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René Marcel Jörgenson, Leser
Keine Zeitfrage
„Ich habe keine Zeit“ ist wohl die weit-
verbreitetste und zugleich schlechtes-
te Ausrede, die es gibt. Zeit ist etwas,
von der wir alle gleich viel haben.
Vielmehr beschreibt die ser Satz, dass
man keine Lust oder etwas Wichti-
geres zu tun hat. Das ist vollkommen
in Ordnung, aber man kann das sei-
nem Gegenüber klar kommunizieren:
„Deine Katzengeschichten interessie-
ren mich nicht“ oder „Ich habe etwas
Besseres vor, als mit dir ins Kino zu
gehen“, das wären ehrliche Antwor-
ten. Wenn man sich dessen bewusst
wird, dass es keine Zeitfrage ist, son-
dern eine Frage der Lust, wird man
Günter Hudasch,
Erster Vorsitzender
Berufsverband der
Achtsamkeitslehrenden
in Deutschland (MBSR-
Verband)
Innehalten
Unser Leben ist so hektisch geworden,
dass man eher fragen müsste: Wofür
fehlt die Zeit eigentlich nicht? Schlaf,
Essen, Familie und Freunde – selbst
diese elementaren Bedürfnisse kom-
men für viele oft zu kurz. Da erscheint
es geradezu radikal, sich Zeit zu neh-
men, um eigentlich nichts zu tun, au-
ßer zu atmen. Das ist es, was wir tun,
wenn wir Achtsamkeit üben: Wir hal-
ten inne, um den eigenen Körper und
die Atmung zu spüren. Dafür können
wir uns hinsetzen, die Augen schließen
und wahrnehmen, was da ist – Um-
gebungsgeräusche, das Fließen des
Atems, die eigenen Gedanken. Inne-
halten können wir auch im Alltag, um
zum Beispiel beim Duschen die Wär-
me des Wassers auf der Haut wahrzu-
nehmen. So kommen wir zu uns, statt
„außer uns“ zu sein. Mit regelmäßiger
gegenüber sich selbst ehrlicher. Vor
nicht so langer Zeit habe ich selbst
noch oft diese Ausrede verwendet
und bin meinen Wünschen nicht
nachgegangen. Das tue ich jetzt. Ich
wollte etwa für mich eine neue Sport-
art entdecken und fand Fahrradfah-
ren toll. Aber mich mit dem Thema
erst mal zu beschäftigen, war mir zu
aufwendig. Das passende Fahrrad
finden, eine fahrradtaugliche Ausrüs-
tung zulegen – und von den bevorste-
henden Wegen will ich gar nicht erst
sprechen. Ein Freund von mir hat
diesen Wunsch in mir erkannt und
mich eines Tages zu seinem Fahrrad-
laden des Vertrauens gebracht. Raten
Sie mal, wer sich ein Fahrrad zugelegt
hat und jetzt jeden Tag Zeit hat, mit
dem Fahrrad unterwegs zu sein?
Übung wächst die Fähigkeit, uns we-
niger den automatischen Reaktionen
zu überlassen, die in stressigen Situa-
tionen oft reflexartig in uns ausgelöst
werden. Stattdessen können wir be-
wusster entscheiden, wie wir reagieren
möchten. Braucht es dafür Zeit? Ja.
Aber weniger, als viele denken. Schon
20 Minuten am Tag können den All-
tag positiv beeinflussen. Sie bedeuten,
ein Stück Freiheit zu gewinnen und
die Schönheit des Lebens zu genie-
ßen, statt sich von den vermeintlichen
Zwängen des hektischen Lebens (an-)
treiben zu lassen. Achtsamkeitsme-
ditation kann man in achtwöchigen
Kursen erlernen und dann ein Leben
lang für sich oder mit anderen weiter
trainieren und praktizieren.
Ingrid Staufer, Leserin
Zeit fehlt nicht. Es fehlt maximal an
der Zeit zur freien Einteilung. Zu viel
Zeit wird fremd bestimmt verplempert
– von Arbeitgebern mit starren Arbeits-
zeiten und den damit verbundenen un-
nötig langen Zeiten zum Pendeln.
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Felix Plötz,
Entrepreneur und Autor
Barriere im Kopf
Freitag, später Nachmittag. Ich fahre
gerade den PC herunter. Schon wie-
der Freitag, ich kann es kaum glauben.
Freue ich mich darüber? Nein, es er-
schreckt mich eher. Wieder ist eine Wo-
Max Blust, Leser
Urlaub vom Gehirn
Es fehlt die Zeit zum Planen und
dann noch die Energie zum Verwirk-
lichen. Wenn wir Zeit für uns haben,
sind wir glücklich, mal nichts zu ma-
chen. Typisches Ereignis: Vorhaben
werden wochenlang akribisch ge-
plant, wie mit Freundin und Freun-
den etwas zu unternehmen, und am
Ende der Woche liegt man doch nur
mit seiner Liebsten auf der Couch.
Auf einmal sind die Prioritäten an-
ders gesetzt und man möchte nur
noch den Fernseher ein- und sich
selbst ausschalten.
Maike Wischmann, Leserin
Zeit ist relativ
Der Zeit ist immer da, sie fehlt nicht.
Doch wo immer es gelingt, aus dem
Zeitrahmen zu fallen, da beginnt ein
neuer Lebenszeitraum. Es gibt Tage,
an denen bleibe ich einen ganzen Tag
im Schlafanzug, schaue nicht auf die
Uhr, lasse mich gehen und treiben.
Es gibt kein geregeltes Essen, die Kü-
che bleibt kalt, morgens Chips und
Limonade, abends mal sehen. Es gibt
Tage, da haben wir keinen Plan. Wir
entscheiden beim Spaziergang, ob es
che vergangen, wieder viel zu schnell.
