+3 Magazin März 2019 | Page 12

+2 12 › Paula Anders, Leiterin Selbsthilfe- gruppe JuDy – Junge Dystonie Betroffene Gemeinsam stark Das Gefühl, anders zu sein, haben mir eigentlich immer nur die anderen ge- geben. Alles fing an, als ich zwei war – mit unwillkürlichen und schmer haften Muskelverkrampfungen. Kei- ner wusste, was dahintersteckt. Mei- ne Eltern waren verzweifelt. Jahre- lang sind wir von Arzt zu Arzt und ich bekam immer neue Pillen gegen die Zuckungen. Die machten mich vor allem müde und langsam. In der Schule wurde ich gemobbt. Verständ- nis und Unterstützung? Fehlanzeige. Seitdem ich in der Jungen Selbsthilfe der Deutschen Dystonie Gesellschaft mitmache, weiß ich, wie viel man er- reichen kann, wenn man sich mit an- deren Betroffenen zusammenschließt. Wir helfen uns gegenseitig, unsere Er- krankung zu bewältigen. Und als Mit- glied der ACHSE sind wir Teil einer viel größeren Familie. Selten ist näm- lich gar nicht so selten. Betroffene mit einem der 8.000 verschiedenen selte- nen Krankheitsbilder haben mit ähn- lichen Problemen zu kämpfen. Damit ich anderen Jugendlichen und Eltern mit meinen Erfahrungen weiterhelfen kann, habe ich mehrere Fortbildungen Christoph Klein, Direktor Kinderklinik der LMU München und Vorstand Care-for-Rare Foundation Kranke Kinder haben Rechte Kinder mit seltenen Erkrankungen sind Waisen der Medizin. Sie erleben oft Odysseen von Arzt zu Arzt, bis eine richtige Diagnose gestellt wird. Sie werden aufgrund ihrer Behinde- rung oft ausgegrenzt. Selbst wenn Ärzte ihre Krankheit diagnostizieren, gibt es für viele Kinder immer noch keine Hoffnung auf Heilung. Ihre Krankheiten sind kaum erforscht. Hinzu kommt, dass es in einem Ge- sundheitswesen, welches sich immer mehr an Prinzipien der Effizienz- und Profitabilitätssteigerung orientiert, wenig Anreize gibt, die Kindern mit seltenen Erkrankungen nützen. Es gibt immer weniger Spezialisten, eine kindgerechte und ganzheitliche Ver- sorgung ist im Krankenhaussektor zunehmend von Spenden und Dritt- mitteln abhängig. Vor diesem Hin- tergrund setzt sich die Care-for-Rare Foundation dafür ein, dass die Rech- te kranker Kinder mehr Beachtung finden. Die UN-Kinderrechtskon- vention spricht Kindern Schutz-, Be- teiligungs- und Entwicklungsrechte zu. Alle Bereiche unserer Gesellschaft sind aufgefordert, die Würde kranker absolviert, denn unser Netzwerk kennt sich aus – es kann Fragen zu den Er- krankungen und Themen wie Pflege und Versicherungen beantworten, Rat geben zu Behandlungsmöglichkeiten, Experten nennen und vieles mehr. Mich hat mein Engagement stark ge- macht. Ich habe die Schule gewechselt und dann eine tolle Ausbildung be- gonnen. Seit kurzem hat meine „Sel- tene“ sogar einen Namen: Myoklonus- Dystonie-Syndrom. Volker Schmidtmann, Leser Schön, dass es Initiativen gibt, die Hilfe leisten. Ich glaube, dass es für Familien besonders wichtig ist, zu fühlen, dass sie nicht in Vergessen- heit geraten. KLINISCHE ENTWICKLUNG Wirkstoffe für seltene Erkrankungen schaffen es häufiger als andere bis zur Zulassung Alle Krankheiten Chronische Krankheiten mit hoher Prävalenz Seltene Erkrankungen 85% 76% 63% 87% 89% 73% 58% 58% 61% 50% 30% 25,3% 9,6% 27% 8,7% Phase 1 bis zur Zulassung Phase 1 zu Phase 2 Phase 2 zu Phase 3 Phase 3 zu Antrag auf Zulassung Antrag auf Zulassung zu Zulassung Zeitraum: 2006-2015; Phase 1 = Erprobung an gesunden Menschen, Phase 2 = Erprobung an ersten Patienten, Phase 3 = Erprobung an vielen Patienten (Schlüsselstudien) Quellen: Biotechnology Innovation Organization, Statista Ihr Name, Leser Schreiben Sie uns Ihre Antwort und vielleicht erscheinen Sie im nächsten Heft. Kinder zu achten und