and Retirement Study“ fand das Team heraus, dass die Mehrheit etwa mit 65 Jahren aus dem Berufsleben ausscheidet. Doch eine statistische Analyse zeigte etwas Erstaunliches: Wenn die Menschen nur ein Jahr länger – also bis 66 – arbeiten, sinkt ihre Mortalitätsrate um 11 Prozent. Herr Wu, profitieren wir von Arbeit in ganz unerwarteter Form – weil sie un- ser Leben verlängert? WU Zu dieser Schlussfolgerung tendie- ren wir tatsächlich. Interessanterweise haben wir keine soziodemografischen, gesundheitlichen oder auf den Lebens- wandel bezogenen Faktoren gefunden, die den Zusammenhang zwischen spä- terem Renteneintritt und einem gerin- geren Mortalitätsrisiko beeinflussen. Auch wenn wir nur die gesundheitlich beeinträchtigten Ruheständler in unse- rer Stichprobe betrachteten – 1022 der 2956 Teilnehmer –, ergab sich immer noch ein um 9 Prozent niedrigeres Mor- talitätsrisiko für alle, die ein Jahr später in Rente gingen. Welche anderen Faktoren haben Sie überprüft? WU Die üblichen Variablen: Geschlecht, ethnische Herkunft, Alter, Bildung, Familienstand und Gesundheit. Zudem haben wir die Probanden in drei beruf - liche Kategorien aufgeteilt: Büroange- stellte, Dienstleister und Arbeiter. Und wir haben detailliertere Variablen be- rücksichtigt, die mit der Gesundheit oder dem Lebensstil zusammenhängen: Zigaretten- und Alkoholkonsum, sport- 16 HARVARD BUSINESS MANAGER JULI 2017 liche Betätigung, Body-Mass-Index, Be- hinderungen und eine gesundheitliche Selbsteinschätzung. Darüber hinaus ha- ben wir diverse chronische Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck und Herz- erkrankungen berücksichtigt. Jedes Mal ergab sich ein Zusammenhang zwischen Renteneintrittsalter und Sterblichkeit, unabhängig von all diesen Variablen. nicht sicher, dass solch ein Beweis mög- lich ist. Die bestmögliche empirisch abgesicherte Vorgehensweise wäre es, eine randomisierte kontrollierte Studie durchzuführen. Aber dazu müssten wir den Menschen nach dem Zufallsprinzip unterschiedliche Renteneintrittsalter zuweisen, und das wäre wohl unrealis- tisch und auch unethisch. Wie definieren Sie „Renteneintritt“? Sollten denn alle Menschen ihren Rentenbeginn aufschieben, um ein paar Jah