AKTUELL
SINKENDE ZAHLUNGSMORAL – EIN WERTVOLLER KRISENINDIKATOR
Der heiße Herbst beginnt in diesem Jahr früh ! Innerhalb weniger Tage wurde das umstrittene „ Entlastungspaket 3 “ vorgestellt , der amtierende Wirtschaftsminister redete sich im deutschen Fernsehen um Kopf und Kragen und das neue Infektionsschutzgesetz soll verabschiedet werden .
Diese kleine Themenauswahl zeigt uns , wie angespannt die Lage vor dem heraufziehenden Herbst und Winter ist . Unsicherheit und Verwirrung sind mit Händen zu greifen . In der Diskussion mangelt es allerdings an verlässlichen Zahlen , Daten und Fakten . In der Wirtschaftsforschung ist das Zahlungsverhalten der Unternehmen untereinander , also die Zahlungsmoral , ein zuverlässiger Frühwarnindikator für die konjunkturelle Gesamtentwicklung und einzelnen Branchen . Mehr als eine Million Unternehmen in Deutschland liefern allmonatlich Zahlungsinformationen aus ihrer Debitorenbuchhaltung an Creditreform . Damit können 1.160 Branchen bewertet werden – ein Gesamtbelegvolumen von 79 Mrd . Euro steht für die Analyse zur Verfügung . So wird in halbjährigem Turnus Auskunft darüber gegeben , wie viel Zeit sich Deutschlands Unternehmen im B2B-Geschäft nehmen , wenn es um den Ausgleich der fälligen Forderungen geht . Bisher war die Zahlungsmoral intakt , im dritten Jahr der Krise
16 jedoch zeigen sich erste Verwerfungen . Das Zahlungsverhalten ist im ersten Halbjahr 2022 gegenüber dem zweiten Halbjahr des Vorjahrs schlechter geworden .
Liquidität schonen Die Auswertung von Januar bis Juni 2022 ergab eine durchschnittliche Verzugsdauer von 10,51 Tagen – im zweiten Halbjahr 2021 lag dieser Zeitraum noch bei 9,97 Tagen und im ersten Halbjahr 2021 waren es 10,23 Tage . Ein näherer Blick auf die Wirtschaftsbereiche zeigt eine Verbesserung nur bei den unternehmensnahen Dienstleistern um 0,37 Tage und im Bereich der Grundstoffindustrie mit minus 0,27 Tagen . Es sind vor allem zwei rohstoffund energienahe Sektoren , die Anstiege beim Zahlungsverzug aufweisen . So legten Chemieunternehmen um 1,58 Tage gegenüber dem zweiten Halbjahr 2021 zu , bei den Metall- und Elektrounternehmen wartete man mit dem Begleichen der Rechnung um fast einen ganzen Tag länger ( plus 0,98
Tage ). Nach wie vor sieht der Bau am schlechtesten aus , wenn es um den Zahlungsverzug geht . Hier beträgt die Verzugsdauer 15,10 Tage – in der zweiten Hälfte 2021 waren es noch 14,54 Tage .
Aber nicht nur der Verzug ist für die Zahlungsweise relevant . Wichtig ist es auch , die Zahlungsziele im Auge zu behalten . Die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind von besonderer Bedeutung für die Zahlungsziele . So wundert es nicht , dass bei der Zuspitzung der aktuellen Krisen von Corona über den Krieg in der Ukraine bis zur Inflation und den steigenden Zinsen die Unternehmen ihre Zahlungsziele verkürzt haben . Man ist stärker auf schnelle Liquidität angewiesen und man fürchtet insgesamt höhere Forderungsausfälle . Tatsächlich sind die Zahlungsziele deutlich verkürzt worden . Waren es im zweiten Halbjahr 2021 noch 30,71 Tage , die man seinen Abnehmern und Kunden für die Forderungsbegleichung zugestand , so sind es aktuell nur noch 29,80 Tage . Nur die Dienstleister sowie die Bereiche Grundstoffe und Chemie blieben von einer Verkürzung ihrer Zahlungsziele verschont , allen anderen Wirtschaftsbereichen wurde aufgegeben , schneller zu bezahlen . Führend waren dabei der Einzelhandel mit einem Minus von 2,80 Tagen , das Metall- und Elektrogewerbe mit gut einem Tag weniger und schließlich der Logistikbereich mit einem Minus von 0,81 Tagen beim durchschnittlichen Zahlungsziel .
Laufzeiten kürzer Die Addition von Zahlungsziel und Zahlungsverzug ergibt die Forderungslaufzeit . Insgesamt sind die Forderungslaufzeiten zurückgegangen . Sie fielen um 0,37 Tage auf 40,31 Tage am