Teil I – Gatha I – Bräuche( 1)
eigenen Denken neutral zu werden. In dem Maß, wie einem dies gelingt, wird man fähig, einen Glauben im richtigen Sinne zu verstehen. Wer auf die Äußerung eines anderen hin sagt: „ Das ist nicht, was ich glaube“, zeigt seine Schwäche, nämlich die Unfähigkeit, den Glauben des anderen von dessen Standpunkt aus zu betrachten. Wissen entsteht aus der Bereitschaft zu lernen, und wenn wir dies im Leben ablehnen, geschieht es aus Mangel an Bereitschaft. Es ist nicht von Bedeutung, aus welcher Quelle das Wissen zu kommen scheint, – in Wirklichkeit stammt alles aus einer Quelle. Sobald das Bewusstsein( mind) zu einem freien Empfänger wird, strömt die Erkenntnis ungehindert ins Herz.
Eine gewisse Wahrheit ist in jedem Glaubensbekenntnis verborgen, die oft von größerem Wert ist, als es den Anschein hat. Etwas glauben, ohne es zu verstehen, ist ein erster Schritt der Erkenntnis entgegen, während das Zurückweisen eines dargebotenen Glaubens einen Rückschritt bedeutet. Wenn jemand mit seinem Glauben zufrieden ist, befindet er sich in einem angenehmen Seinszustand, ideal ist es jedoch, den Glauben zu verstehen.
I. 3. Bräuche( 1)
Von alters her gab es in verschiedenen Ländern viele Bräuche, die eine psychologische Bedeutung haben, dennoch weiß kaum jemand etwas davon. Bräuche in der Art, einander zu grüßen, nach der gegenseitigen Gesundheit zu fragen, selbst Gewohnheiten wie das Reden vom Wetter entspringen einem psychologischen Grund. Dies zeigt, dass in früheren Zeiten das Leben der Menschen im Osten wie im Westen mehr von Magie erfüllt war als heutzutage. Infolge des überhandnehmenden materiellen Lebens und der Unkenntnis der jenseits des Materiellen liegenden Dinge hat die Welt sozusagen jenen magischen Zauber verloren, der einst das Erbe der Menschheit war.
Neuerdings erst hat die Wissenschaft einige psychologische Wahrheiten im menschlichen Leben entdeckt. Die Methode, der die Wissenschaft bei der Ergründung dieser Wahrheiten folgt, ist der des Mystikers entgegengesetzt. Der Forscher will den Berg vom Tal aus besteigen. Der Mystiker versucht,
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