FahrRad 1/2017 | Page 8

200 Jahre Fahrrad
len verchromten Teilen modern . Die Fahrradindustrie boomte , kauften sich doch alle , die es sich leisten konnten , ein schönes neues glänzendes Rad . In den Augen der Nazis , die Motorisierung und Aufrüstung vorantreiben wollten , reinste Rohstoffverschwendung ! Als Alternative ließen sie das „ braune Rad “ mit Hakenkreuz­Schutzblechfigur und ­ passend zum Volksempfänger­Radio – das schlichte „ Volksrad “ bauen . Doch vor allem Frauen verlangten weiter nach Rädern mit viel Chrom . Und so einigten sich Nazis und Fahrradindustrie schließlich auf einen Kompromiss : Es durften weiterhin Fahrradteile verchromt werden , aber nicht mehr so viele .
Im Wirtschaftswunder­Deutschland der 1950er Jahre spielte das Fahrrad eine eher untergeordnete Rolle . Steigende Löhne , niedrige Benzinpreise ­ da wollten alle Auto fahren ! Mit der Ölkrise in den 1970er Jahren änderte sich das und spätestens mit der Ökologiebewegung in den 1980er Jahren wurde der Drahtesel als umweltfreundliche Alternative zum Auto wieder aus dem Keller geholt .
Und wie geht es weiter ?
Heute favorisieren vor allem hippe Großstädter das Fahrrad als effektives Verkehrsmittel , das darüber hinaus zur Fitness seines Fahrers beitragen soll . Schick und sportlich muss der Drahtesel sein , aber auch alltagstauglich und leicht , was hohe Anforderungen an Material und Verarbeitung stellt .
Gleichzeitig erleben Ideen aus den Anfängen des Fahrradbaus eine Renaissance : Kleine Kinder sausen auf teils hölzernen Laufrädern herum , bevor sie sich auf Räder mit Pedalen wagen . Gab es bereits vor 200 Jahren von Drais entwickelte Konstruktionen , die einen zusätzlichen Sitz für die mitreisende Dame vorsahen , können sich heute Rollstuhlund Radfahrer gemeinsam auf den Weg machen . Und auch das Lastenrad gewinnt immer mehr Freunde : Anfang des 20 . Jahrhundert nutzten es vor allem Lebensmittelhändler und Kuriere , heute kaufen junge Familien damit ein und bringen ihren Nachwuchs zur Kita .
Angesichts des Klimawandels und des drohenden Verkehrskollaps in vielen Städten sehen wir uns 200 Jahre nach der Erfindung des Fahrrades ähnlichen Herausforderungen gegenüber wie damals Karl Friedrich Drais zu Sauerbronn . Sich weitgehend unabhängig vom motorisierten Verkehr zu machen , kann der Schlüssel zur Mobilität von morgen sein . Eine Frage der Vernunft .
Herzlichen Glückwunsch ! Susanne Tommes
Weitere Infos zur Historie des Radfahrens beim Kreismuseum Herzogtum Lauenburg ( Sonderausstellung 2010 ): http :// tinyurl . com / z8ol9hm
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