Bücher über Interreligiöse Spiritualität, Meditation und Universaler Sufismus Die Gathas - Weisheit der Sufis | Page 21
Teil I – Gatha I – Glaube
können viele psychische Gesetze nachgewiesen werden. So bieten die
Volksbräuche Indiens eine wahre Fundgrube von Erkenntnis. Indien ist
ein Land, in dem der Volksglaube seit Jahrtausenden nahezu unverändert
geblieben ist und manches daraus zu Brauchtum wurde. Auf den ersten
Blick muss ein Verstandesmensch, solange er nur die Oberfläche sieht,
annehmen, dass das indische Volk voller Aberglauben sei. Die ganze
Lebensführung scheint darauf begründet, nicht nur in religiöser Hinsicht,
sondern auch in häuslichen Angelegenheiten. Im Alltagsleben der Inder
steht jede Bewegung, die sie machen, jedes Wort, das sie sprechen,
irgendwie in Beziehung zu einer alten Überlieferung.
Man sollte vermeiden, ein zu großes Interesse am Aberglauben zu hegen,
denn je mehr man sich damit beschäftigt, desto mehr kann man darin
versinken. Wohin auch ein abergläubischer Mensch schaut, bekommt er
Eindrücke von Furcht, Zweifel und Argwohn, was leicht zu Verwirrung
führt. Für den Weisen ist jedoch die Missachtung des Aberglaubens nicht
befriedigend, denn durch seine Weisheit vermag er ihn zu verstehen, – und
verstehen ist besser, als sich darüber lustig zu machen, und auch besser als
ihn zu glauben. Der Abergläubische befindet sich sozusagen im Wasser und
weiß, dass er im Wasser ist. Der Spötter dagegen befindet sich im Wasser,
ohne es zu ahnen. Durch das Verstehen der Überlieferungen wird der
Mensch fähig, im Wasser zu schwimmen, und durch das Darüberstehen
wandelt er auf dem Wasser. Wer alles versteht und entsprechend handelt,
meistert das Leben.
I. 2. Glaube
Den Ausdruck ‘Glaube’ (belief ) braucht man für eine Vorstellung, die man
hat, ohne sie begründen zu können. Sind solche Vorstellungen allgemeiner
Art, nennt man sie Aberglaube, sind sie dagegen sakraler Art, werden sie
Glaube genannt.
Oftmals verwechselt der Mensch Glauben mit Wahrheit. Viele, die
ihren Glauben nicht richtig verstehen, betrachten ihn nicht als e i n e
Wahrheit, sondern als die Wahrheit, und verwerfen infolgedessen jeden
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