Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Bayern | Page 16

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Bayern 16 hoher Bildung ist der familiäre Hintergrund, weshalb Sozialisationsprozesse eine wichtige Rolle spielen (vgl. Nauck et al., 1998). Wenn die Eltern bereits einen akademischen Abschluss haben, ist die Chance hoch, dass das Kind ebenfalls hohe Bildung akquiriert (vgl. Rippl, 2002, S.138). Grund dafür sind bildungsrelevante Fähigkeiten (z.B. kulturelles Kapital), die im familiären Umfeld erworben werden. Außerdem können Eltern mit akademischer Bildung ihren Kindern beim Lernen helfen oder auch Informationen bzw. Strategien zum Erwerb hoher Bildung weitergeben (vgl. Allmendinger et al., 2010). In diesem Kontext spielt die „Unvollständigkeit der Familie“ eine wichtige Rolle (Rieker, 2007): Jungen, die in Familien aufwachsen, bei denen ein, oder sogar beide Elternteile fehlen, haben überdurchschnittlich oft auch feindseligere Einstellungen gegenüber Minderheiten, als Kinder aus vollständigen Familien. „Wer in der Familie keine erwachsenen Männer erlebt hat bzw. keine, die für ein Kind ansprechbar und an diesem interessiert erschienen, neigt offenbar in besonders ausgeprägten Maße dazu, seinerseits eine harte Seite von Männlichkeit zu betonen“ (ebd., S.33). Es gibt allerdings auch Studien, die ergeben haben, dass Personen, die in ihrer Kindheit „überversorgt“ (ebd., S.34) wurden, vergleichsweise oft abwertende Einstellungen gegenüber Minderheiten haben. In diesem Zusammenhang spielt auch der Aspekt der sozialen Kompetenzen eine wichtige Rolle. Wulf Hopf (1992, 1999) konnte zeigen, dass eine Unterstützung im (schulischen) Lernprozess durch Bezugspersonen (insbesondere Lehrerinnen/Lehrer und Eltern) im Kindesalter entscheidend ist für die Entwicklung von Empathiefähigkeit, Demokratieverständnis und Kooperationsbereitschaft. Diese Eigenschaften wiederum verringern die Wahrscheinlichkeit, im erwachsenen Alter menschenfeindliche Tendenzen zu entwickeln. Zur Untersuchung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist es deshalb nicht ausreichend nur Bildungsabschlüsse zu betrachten, sondern auch den sozialen Hintergrund bzw. das Sozialisationsumfeld. Heyder (2003) kann zeigen, dass vor allem empathische und kognitive Fähigkeiten in diesem Kontext relevant sind und das Ausmaß ablehnender Einstellungen reduzieren. In Kapitel 6.3 wird deshalb neben der Bildung auch die Familienqualität in der Kindheit operationalisiert, um deren Einfluss auf die Einstellung gegenüber Minderheiten zu erfassen. 3.4 Deprivationstheorie Warum fühlen sich manche Menschen benachteiligt, obwohl es ihnen nach objektiven Kriterien gut geht, während wiederum andere Menschen, die, bezogen auf dieselben Kriterien, schlechter gestellt sind, sich nicht benachteiligt fühlen? Stouffer et al. (1949) sind dieser Frage in einem Forschungsprojekt, bei dem ca. eine halbe Million amerikanischer Soldaten zu ihren Einschätzungen ihrer Position in der militärischen Struktur befragt wurden, nachgegangen. Dabei wurde festgestellt, dass Flieger, bei denen Beförderungen häufig