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200 Jahre Fahrrad
Elegant und ganz offiziell kurvte Queen Victoria 1881 durch den Park des Buckingham Palastes . Ihr Dreirad wurde zum Kassenschlager . Mit der Erfindung des Niederrads waren die Damen dann endgültig nicht mehr zu bremsen . Für das sittsame Auf­ und Absteigen wurden Räder mit tiefem Durchstieg gebaut . Statt langer Röcke trugen die Frauen Pumphosen , und auch das Korsett , den gehassten Garanten für Luftnot , legten sie bald ab .
war , immer preiswerter und auch für Arbeiter erschwinglich . Und notwendig ! Die Industrialisierung hatte tausende Menschen vom Land in die Innenstädte gezogen , die schon bald aus allen Nähten platzten . Also wurden Wohnungen außerhalb gebaut . Der Weg zum Arbeitsplatz war nun weiter geworden , sodass sich immer mehr Menschen zu Beginn des 20 . Jahrhunderts aufs Fahrrad schwangen . Damit hatte sich das Zweirad vom Spielund Sportgerät der Oberschicht zum alltäglichen Fortbewegungsmittel der breiten Masse entwickelt .
Während sich Adelige und Bürger jetzt von ihm abwandten und mehr und mehr das Auto für sich entdeckten , nutzte die Arbeiterbewegung den Drahtesel für ihren Kampf um mehr Rechte . Vom Fahrrad aus verteilten die Mitglieder in den 1920er Jahren Flugblätter und Kampfschriften und erreichten so schneller mehr Menschen als jemals zuvor .
Gruppe des Grazer Damen­Bicycle­Club 1893
Ärzte , meist Männer , machten sich jedoch Sorgen : Bekommen die Frauen einen Buckel ? Wird ihre Gebärfähigkeit beeinträchtigt ? Und überhaupt : strubbelige Haare , rote Wangen und keuchende Lungen ­ Rad fahren konnte für Frauen einfach nicht gesund sein ! Doch die Damen sausten den Bedenkenträgern davon und gründeten erste Frauen­Fahrrad­ Vereine . Radelnd stärkten sie ihr Selbstbewusstsein als elementare Voraussetzung für ihren Kampf um Gleichberechtigung .
Brüder , mit dem Rad zur Sonne , zur Freiheit !
Mit der Massenproduktion wurde das Fahrrad , das mittlerweile mit dem bis heute üblichen Diamantrahmen ausgestattet
Arbeiter­Radfahrverein in Unna­Lünern
Den Nationalsozialisten waren sie ab 1933 ein Dorn im Auge . Kurzerhand beschlagnahmten sie die Fahrräder führender kommunistischer Köpfe und lösten Arbeiter­Rad­Vereine auf . Und noch etwas stieß den Nazis übel auf : In den 1930er Jahren waren Fahrräder mit vie­
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