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Erich Meisdorf, Leser
Mario Ohoven,
Präsident
Bundesverband mittel-
ständische Wirtschaft,
Unternehmerverband
Deutschlands (BVMW)
Über den Tellerrand
Bürokratische Hürden und die verbrei-
tete Furcht vor Migration erweisen sich
als signifikante Hemmnisse für den
Wirtschaftsstandort Deutschland, wenn
es darum geht, qualifizierte Arbeitskräf-
te aus anderen Ländern anzuwerben.
Auch andere Industrienationen haben
mit dem Geburtenrückgang zu kämpfen
und konkurrieren mit Deutschland um
die besten Köpfe. In dieser Beziehung
ist Deutschland ein Spätzünder, da es
erst vor wenigen Jahren überhaupt an-
erkannt hat, ein Einwanderungsland zu
sein. Wichtig wäre es vor allem, auslän-
dische Studenten im Land zu halten.
Viele genießen hier eine umfangreiche
Ausbildung, die sie dann in für sie at-
traktiveren Ländern anwenden.
Hier ist die Politik gefordert: Schuli-
sche Bildung muss junge Menschen
fit für das Berufsleben machen. Das
erfordert klare Leistungskriterien in
einem differenzierten Bildungssystem
sowie transparente Notengebung.
Zudem müssen die Schulen wirt-
schaftliches Wissen vermitteln und
junge Menschen für das Unterneh-
mertum begeistern. Solange junge
Menschen, die sich für eine Lehre
entscheiden, als Bildungsabsteiger
angesehen werden, läuft generell et-
was falsch. Deshalb muss endlich die
Gleichwertigkeit von beruflicher und
akademischer Bildung verwirklicht
werden. Wir brauchen mehr Meis-
Fragt den Mittelstand
Der Mittelstand bildet verlässlich acht
von zehn Auszubildenden aus. Bei der
rein praktischen Ausbildung in den
Betrieben bleibt es selten. Um den
Berufsabschluss zu erreichen, brau-
chen 60 Prozent der Azubis Nachhil-
fe in Deutsch und Mathematik – der
Ausbilder wird zum Nachhilfelehrer.
ter und weniger Master. Klein- und
Mittelbetriebe nahezu aller Branchen
und Regionen leiden unter akutem
Fachkräftemangel. Die mittlere Bil-
dung könnte helfen: In Bundeslän-
dern mit einer starken Realschule ist
der Fachkräftemangel weniger stark.
Studienabbrecher sollten in die duale
Ausbildung integriert werden. Der-
zeit beginnen zwei Drittel der Studi-
enberechtigten eines Jahrgangs ein
Hochschulstudium, 30 Prozent bre-
chen es jedoch innerhalb der ersten
beiden Semester wieder ab. Durch
die Anrechnung bereits erworbener
Lerninhalte ließe sich die Ausbil-
dungszeit verkürzen.
FACHKÄFTE AUS DEM AUSLAND
Was Unternehmen bei der Rekrutierung helfen würde
Ihr Name,
Leserin
58%
54%
53%
Umworbene Spezies
Zahlreiche Unternehmen sehen sich,
trotz erster konjunktureller Eintrü-
bungen, vor der Herausforderung,
offene Stellen zu besetzen. Vor allem
Fachkräfte mit nichtakademischem
Hintergrund werden gesucht wie
schon lange nicht mehr. Eine Studie,
die wir gemeinsam mit meinestadt.de
2017 durchgeführt haben, verdeutlicht,
was Unternehmen machen können,
um attraktiv für solche Fachkräfte zu
sein. Etwa zwei Drittel der Befragten
gaben an, sich einen sicheren, also
unbefristeten Arbeitsplatz sowie eine
pünktliche Gehaltszahlung zu wün-
schen. Diese Punkte werden häufig als
selbstverständlich angesehen, sollten
jedoch bei der Werbung um Fachkräfte
nicht vernachlässigt werden. Weitere
wichtige Punkte sind die gelebte Ar-
beitskultur und der erste persönliche
Eindruck. Hier müssen Arbeitgeber
besonders überzeugen. Weniger wich-
43%
38%
37%
33%
26%
28%
24%
19%
Matthias Baum und Alexander Küsshauer,
Lehrstuhl für Entrepreneurship,
Technische Universität Kaiserslautern
45%
41%
42% 41%
41%
39%
52%
51%
16%
27%
25%
20%
20%
Change your mind
Gut ausgebildete Fachkräfte sind
in einem rohstoffarmen Land wie
Deutschland der Motor unserer
Wirtschaft. Die Generation der Ba-
byboomer geht in den nächsten Jah-
ren in Rente und es kommen nicht
genügend Arbeitskräfte nach. Ver-
schärft wird diese Situation durch
Schreiben Sie uns Ihre Antwort und viel-
leicht erscheinen Sie im nächsten Heft.
