+3 Magazin März 2019 | Page 9

+2 Jürgen Schäfer, Leiter Zentrum für unerkannte und seltene Erkrankungen, Universitätsklinikum Marburg Der lange Weg zur Diagnose Vor einer erfolgreichen Therapie steht immer die korrekte Diagnose. Viele Erkrankungen erkennen erfah- rene Hausärzte schnell und wissen die korrekte Therapie. Bei seltenen Erkrankungen kann die Diagnose- findung kompliziert und zeitraubend sein. Ärzte und Patienten sind oftmals jahrelang auf der Suche nach der kor- rekten Diagnose. Findet sich keine Erklärung für die Beschwerden, wird allzu häufig ein psychosomatisches Krankheitsbild unterstellt. Um hier Abhilfe zu schaffen, stehen versierte Fachärzte, zahlreiche Universitäts- kliniken und die in den vergangenen Jahren bundesweit gegründeten Zen- tren für Seltene Erkrankungen (ZSE) zur Verfügung. Zur Diagnosefindung ist eine umfassende Krankengeschich- te, eine gewissenhafte körperliche Un- tersuchung und eine apparative Diag- nostik bis hin zu Hightech-Labor und modernster Bildgebung wichtig. Da scheinbar unwesentliche Informatio- nen oftmals der Schlüssel zum Erfolg sind, ist der Faktor Zeit von zentraler Bedeutung – Zeit für das Gespräch mit Patient und Angehörigen und für die Sichtung der Krankenakten, Zeit für Literaturrecherche, Expertenbespre- chungen und weiterführende Unter- suchungen. In unserem Gesundheits- in US-Dollar pro Patient Ihr Name, Leserin Schreiben Sie uns Ihre Antwort und vielleicht erscheinen Sie im nächsten Heft. Seltene Erkrankungen 116.216 2012 23.503 21.589 18.680 134.062 129.970 120.382 2013 Andere Erkrankungen 147.308 145.262 2014 25.504 2015 28.904 2016 30.708 2017 Quellen: Evaluate, Statista Peter Berger, Leser Diagnose und Behandlung von selte- nen Krankheiten können sich durch die Digitalisierung des Gesundheits- wesens deutlich verbessern. Einerseits wird die Kommunikation zu Fach- ärzten und Experten vereinfacht. An- dererseits kann bei der Diagnose auf riesige Datenbanken zurückgegriffen werden, sodass seltene Krankheiten besser erkannt werden können. system wird die Ressource Zeit leider nicht adäquat honoriert, was für viele ZSEs im Zeitalter von Fallpauschalen existenzbedrohend wird. Bleibt zu hoffen, dass bei den gesundheitspoli- tisch Verantwortlichen ein Umdenken zum Wohle unserer Patienten mit sel- tenen Erkrankungen stattfindet. TEURE BEHANDLUNG Die durchschnittlichen Kosten sind bei seltenen Erkrankungen enorm hoch Dorothea Kohlhaas, RP-Patientin und Mitglied Pro Retina Deutschland Digitale Diagnose 9 Zurück ins Leben Seit Geburt an bin ich aufgrund der seltenen Netzhauterkrankung Reti- nitis pigmentosa (RP) sehbehindert und seit fast zehn Jahren vollblind. Bei der RP sterben die Netzhautzel- len allmählich ab. Funktionsverluste sind die Folge, die in verschiedener Reihenfolge und Ausprägung auf- treten können, etwa Einengung und Ausfälle des Gesichtsfeldes, gestörtes Dämmerungssehen und Nachtblind- heit und eine Störung des Farbsehens. Seit fast sechs Jahren habe ich ein Netzhautprothesensystem. Ich kann nicht sehen, aber wieder mit einer künstlichen Wahrnehmung durchs Leben gehen. Ich kann mich besser orientieren, bin mobiler und damit im Alltag auch sicherer. Bordsteinkanten, Treppenstufen und Bewegungen kann ich wieder wahrnehmen. Im Haushalt nutze ich das System zum Beispiel beim Sortieren von Strümpfen, da ich helle und dunkle auseinanderhalten kann. Wenn ich in einem Kreis von Personen stehe, kann ich wahrneh- men, ob sie sich bewegen oder jemand dazukommt, was die Kommunikation enorm erleichtert. Denn oft passiert es einem blinden Menschen, dass er nicht bemerkt, dass das Gegenüber geht, und weiterredet. Auch im Klei- nen ist für mich vieles wieder möglich: Ich kann meine Hunde auf einer Wie- se verorten. Auch ein Feuerwerk, die Bewegung von Wellen, weiße Wolken am blauen Himmel oder große Tiere im Zoo kann ich wieder wahrnehmen. Es gibt viele Dinge, die ich dank dieser modernen Technik wieder kann und die mir ein selbstbestimmteres Leben ermöglichen. DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE WIRKSAME BEHANDLUNG Erst sieht das Leben noch völlig bunt aus, dann aber wird alles schwarz – so kann es von einem auf den anderen Monat Patienten mit Leberscher Hereditärer Optikus-Neuropathie, kurz LHON, ergehen. Hinter diesem komplizierten Namen verbirgt sich eine seltene erbliche Augenerkrankung, die meist bis zur Erblindung führt. Sichtfeld eines LHON-Patienten Bei LHON kommt es innerhalb kurzer Zeit zu einem schmerzlosen, oft erst auf einem Auge beginnenden Sehverlust, der sich bis auf seltene Ausnahmen bin- nen Wochen bis Monate auch auf das zweite Auge ausweitet. Typisch ist dabei auch, dass es mit dau- erhaft schwarzen Flecken in der Mitte des Gesichts- feldes beginnt. Dabei kann die Sehfähigkeit bereits nach wenigen Wochen unter zehn Prozent fallen. In Deutschland erkranken pro Jahr geschätzt 80 Men- schen neu an LHON. Männer sind dabei viermal häufiger betroffen als Frauen. Der Erkrankungsbe- ginn liegt überwiegend zwischen 15 und 35 Jahren, jedoch kann LHON in jedem Lebensalter starten. Auslöser für den Ausbruch dieser schlummernden Erbkrankheit können manchmal Alkoholgenuss, Rauchen oder die Einnahme von Antibiotika sein. Bis vor kurzem gab es keine Therapie für Betroffe- ne mit LHON. Doch im September 2015 gelang es dem Schweizer Unternehmen Santhera Pharmaceu- ticals, eine erste wirksame Behandlung für Patien- ten mit LHON anzubieten: Mit Hilfe des Wirkstoffs Idebenon sollen lebensfähige und nur inaktive Seh- nervenzellen der Netzhaut langsam wieder aktiviert werden, sodass die Betroffenen sich wenigstens et- was mehr orientieren oder wieder sehen können – besser und bunter. Mehr Information: www.santhera.de ›