Bücher über Interreligiöse Spiritualität, Meditation und Universaler Sufismus Die Gathas - Weisheit der Sufis | Page 24
Teil I – Gatha I – Bräuche (1)
auf dem Weg der Meditation den Gipfel zu erreichen und von dort her
die ganze Schönheit des Gebirges zu überblicken. Natürlich ist daher
der Horizont vor den Augen des Mystikers unvergleichlich viel weiter als
der Horizont des Wissenschaftlers. Der Forscher vermag die Dinge, klar,
deutlich und in allen Einzelheiten zu sehen, während der Mystiker eine
allgemeine Vorstellung von den Dingen hat. Oft ist die Wahrnehmung
des Mystikers vage verglichen mit der analytischen Untersuchung des
Wissenschaftlers. Während der Mystiker die Dinge durchschaut, kann der
Wissenschaftler nur die Oberfläche erkennen.
Infolge der größeren Aktivität des westlichen Lebens ändern sich alle
Dinge im Westen schneller, während sich die Veränderungen im Osten viel
langsamer vollziehen. Daher findet man im Osten noch viele Bräuche alten
Ursprungs, die für die Entwicklung der Menschen im Osten in psychischer
Hinsicht bezeichnend sind. Selbst ganz alltägliche Gewohnheiten, wie das
Händeschütteln, sich vom Sitz erheben, um jemanden zu empfangen, sich
verbeugen, mit der Hand winken oder in die Hände klatschen, haben ihre
psychologische Bedeutung. Wenn zwei Menschen sich die Hand geben,
wird Magnetismus zwischen ihnen ausgetauscht, und ein Ausgleich der
Lebenskräfte stellt sich zwischen ihnen ein. Derjenige, dem es an Kraft,
Energie oder Magnetismus fehlt, gewinnt, und die überfließenden Kräfte
des anderen werden für einen besseren Zweck gebraucht.
Wenn man sich erhebt, um einem anderen seine Achtung zu erweisen,
oder einige Schritte entgegengeht, um jemanden zu empfangen, wappnet
man sich, um den Kräften des Entgegenkommenden standhalten zu
können. Durch das Aufstehen und einige Schritte gehen reguliert man
den Puls und bringt die Zirkulation in Ordnung, wodurch man sich
psychisch und moralisch zur Verteidigung rüstet, falls der Herannahende
ein Gegner sein sollte, und ist bereit, ihm harmonisch, – psychisch, geistig
und moralisch auf derselben Ebene – zu begegnen, wenn er sich als ein
Freund erweist. Den Kopf zu einer Verneigung beugen, belebt nicht nur
die Zirkulation im Kopf, sondern auch die magnetische Strömung, weil
der Kopf der wichtigste moralische und geistige Faktor im Menschen
ist. Man wird stets feststellen können, dass jemand, der sich bereitwillig
verneigt, von nachdenklichem Wesen ist, während jemand, der den Kopf
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