+3 Magazin Mai 2019 | Page 5

+1 Endlich handeln Die Stadt gehört nicht denjenigen, die als Eigentümer im Grundbuch eingetragen sind. Sie ist ein soziales Gefüge, das den Bewohnern gehört und ein Gemeinschaftsgefühl vermit- telt. Nach sträflicher Vernachlässi- gung der Wohnungspolitik seit 1990 ist heute in vielen Städten ein Defizit entstanden. Was wir vor allem brau- chen, sind bezahlbare Wohnungen, die einen durchschnittlichen Haus- halt nicht mit mehr als 30 Prozent des verfügbaren Einkommens belasten. Wir brauchen eine Stärkung des öf- fentlich geförderten Wohnungsbaus. Wir brauchen im Anbieterbereich Investoren, die Immobilien nicht als Spekulationsobjekte sehen, sondern sich der sozialen Verantwortung des Wohnens stellen. Solche Investo- Zivilisation auf Zeit Wir haben uns die Städte nur von der Natur geliehen. Das sieht man daran, dass sich Natur keine Schranken set- zen lässt und versucht, jedes Fleck- chen Beton und Asphalt zurückzuer- obern. Der Mensch spricht hier oft von Unkraut, Pionierpflanzen trifft es viel besser. Unter dem Pflaster wartet die Wiese auf ihre Rückkehr. zu gestalten und jedem das Gefühl zu geben, dass die Stadt genau ihm als Teil eines großen Ganzen gehört. Lebendige Kieze Wenn ich mit offenen Augen und Oh- ren durch unser Viertel laufe, kann ich ganz klar sagen, dass die Stadt den Kindern gehört. Und das ist auch gut so, denn genauso, wie die ganze Ge- sellschaft durch Kinder zukunftsfähig wird, bleibt eine Stadt durch Kinder lebenswert. Nichts ist erschreckender als eine Stadt, die sich ausschließlich an den Bedürfnissen einer vergreisen- den Gesellschaft orientiert und alles, was mehr Lärm macht als das Quiet- schen eines Rollators, sofort stillregu- liert. Natürlich ist in dichtbesiedelten Lebensräumen Rücksicht auf andere gefragt und Kinder sollen auch lernen, dass sie nicht der Mittelpunkt des Sonnensystems sind. Kreative Lösun- gen sind gefragt, um das Miteinander TEURE STÄDTE Hier sind die Preise für Eigentumswohnungen am höchsten in Euro pro Quadratmeter 6.737 München 8.342 4.373 Frankfurt am Main Roland Schmid, Leser Melanie Schubert, Leserin ren sind kommunale und kirchliche Wohnungsunternehmen und Genos- senschaften. Ihnen muss der Zugang zu den im öffentlichen Eigentum stehenden Grundstücken erleichtert werden. Wir brauchen Planungs- vorgaben, die bei jedem Neubau- vorhaben einen Anteil von wenigs- tens 30 Prozent Sozialwohnungen sicherstellen. Wir müssen den Werks- wohnungsbau reaktivieren und auf gewerblich genutzten Flächen Woh- nungen im großen Stil aufsetzen. Wir brauchen einen gesellschaftli- chen Diskurs über die Chancen und Möglichkeiten der Nachverdichtung. Und wir brauchen ein Mietrecht, das jedenfalls in der Zeit des Mangels an Wohnraum vor zu hohen finanziellen Belastungen schützt. Dazu gehören eine wirksame Mietpreisbremse und ein Modernisierungsrecht, das Mie- ter vor Verdrängung schützt. 6.060 2014 2018 4.744 Stu gart 5.925 3.767 Potsdam 5.602 3.866 Berlin 5.243 4.086 Erlangen 5.216 4.092 Regensburg 3.802 Augsburg 5.113 4.969 4.287 4.966 4.730 4.943 Ingolstadt Freiburg im Breisgau Preise Franz-Georg Rips, Präsident Deutscher Mieterbund 5 Quellen: empirica, Statista Amelie Rost, Architektin Das Wesen des Wassers In den letzten zehn bis 20 Jahren lässt sich ein spannender Veränderungs- prozess in der Wahrnehmung und Entwicklung innerstädtischer Was- serflächen feststellen. Wasserflächen werden in Groß- und Kleinstädten zunehmend als städtische Leerstellen, als vernachlässigter Raum oder aber als Möglichkeitsraum entdeckt. Sie werden von verschiedenen Akteuren und Initiativen mit diversen Nutzun- gen neu bespielt oder von den ver- antwortlichen Stadtbehörden in den Fokus stadtplanerischer Entwicklung gerückt. Es entstehen Projekte, die den Raum auf dem Wasser zugänglich machen sollen – sei es für private oder öffentliche Nutzungen – oder Projekte, die das Wasser selbst, zum Beispiel in einem Flussschwimmbad, erfahrbar machen wollen. Es ist in jedem Fall nicht mehr nur der Raum entlang des Wassers, es ist der Wasserraum selbst, der zum Transformationsraum geworden ist. Immer häufiger wird in diesem Zusammenhang die Frage „Wem gehört das Wasser?