Bücher über Interreligiöse Spiritualität, Meditation und Universaler Sufismus Die Gathas - Weisheit der Sufis von Hazrat Inayat | Page 24

Wenn man bei einem Glaubensbekenntnis stehen bleibt, so hält es einen fest, so wie man es selber festhält. Weder vermag der Glaube dann einen Menschen zu fördern, noch kann er sich weiter entwickeln. In vielen Fällen wird der Glaube, der den Menschen gleich Schwingen empor tragen sollte, zum Bleigewicht, das ihn auf der Erde festhält. Jeder Glaube ist im Anfang ein Schritt ins Dunkel, doch je mehr sich der Mensch dem Ziel nähert, wird er Schritt für Schritt immer mehr erleuchtet. Darum gibt es für den Gläubigen immer eine Hoffnung, während es für den Ungläubigen hoffnungslos ist. Es gibt Menschen, die fähig wären zu glauben, und sogar fähig, ihren Glauben zu verstehen, die aber aus dem einen oder anderen Grund nicht gewillt sind zu glauben und einen Glauben zurückweisen, ehe ihnen das Verständnis dafür aufgegangen ist. Der weise Weg im Leben würde darin bestehen zu versuchen, ein Schüler zu werden, - Schüler eines Lehrers als auch Schüler aller Wesen; dann wird man schliesslich ein Schüler Gottes werden. Weiser wäre es auch, die Wahrheit eines Glaubens zu ergründen, anstatt ihn einfach aufzugeben. Ebenso sollte man geduldig und tolerant mit dem Glauben anderer umgehen, bis man von ihrem Standpunkt aus, die Wahrheit darin erkennen kann. Wenn der Mensch etwas nur von seinem eigenen Standpunkt aus betrachtet, sieht er es nur mit einem Auge, während das andere geschlossen bleibt. Volle Sicht hat man nur, wenn man von beiden Standpunkten aus schaut, wie gegensätzlich sie auch sein mögen. Solches Bestreben bringt die Dinge ins Gleichgewicht und vermittelt eine richtige Vorstellung. Um ein Gebäude zu sehen, muss man es von der Strasse aus betrachten, anstatt drinnen zu stehen, wenn man die Aussenseite sehen will. Beim Verstehen von Glaubensvorstellungen muss man fähig sein, im eigenen Denken neutral zu werden. In dem Masse, wie einem dies gelingt, wird man fähig, einen Glauben im richtigen Sinne zu verstehen. Wer auf die Äusserung eines anderen hin sagt: „Das ist nicht, was ich glaube“, zeigt seine Schwäche, nämlich die Unfähigkeit, den Glauben des andern von dessen Standpunkt aus zu betrachten. Wissen entsteht aus der Bereitschaft zu lernen, und wenn wir dies im Leben ablehnen, geschieht es aus Mangel an Bereitschaft. Es ist nicht von Belang, aus welcher Quelle das Wissen zu kommen scheint, - in Wirklichkeit stammt alles aus einer Quelle. 22