ihre Rechte zu respektieren – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu strukturellen Verän- derungen bei der kindgerechten und ganzheitlichen Versorgung von Kin- dern mit seltenen Erkrankungen. Die Care-for-Rare Foundation fördert den ersten Deutschen Kindergesund- heitsgipfel „Kindermedizin und Kin- derrechte“ am 29. und 30. April 2019 und will ein Zeichen der Solidarität für Kinder mit seltenen Erkrankun- gen setzen. www.care-for-rare.org Miriam Schlangen, Leiterin der Geschäfts- stelle Nationales Aktions- bündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE) In den Fokus gerückt Das Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankun- gen (NAMSE) wurde im März 2010 ins Leben gerufen. Beteiligt sind alle wesentlichen Akteure auf dem Gebiet der seltenen Erkrankungen – ausschließlich der Spitzen- und Dachverbände. Das NAMSE ist mit dem Ziel angetreten, die Lebens- situation von Menschen mit einer seltenen Erkrankung zu verbessern, sodass sie ihren gleichberechtigten Platz im medizinischen Alltag fin- den. Seit 2013 gibt es einen Natio- nalen Aktionsplan mit Handlungs- empfehlungen in den Bereichen Versorgung, Zentren, Netzwerke, Forschung, Diagnose, Register, In- formationsmanagement und Pa- tientenorientierung. Eine zentrale Maßnahme des Aktionsplans ist die Einführung eines dreistufigen Zen- trenmodells mit den sogenannten Zentren für Seltene Erkrankungen (ZSE). Damit sollen Versorgungs- lücken geschlossen und Forschung und Versorgung besser vernetzt wer- den. Auch Patienten mit unklarer Diagnose erhalten so eine Anlauf- stelle. Ein virtueller Atlas, zu finden unter www.se-atlas.de, gibt einen Überblick zu den bereits vorhande- nen Zentren und zu den Experten für die jeweilige Erkrankung, da- mit Ärzte und Patienten schnell die richtigen Ansprechpartner finden und die Patienten die bestmögliche Versorgung erhalten. Ein wichtiges Kriterium für die ZSEs ist die Zu- sammenarbeit mit der Selbsthilfe. Den Kontakt zu Selbsthilfegruppen können Betroffene über die Dachor- ganisation ACHSE aufnehmen. DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE Hannes Schmeil, General Manager, Alnylam Germany Dienst am Menschen Am Tag der seltenen Erkrankungen ist es für uns jedes Jahr ein wichtiges Anliegen, an der Diskussion über sel- tene Krankheiten teilzunehmen und zu erfahren, wie wir Patienten mit seltenen Krankheiten helfen können, die nur begrenzte oder gar keine Be- handlungsmöglichkeiten haben. Bei Alnylam arbeiten wir intensiv daran, Ergebnisse aus der Grundlagenfor- schung nutzbar zu machen und einen neuen therapeutischen Ansatz zur Be- handlung einiger seltener genetischer Krankheiten zu entwickeln. Denn viele chronische Krankheiten werden durch einen Gendefekt oder eine Mutation verursacht, die die Art und Weise be- einträchtigt, wie der Körper Proteine herstellt. Mit der RNA-Interferenz (RNAi) gehen wir einen völlig neuen Weg zur Behandlung dieser Krankhei- ten. Im Gegensatz zu herkömmlichen Medikamenten, die darauf abzielen, die Wirkung von krankheitsverursa- chenden Proteinen zu stoppen, zielen RNAi-Therapeutika auf die Ursache der Erkrankung ab, indem sie die schädlichen Proteine an ihrer Quelle „ausschalten“. Unser erstes Medika- ment mit diesem Wirkprinzip ist jetzt in Europa für Patienten mit einer sel- tenen, erblich bedingten Krankheit zugelassen. Und wir arbeiten an wei- teren Prüfpräparaten – darunter drei Medikamente, die sich bereits in der Spätphase der Entwicklung befinden. Wir freuen uns, den Tag der seltenen Erkrankungen unterstützen zu dür- fen und im Besonderen darauf, weiter einen positiven Beitrag zum Leben dieser Patienten leisten zu können.