“ diskutiert. Viel spannender scheint es mir aber, die Frage „Was kann das Wasser?“ zu stellen. Was kann es alles sein? Wie kann es unterschiedlichen Ansprüchen gleichzeitig gerecht werden? Wie kann es von vielfältigen Akteuren gleichzei- tig oder abwechselnd genutzt und im- mer wieder neu beschrieben werden? Das Wesen des Wassers bestimmt sich zu großen Teilen über seine Nutzung. Eine Aushandlung der neuen Nut- zungsansprüche kann dazu beitragen, neue Narrative für innerstädtische Wasserflächen zu entwickeln. Derk Ehlert, Wildtierexperte des Landes Berlin Tierische Mitbewohner Städte werden von Menschen gebaut. Die Infrastruktur ist die Lebensader, die Arbeitsplätze der Motor. Und die Menschen machen es sich darin ge- mütlich. Meist klappt das auch ganz gut. Damit wir nicht ganz die Bezie- hung zur Natur verlieren und die Luft sauber bleibt, gibt es in jeder Stadt Bäume, dazu Parks, Seen oder Flüs- se. In gewisser Weise gehört die Stadt also den Menschen. Wenn wir uns da mal nicht irren, denn in jeder Stadt gibt es mindestens genauso viele Tiere wie Menschen. Einige von ihnen kom- men gezielt in die Stadt, weil sie dort entweder bessere Lebensbedingungen vorfinden als in der intensiv genutzten Agrarkultur oder die Stadt ihnen Le- bensräume bietet, die sie sonst nicht hätten. Der Mauersegler beispiels- weise. Als ehemaliger Waldbewohner brütete er ursprünglich in Baumhöh- len, heute ist er ein Gebäudebrüter. Amseln leben in Städten in dichteren Beständen als auf dem Land. Nachts flattern Fledermäuse durch die Stra- ßenfluchten, jagen Insekten und le- ben unter Dächern. Füchse, die in der Stadt einen reich gedeckten Tisch vorfinden und nichts von Jägern zu befürchten haben, verlassen die Städte gar nicht erst. Metropolen wie Berlin, die groß genug sind und auch noch grün dazu, bieten darüber hinaus Tieren wie Wildschweinen, Dachsen, Mardern und Waschbären „Wohn- raum“. Über 20.000 Tier- und Pflan- zenarten kommen allein in Berlin vor. Städte sind zwar keine Arche Noah, aber ebenso von Tieren besiedelt wie von Menschen. DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE Axel Gedaschko, Präsident Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW Antwort auf die soziale Frage Wohnen wird bezahlbar, wenn mehr und günstiger gebaut wird. Die Wohnungswirtschaft steht in den Startlöchern, wenn es darum geht, den sozialen und preiswerten Woh- nungsbau voranzubringen. Es fehlen aber immer noch die notwendigen Voraussetzungen: mehr und günsti- geres Bauland, schnellere Genehmi- gungsverfahren und geeignete För- derprogramme. Statt populistischer Fantasien von Verstaatlichung brau- chen die Menschen in Deutschlands Städten echte soziale Unterstützung. Deshalb sollten Städte und Länder zügig umfangreich Belegungsrechte ankaufen und damit mehr Sozial- wohnungen schaffen. Die Akzeptanz von Wohnungsneubau in der Be- völkerung muss bundesweit erhöht werden. Dazu sollten serielle und Typenbauweisen stärker unterstützt werden, um mehr preiswertes Bauen zu ermöglichen. Zu unserer sozialen Marktwirtschaft gehört es, genau dort schützende Leitplanken für die Bürgerinnen und Bürger zu setzen, wo das Soziale droht, auf der Stre- cke zu bleiben. Daher ist auch wich- tig, dass Wohnraum entweder gleich entsprechend gebaut werden kann oder so gefördert wird, dass er für alle Menschen bezahlbar bleibt. Das gilt auch angesichts wachsender Städte, des notwendigen generationenge- rechten Umbaus der Wohnungs- bestände und der Umsetzung der Energiewende. Dafür brauchen wir die Politik noch stärker als Partner. Die Wohnungswirtschaft jedenfalls geht die Herausforderungen für eine wohn- und lebenswerte Zukunft wei- terhin mit größtem Engagement an. ›