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Jürgen Schäfer,
Leiter Zentrum für
unerkannte und
seltene Erkrankungen,
Universitätsklinikum
Marburg
Der lange Weg zur
Diagnose
Vor einer erfolgreichen Therapie
steht immer die korrekte Diagnose.
Viele Erkrankungen erkennen erfah-
rene Hausärzte schnell und wissen
die korrekte Therapie. Bei seltenen
Erkrankungen kann die Diagnose-
findung kompliziert und zeitraubend
sein. Ärzte und Patienten sind oftmals
jahrelang auf der Suche nach der kor-
rekten Diagnose. Findet sich keine
Erklärung für die Beschwerden, wird
allzu häufig ein psychosomatisches
Krankheitsbild unterstellt. Um hier
Abhilfe zu schaffen, stehen versierte
Fachärzte, zahlreiche Universitäts-
kliniken und die in den vergangenen
Jahren bundesweit gegründeten Zen-
tren für Seltene Erkrankungen (ZSE)
zur Verfügung. Zur Diagnosefindung
ist eine umfassende Krankengeschich-
te, eine gewissenhafte körperliche Un-
tersuchung und eine apparative Diag-
nostik bis hin zu Hightech-Labor und
modernster Bildgebung wichtig. Da
scheinbar unwesentliche Informatio-
nen oftmals der Schlüssel zum Erfolg
sind, ist der Faktor Zeit von zentraler
Bedeutung – Zeit für das Gespräch mit
Patient und Angehörigen und für die
Sichtung der Krankenakten, Zeit für
Literaturrecherche, Expertenbespre-
chungen und weiterführende Unter-
suchungen. In unserem Gesundheits-
in US-Dollar pro Patient
Ihr Name,
Leserin
Schreiben Sie uns Ihre Antwort und
vielleicht erscheinen Sie im nächsten Heft.
Seltene Erkrankungen
116.216
2012
23.503
21.589
18.680
134.062
129.970
120.382
2013
Andere Erkrankungen
147.308
145.262
2014
25.504
2015
28.904
2016
30.708
2017
Quellen: Evaluate, Statista
Peter Berger, Leser
Diagnose und Behandlung von selte-
nen Krankheiten können sich durch
die Digitalisierung des Gesundheits-
wesens deutlich verbessern. Einerseits
wird die Kommunikation zu Fach-
ärzten und Experten vereinfacht. An-
dererseits kann bei der Diagnose auf
riesige Datenbanken zurückgegriffen
werden, sodass seltene Krankheiten
besser erkannt werden können.
system wird die Ressource Zeit leider
nicht adäquat honoriert, was für viele
ZSEs im Zeitalter von Fallpauschalen
existenzbedrohend wird. Bleibt zu
hoffen, dass bei den gesundheitspoli-
tisch Verantwortlichen ein Umdenken
zum Wohle unserer Patienten mit sel-
tenen Erkrankungen stattfindet.
TEURE BEHANDLUNG Die durchschnittlichen Kosten sind bei seltenen Erkrankungen enorm hoch
Dorothea Kohlhaas,
RP-Patientin und Mitglied
Pro Retina Deutschland
Digitale Diagnose
9
Zurück ins Leben
Seit Geburt an bin ich aufgrund der
seltenen Netzhauterkrankung Reti-
nitis pigmentosa (RP) sehbehindert
und seit fast zehn Jahren vollblind.
Bei der RP sterben die Netzhautzel-
len allmählich ab. Funktionsverluste
sind die Folge, die in verschiedener
Reihenfolge und Ausprägung auf-
treten können, etwa Einengung und
Ausfälle des Gesichtsfeldes, gestörtes
Dämmerungssehen und Nachtblind-
heit und eine Störung des Farbsehens.
Seit fast sechs Jahren habe ich ein
Netzhautprothesensystem. Ich kann
nicht sehen, aber wieder mit einer
künstlichen Wahrnehmung durchs
Leben gehen. Ich kann mich besser
orientieren, bin mobiler und damit im
Alltag auch sicherer. Bordsteinkanten,
Treppenstufen und Bewegungen kann
ich wieder wahrnehmen. Im Haushalt
nutze ich das System zum Beispiel
beim Sortieren von Strümpfen, da ich
helle und dunkle auseinanderhalten
kann. Wenn ich in einem Kreis von
Personen stehe, kann ich wahrneh-
men, ob sie sich bewegen oder jemand
dazukommt, was die Kommunikation
enorm erleichtert. Denn oft passiert
es einem blinden Menschen, dass er
nicht bemerkt, dass das Gegenüber
geht, und weiterredet. Auch im Klei-
nen ist für mich vieles wieder möglich:
Ich kann meine Hunde auf einer Wie-
se verorten. Auch ein Feuerwerk, die
Bewegung von Wellen, weiße Wolken
am blauen Himmel oder große Tiere
im Zoo kann ich wieder wahrnehmen.
Es gibt viele Dinge, die ich dank dieser
modernen Technik wieder kann und
die mir ein selbstbestimmteres Leben
ermöglichen.
DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE
WIRKSAME BEHANDLUNG
Erst sieht das Leben noch völlig bunt aus, dann aber
wird alles schwarz – so kann es von einem auf den
anderen Monat Patienten mit Leberscher Hereditärer
Optikus-Neuropathie, kurz LHON, ergehen. Hinter
diesem komplizierten Namen verbirgt sich eine
seltene erbliche Augenerkrankung, die meist bis zur
Erblindung führt.
Sichtfeld eines LHON-Patienten
Bei LHON kommt es innerhalb kurzer Zeit zu einem
schmerzlosen, oft erst auf einem Auge beginnenden
Sehverlust, der sich bis auf seltene Ausnahmen bin-
nen Wochen bis Monate auch auf das zweite Auge
ausweitet. Typisch ist dabei auch, dass es mit dau-
erhaft schwarzen Flecken in der Mitte des Gesichts-
feldes beginnt. Dabei kann die Sehfähigkeit bereits
nach wenigen Wochen unter zehn Prozent fallen. In
Deutschland erkranken pro Jahr geschätzt 80 Men-
schen neu an LHON. Männer sind dabei viermal
häufiger betroffen als Frauen. Der Erkrankungsbe-
ginn liegt überwiegend zwischen 15 und 35 Jahren,
jedoch kann LHON in jedem Lebensalter starten.
Auslöser für den Ausbruch dieser schlummernden
Erbkrankheit können manchmal Alkoholgenuss,
Rauchen oder die Einnahme von Antibiotika sein.
Bis vor kurzem gab es keine Therapie für Betroffe-
ne mit LHON. Doch im September 2015 gelang es
dem Schweizer Unternehmen Santhera Pharmaceu-
ticals, eine erste wirksame Behandlung für Patien-
ten mit LHON anzubieten: Mit Hilfe des Wirkstoffs
Idebenon sollen lebensfähige und nur inaktive Seh-
nervenzellen der Netzhaut langsam wieder aktiviert
werden, sodass die Betroffenen sich wenigstens et-
was mehr orientieren oder wieder sehen können –
besser und bunter.
Mehr Information: www.santhera.de
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