14%
Thomas Wiesner, Leser
Gesamt
Industrie
Bau
Handel
Dienstleistungen
Verbesserung der Sprachkenntnisse / Mehr Sprachangebote im In- und Ausland
Vereinfachung des administrativen Verfahrens
Unterstützung im gesamten Prozess
Erleichterung der Zuwanderungsregelungen
Keine Hilfe nötig
Umfrage unter mehr als 11.000 Unternehmen, die in Nicht-EU-Staaten rekrutieren würden,
Herbst 2018; Mehrfachnennungen möglich
Die meisten, die schon mal die Diens-
te eines Handwerkers benötigten, sind
sich des Problems des Fachkräfteman-
gels bewusst. Dies hängt auch damit
zusammen, dass wir unseren Kindern
suggerieren, dass sie ohne Studium
beruflich nichts erreichen werden.
Quelle: DIHK
tig scheinen hingegen die Aufstiegs-
chancen sowie die Höhe des Gehalts
für die Zielgruppe der Fachkräfte zu
sein. Weiterhin zeigt die Studie, dass
Standardkommunikationskanäle wie
ansprechende Karriere-Webseiten für
Fachkräfte nicht notwendigerweise
geeignet sind. Wesentlich wichtiger ist
und bleibt der persönliche Eindruck im
Vorstellungsgespräch sowie Berichte
aus dem persönlichen Netzwerk. Durch
ein zielgerichtetes Management dieser
Kontaktpunkte können Unternehmen
ihre Arbeitgebermarke für Fachkräfte
attraktiver machen.
Lars Vollmer,
Unternehmer,
Autor und
Honorarprofessor
Neuer Wettbewerb
der Argumente
Der Fachkräftemangel ist ein moder-
nes Narrativ, erzählt von Personal-
dienstleistern und denjenigen Unter-
DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE
Ralf Hocke,
CEO spring
Messe Management
Was ist Ihre Meinung?
die sich fundamental verändernden
Qualifikationsanforderungen,
die
die (digitale) Transformation mit
sich bringt. Angesichts dieser Ent-
wicklungen sind die Arbeitgeber
– und damit insbesondere die HR-
Abteilungen – gefordert, die Talente
von morgen zu finden, erfolgreich
an das Unternehmen zu binden und
weiterzuentwickeln. Umso mehr
nimmt die Bedeutung von Emplo-
yer Branding in Form einer klar
definierten Arbeitgebermarke und
Qualifizierung der Mitarbeiter zu.
Ein Ansatz, um all dies zu vereinen,
ist das Future-of-Work-Konzept: Es
basiert auf den vier Säulen Spaces,
Tools und Methods, Leadership, Cul-
ture und Mindset sowie Skills und
Competences. Der Gleichklang aller
Säulen ermöglicht es Unternehmen,
ihre Arbeitswelt zukunftsgerecht
aufzustellen und zugleich die (digi-
tale) Transformation erfolgreich zu
gestalten. Wie dieser Change Prozess
gelingen kann, zeigt beispielsweise
die Konferenz Digital Mind Change
am 24. Oktober in der BMW Welt
München – präsentiert von spring
Messe Management, dem Veranstal-
ter von Europas führenden Expos,
Events und Conferences für die Welt
der Arbeit. Erfahren Sie mehr auf:
www.digitalmindchange.de
nehmen und Institutionen, die mit
einer hochnäsigen Arbeitgeberatti-
tüde und (nun inzwischen digitali-
sierten) Rekrutierungsmethodiken
aus dem Industriezeitalter nach ei-
ner aufgeklärten wie selbstbewussten
Generation angeln und Fachkräfte
für Fische halten. Und keiner beißt
an. Etwas weniger vorwurfsvoll aus-
gedrückt klingt das so: Fachkräfte
sind vorhanden. In großer Zahl, zu-
meist ambitioniert, motiviert, mo-
bil, der Wirtschaft zugewandt und
höchst anspruchsvoll. Nur laufen sie
nicht mehr arbeitssuchend herum.
Dass wir einen Wandel vom Arbeit-
geber- zu einem Arbeitnehmermarkt
erleben, darf uns angesichts einer
Quasi-Vollbeschäftigung nicht wun-
dern und sogar gesellschaftlich er-
freuen. Das kann sich auch wieder
ändern. Es gilt vielmehr, als moder-
ner Arbeitgeber sinnhafte Argumen-
te für Fachkräfte zu finden – und
die liegen jenseits von Performance
Reviews, stupiden Incentivierungen,
anonymen
Mitarbeiterbefragun-
gen, Meeting-Kollaps und Eckbüro.
So ist es keine Überraschung, dass
längst nicht alle Unternehmen unter
Fachkräftemangel leiden. Es scheint
gallische Dörfer auch außerhalb von
Ballungsräumen zu geben, die das
Narrativ nicht kennen und die hohe
Dynamik des Marktes förmlich lust-
voll in Gebrauch nehmen.