+3 Magazin Juli 2019 | Page 10

+2 10 WIE VIEL TIER BRAUCHT DER MENSCH? WIR FRAGEN: ... und was ist Ihre Meinung? www.plus-drei.de [email protected] In Schleswig-Holstein dürfen zwischen 1. April und 31. Oktober keine Hunde mit an den Strand gebracht werden – die Ausnahme bilden eigens deklarierte Hundestrände. Quelle: Landesnaturschutzgesetz Schleswig-Holstein © iStock./StudioThreeDots Kurt Kotrschal, Verhaltensbiologe und Gründer Wolf Science Center, Veterinärmedizinische Universität Wien Gewachsene Bindung Menschen sind biophil, also nahezu instinktiv an Tieren und Natur inter- essiert. Das zeigen klar die Säuglinge aller Kulturen, deren Aufmerksam- keitsspannen am höchsten gegenüber Tieren sind. Damit definieren sie eine wichtige Bedingung für ihr gelingen- des Aufwachsen, sie zeigen damit aber auch, dass die Beziehungen zu ande- ren Tieren in der Evolution des Men- schen besonders wichtig gewesen sein müssen. Schließlich ist es gar nicht so lange her, dass wir uns aus affen- artigen Vorgängern entwickelt haben. Altsteinzeitliche Menschen jagten Tiere, pflegten aber auch spirituel- le Beziehungen zu ihnen und hielten bereits Kumpantiere – beispielsweise schon vor 35.000 Jahren die aus Wöl- fen hervorgegangenen Hunde. Die menschliche Natur entstand in der Tierbeziehung. Heute legen Daten zur Bedeutung von Kumpantieren für Gesundheit und Wohlbefinden tat- sächlich nahe, dass Menschen an ein Leben mit anderen Tieren angepasst sind. Positive Wirkungen reichen von der Entwicklung einer resilienten Psy- che über die Ausbildung eines gesun- den Mikrobioms bis zu einem nicht zu Allergien neigenden Immunsystem. Das Bedürfnis nach einem Leben mit Tieren zeigt sich auch in der weltweit mit der Urbanisierung zunehmenden Haltung von Hunden und Katzen. Menschen und Tiere können zu ech- ten Sozialpartnern werden, weil ihr Verhalten ähnlich organisiert ist, weil sie die Grundemotionen und ein weit- gehend identisch funktionierendes soziales Gehirn teilen. Eisbärin Victoria, Bewohnerin des Hamburger Tierparks Hagenbeck Wir haben nur eine Erde Die Natur ist ein außerordentlich kom- plexes System. Pflanzen, Tiere, Men- schen, Luft, Wasser und Klima wir- ken zusammen. Verändert sich dieses Miteinander zu stark in zu kurzer Zeit, kommt alles ins Wanken. Der Mensch hat sich sehr lange keine Gedanken um mögliche Auswirkungen seines Verhal- tens gemacht, daher machen Tiere wie ich durch unsere bloße Präsenz darauf aufmerksam. Ich bin Eisbärin Victo- ria, 18 Jahre alt, wohne im Hamburger Tierpark Hagenbeck und bin von Beruf Botschafterin. Ich finde es wichtig, dass die Menschen ihre Mitbewohner auf der Erde, die Gefahr laufen, zu verschwin- den, selbst erleben können. Der Lebens- raum meiner Artgenossen ist ein gutes Beispiel: Die Klimaerwärmung lässt das arktische Eis schmelzen. Wir Eisbären können die langen Winter nicht mehr auf dem Packeis verbringen und Robben jagen. So fressen wir uns normalerweise eine dicke Fettschicht an. Unterernährt sind Eisbärinnen jedoch nicht mehr in der Lage, Nachwuchs aufzuziehen. Sie haben einfach keine Milch, um ihn zu ernähren. So dreht sich die Spirale von Ursache und Wirkung und endet mit einer tierischen Katastrophe. Aus un- terschiedlichen Gründen sind Tierarten von solchen Katastrophen bedroht, zum Beispiel die Sibirischen Tiger, die Asia- tischen Elefanten, Orang-Utans und lei- der noch viele weitere. Liebe Menschen, ihr braucht viel mehr Tier, als ihr für möglich haltet. Wir teilen uns den Le- bensraum auf der Erde. Gebt uns allen eine Chance!