+3 Magazin März 2019 | Page 8

+2 8 WAS SIND SELTENE KRANKHEITEN? WIR FRAGEN: ... und was ist Ihre Meinung? www.plus-drei.de [email protected] Tetrachromaten können bis zu 100 Millionen Farben mehr als andere Menschen sehen. Die Fähigkeit wird häufig zuerst für eine Sehschwäche gehalten – und betrifft ausschließlich Frauen. Quelle: Gabriele Jordan, Newcastle University Eva Luise Köhler, Stiftungsratsvorsitzende Eva Luise und Horst Köhler Stiftung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen Keine Seltenheit Experten haben hochgerechnet, dass es bis zu 8.000 seltene chronische Erkrankungen gibt. Die Tendenz ist durch fortschrittliche Diagnostik steigend – was auch für die Zahl der Betroffenen gilt. 4,3 Millionen, vor allem Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene, sind es allein in Deutschland. Für sie gleicht oft schon die Suche nach Spezialisten, die über- haupt in der Lage sind, eine Diagnose zu stellen, einer jahrelangen Odyssee von Klinik zu Klinik. An deren Ende steht dann leider viel zu häufig keine geeignete Therapie, weil es derzeit nur etwa 140 Arzneien für seltene Leiden gibt. Natürlich setzen die Betroffenen und ihre Familien alle Hoffnungen in den medizinischen Fortschritt – und das zu Recht, wie ich finde. Es ist ein wunderbares Privileg, dass ich als ACHSE-Schirmherrin und im Rah- men unserer Stiftungsarbeit immer wieder erleben darf, welch Glück es bedeutet, wenn Wissenschaftler Ant- worten finden, die Chancen auf Lin- derung und manchmal sogar auf Hei- lung eröffnen. Weil Forschung aber eher eine langfristige Perspektive ist, darf nicht vergessen werden, dass die Betroffenen heute schon hochwertige medizinische Versorgung benötigen, wie sie nur an spezialisierten Zen- tren geleistet werden kann. Um zu verhindern, dass schwerkranke Men- schen weiterhin jahrelang schlecht betreut durchs System irren, muss die im Nationalen Aktionsplan für seltene Erkrankungen definierte Ver- sorgungsstruktur endlich vollständig implementiert werden. Leslie Malton, Schauspielerin und Botschafterin der Elternhilfe für Kinder mit Rett-Syndrom in Deutschland Sichtbar werden Seltene Krankheiten – sollte es nicht vielleicht besondere Krankheiten heißen, denn sind wir nicht alle be- sonders und einzigartig, egal ob gesund oder krank? Bereicherung, Herausforderung, Schmerz, Ver- zweiflung und das lachende Herz sind stete Begleiter eines Menschen und seiner Familie auf dem langen und unebenen Lebensweg mit einer seltenen Krankheit. Trotzdem gibt es kaum etwas Beglückenderes als das erkennende Licht in den Augen eines schwerbehinderten Menschen, wenn die klaffende Verständnislosig- keit überwunden wird. Sie lässt die © iStock./Benjavisa Qualen, die Ohnmacht gegenüber diesem Schicksal verblassen und gibt den Angehörigen Mut und Kraft im Moment der Schwäche. Das Glei- che erfahren Familien, die sich an die Elternhilfe für Kinder mit Rett- Syndrom wenden. Sie werden mit größtem Verständnis, Empathie und Sorgfalt empfangen. Die Elternhilfe ist der beste Partner bei der Bewäl- tigung der neuen Lebenssituation, eben weil sie selbst Betroffene sind. Man spricht dieselbe Sprache und weiß Bescheid über das, was auf die Familie zukommen wird. Sie können entsprechend beraten und einer Fa- milie zur Seite stehen. Zudem ist es äußerst wichtig, über die zweithäu- figste Behinderung für Mädchen das Bewusstsein in der Gesellschaft zu stärken, Aufmerksamkeit zu generie- ren und zu informieren. Es darf nicht sein, dass Familien in größter Not bei Anlaufstellen hören: „Rett? Noch nie gehört.“ Das muss sich ändern.