Bücher über Interreligiöse Spiritualität, Meditation und Universaler Sufismus Die Gathas - Weisheit der Sufis | Page 22

Teil I – Gatha I – Glaube anderen Glauben, der von ihrer eigenen Wahrheit abzuweichen scheint. In Wirklichkeit ist weder ein Glaube die Wahrheit, noch die Wahrheit ein Glaube. Wenn ein Mensch in seiner Entwicklung zur Erkenntnis der Wahrheit gelangt ist, dann ist sie für ihn nicht mehr ein Glaube, sondern eine Gewissheit. Vorstellungen sakraler Art sind im Bereich des Religiösen wie die Stufen auf dem Weg zum Ziel, das man die Wahrheit nennt. Wenn man bei einem Glaubensbekenntnis stehen bleibt, so hält es einen fest, so wie man es selber festhält. Weder vermag der Glaube dann einen Menschen zu fördern, noch kann er sich weiter entwickeln. In vielen Fällen wird der Glaube, der den Menschen gleich Schwingen empor tragen sollte, zum Bleigewicht, das ihn auf der Erde festhält. Jeder Glaube ist im Anfang ein Schritt ins Dunkel, doch je mehr sich der Mensch dem Ziel nähert, wird er Schritt für Schritt immer mehr erleuchtet. Darum gibt es für den Gläubigen immer eine Hoffnung, während es für den Ungläubigen hoffnungslos ist. Es gibt Menschen, die fähig wären zu glauben, und sogar fähig, ihren Glauben zu verstehen, die aber aus dem einen oder anderen Grund nicht gewillt sind zu glauben und einen Glauben zurückweisen, ehe ihnen das Verständnis dafür aufgegangen ist. Der weise Weg im Leben würde darin bestehen zu versuchen, ein Schüler zu werden, – Schüler eines Lehrers als auch Schüler aller Wesen; dann wird man schließlich ein Schüler Gottes werden. Weiser wäre es auch, die Wahrheit eines Glaubens zu ergründen, anstatt ihn einfach aufzugeben. Ebenso sollte man geduldig und tolerant mit dem Glauben anderer umgehen, bis man von ihrem Standpunkt aus, die Wahrheit darin erkennen kann. Wenn der Mensch etwas nur von seinem eigenen Standpunkt aus betrachtet, sieht er es nur mit einem Auge, während das andere geschlossen bleibt. Volle Sicht hat man nur, wenn man von beiden Standpunkten aus schaut, wie gegensätzlich sie auch sein mögen. Solches Bestreben bringt die Dinge ins Gleichgewicht und vermittelt eine richtige Vorstellung. Um ein Gebäude zu sehen, muss man es von der Straße aus betrachten, anstatt drinnen zu stehen, wenn man die Außenseite sehen will. Beim Verstehen von Glaubensvorstellungen muss man fähig sein, im 22