+3 Magazin März 2019 | Page 18

+3 18 › Johannes Klaus, Reiseblogger und Verleger Das echte Leben sehen Was zieht uns in die Ferne? Angst und Bange könnte mir werden. Ver- rückte Terroristen wollen mir an den Kragen. Das Klima geht den Bach runter. Und meinen Job macht be- stimmt bald ein Roboter. Und zwar besser. Warum sollen wir da noch wegfahren? In der Ferne treffe ich Menschen wie Reza. Er ist Soldat an der Grenze zum Iran und trotz der Kalaschnikow über der Schulter ein ausnehmend herzlicher Mensch. „Welcome to Iran!“, ruft er. Er notiert die Adresse seiner Familie, falls ich in seinem Heimatort vorbeikomme. Ich begegne Menschen in Bangladesch, die mir stolz ihr Land zeigen und sich freuen, dass jemand sie nicht nur als Synonym für Ausbeutung wahr- nimmt. Ich sehe Naturspektakel, die mich ehrfürchtig machen vor der Kraft und Schönheit der Erde. Noch nie war es so einfach zu reisen. Und niemals war es leichter, einen Bei- trag zu erbringen, dass es auch den Menschen, die weniger Glück haben als wir, in Zukunft besser geht. Auch das ist unsere Verantwortung. Die Welt ist heute nicht schlechter als vor fünfzig oder tausend Jahren. Ich würde sogar behaupten: ganz im Ge- genteil. Den meisten Menschen geht es besser, sie leben länger, sind frei- er, haben mehr Möglichkeiten. Es ist leicht, sich in Paranoia zu verlieren. Doch mit einem offenen Blick sieht man: Wir leben in einer faszinieren- den Welt und es ist ein großes Privi- leg, sie selbst entdecken zu können. Keine Fernsehdoku, kein Reiseblog und kein Buch kann das ersetzen. Helge Timmerberg, Reiseschriftsteller Was wir vergessen Zu viel Nähe zieht mich in die Fer- ne. Zu viel Sicherheit ins Abenteuer. Zu viel Sofa in die Schlaglöcher. Und manchmal sind es auch die Sterne, die mir den Weg weisen. Aus dem Wissen ins Ungewisse. Aus der All- tagshölle in die Urlaubsparadiese. Ferien vom Schicksal. Raus aus dem Karma. Beziehungsauszeit. Die Gna- de der Einzelzimmer. Sex mit Frem- den. Die heilige Hängematte. Sand statt Stein, Ruhe statt Lärm, Reggae statt modern. Hüfttücher, Freizeit- hosen, Hemden aus Hawaii. Voll- mond in den Tropen. Pina Colada. Auf der anderen Seite des Äquators Julia Nowak, Leserin Flucht in die Ferne Es gibt viele gute Gründe, die uns in die Ferne ziehen, Motive wie Wis- sensdurst und Neugier. Doch ich beschäftige mich bei Ihrer Fragestel- lung vor allem mit den Motiven, die Menschen dazu veranlassen, mit ih- rer Familie ihre gewohnte Umgebung sind die Cocktails immer süßer und die Palmen immer grüner, die Frauen schöner, die Männer selbstsicherer, die Leute leutseliger, das Schwere leichter, die Liebe freier, das Verbün- den unverbindlicher. Beachlife statt Leben. Streetlife statt Rattenren- nen. Bezahlbare Bambushütten im Südchinesischen Meer, im Golf von Thailand, an den Karibikküsten. Bil- lige Ferne, billiges Bier, billige Züge, billige Moral. If you can’t be with the one you love, love the one you with, Honey. Die Urlaubsabschnittsbezie- hung, die Etappenaffäre, die Well- ness-Orgasmen, der ewige Moment statt die ewige Liebe, die Reise in den Rausch. Legal, illegal, scheißegal. All das und noch viel mehr, unendlich viel mehr, als das bereits Gesagte, zieht uns immer wieder gerne in die weite Ferne und immer wieder fallen wir darauf rein. Erst bei der Ankunft fällt es uns ein. Wir haben schon wie- der die Mosquitos vergessen. hinter sich zu lassen und ihre Heimat aufzugeben. Wieso zieht es ganze Familien weg in die Fremde? In ent- fernte Länder, in denen eine ganz an- dere Sprache gesprochen wird? Wer so viel Mut aufbringt und so viel Risi- ko eingeht, der würde sich mit diesem Mut doch viel lieber etwas in seiner Heimat aufbauen, oder? Ich glaube, in solchen Fällen werden Menschen hauptsächlich von ihrer Angst in die Ferne getrieben. Pauline Knof, Leserin und Schauspielerin Die Welt erleben Ich packe regelmäßig meinen Ruck- sack und fahre ganz allein weit weg. Nichts bringt mich näher zu mir selbst, als mit fremdem Menschen zu reden, meine Komfortzone zu verlas- sen und sprichwörtlich zu erfahren, wie es in der Welt zugeht. Es rela- tiviert die Blase, in der ich lebe. Ich reise allein, damit ich im Moment leben kann, mit den Leuten, die mir begegnen in dieser Sekunde. Durch die Ferne bin ich geduldiger, tole- ranter und dankbarer geworden. Die Ferne ist Inspiration, Lernen, Sehn- sucht, Abenteuer und gleichzeitig die Sicherheit, dass es zu Hause doch am schönsten ist. Anzeige Die Terrasport von Mühle-Glashütte Neues Element, gleiche Tugenden: Gerade eine Fliegeruhr muss sich durch Die Terrasport verlagert unsere nautischen Tugenden vom Wasser in die größtmögliche Präzision, Zuverlässigkeit und Ablesbarkeit auszeichnen. Luft. Damit hat sie die Welt der Aeronautik wie im Flug erobert. Besuchen Sie unsere Webseite unter: www.muehle-glashuette.de