Der Sommer ist fast vorbei, bald ist es
November. Mit zu viel Regen, Nässe,
Kälte. Und nicht viel später ist das Jahr
schon rum. Wieder ein Jahr. Großartig!
Die Zeit scheint zu rasen – und ich mit
ihr. Nur voran komme ich dabei nicht.
Irgendwie besteht mein Leben nur noch
aus Älterwerden und nicht mehr aus
Leben. Es besteht nur noch aus Büro,
völlig kaputt nach Hause kommen, ab
und zu den Kontostand checken. Eat,
work, sleep, repeat. Ich rase und stag-
niere gleichzeitig. „Was zum Teufel ma-
che ich hier eigentlich?“, schießt es mir
in letzter Zeit immer häufiger durch
den Kopf. Was ist bloß aus meinen
Träumen geworden? Warum habe ich
meine Idee immer noch nicht verwirk-
licht? Diese Geschäftsidee, von der alle
meinen, sie sei so großartig. Finde ich ja
auch. Aber würde ich dafür kündigen?
Ich weiß es nicht. Das Risiko wäre mir
zu groß. Und deswegen fange ich nicht
an. Nie. Eat, work, sleep, repeat – der
Teufelskreis verpasster Chancen und
verflogener Träume. Dass es trotzdem
geht, wusste ich lange nicht. Ideen
verwirklichen. Ein Startup gründen.
Und das nebenbei. Das klingt wie ein
Wunschtraum, oder? Unrealistisch.
Dachte ich auch. Bis ich es einfach ge-
macht habe. So wie Tausende. Jeden
Tag. Was ist mir dir?
nun links herum geht oder doch noch
X Kilometer gerade aus. Es gibt nur
noch Spontanität. Es gibt kein vorher
oder nachher, sondern wir sind mit-
tendrin und überraschen uns selbst.
Es gibt Tage, oft im Urlaub, da fällt
alles von einem ab, die Zeit scheint
plötzlich zu fließen, zu verfließen.
Stunden im Café nur gucken, in der
Natur sein und leer werden, nichts
tun und sich nicht langweilen. In die-
ser oft kurzen Zeit von einigen Tagen
bin ich schneller gewachsen und wei-
ser geworden. Und kommt man nach
Hause, scheint die Zeit wie angehal-
ten gewesen zu sein.
DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE
ZEIT IST UNSERE NEUE WÄHRUNG
Unsere Welt hat sich stark verändert
in den letzten Jahrzehnten, ein Wer-
tewandel ist deutlich spürbar gewor-
den. Was uns vor zehn Jahren noch
etwas bedeutet hat, ist heute unwich-
tig geworden. Wir optimieren uns täg-
Katja Leßmeister,
lich selbst, sind mehr denn je auf der
Chief Marketing
Überholspur. Was wir früher in einer
Officer, Jochen
Schweizer mydays Woche erledigt haben, soll heute am
besten in 24 Stunden passieren. Der
Holding GmbH
Ausspruch „Höher, schneller, weiter“
ist Ausdruck einer ganzen Generati-
on geworden. Unsere Welt dreht sich gefühlt immer
schneller. Wir sind nonstop erreichbar, häufig im
Stress, nur ganz selten mal offline. Und haben für al-
les zu wenig Zeit. Schon Kinder bemühen das Thema
„Zeit“ – sind im Stress mit Schule, Hobbys und Freun-
den. Meine Kindheit war deutlich entschleunigter.
Und auch unsere Beziehungen leiden, und damit ist
fast jede Art von Beziehungen gemeint. Wenn wir uns
selbst beobachten, wie oft wir Menschen, die uns na-
hestehen, täglich abweisen. „Dafür habe ich jetzt kei-
ne Zeit“, einer meiner häufigsten Sätze neuerdings.
Kennen Sie das auch? Früher hat man sich immer ge-
wünscht, dass die Eltern für einen da sind. Jetzt rufen
sie an, nun fast 80-jährig, und wollen einfach nur mal
die Stimme der Tochter hören, aber die ist gerade in
einem Meeting – und hat keine Zeit. Mir ist bewusst,
dass ich das schon bald bereuen werde.
Alltägliche Terminjagd
Und auch diese Situation kennt man: Zwischen dem
letzten Termin im Büro und dem Fitnesskurs hetzt
man schnell nach Hause, um die Laptoptasche ge-
gen die Yogamatte zu tauschen. Im Hausflur begeg-
net man noch seinem Partner. Ein flüchtiger Kuss,
schnell werden die wichtigsten Themen ausgetauscht:
„Ist das Auto beim Tüv? Wie lief der Termin heute
mit dem Chef? Wann bist du kommende Woche zu
Hause?“, und schon ist man aus der Tür. Im Hinter-
kopf werden schon die nächsten Termine priorisiert
– ein Meeting muss vorbereitet werden, die nächste
Dienstreise rückt näher und die Steuererklärung steht
an. Mittlerweile ist der Mangel an gemeinsamer Zeit
eines der Hauptstreitthemen in Beziehungen. Will
Smith sagt in seinem Film „Collateral Beauty“ fol-
gendes: „Wir sind hier, um zu verbinden: Liebe, Zeit,
Tod. Diese drei Dinge verbinden alle menschlichen
Wesen auf der Erde. Wir sehnen uns nach Liebe, wir
wünschen, wir hätten mehr Zeit und wir fürchten den
Tod.“ Und plötzlich merkt man, Zeit ist endlich und
wir müssen damit haushalten. Uns fragen, wem wid-
men wir sie. Zeit ist zu unserer wertvollsten Währung
geworden und bedeutsamer als Euros auf dem Konto.
Wir haben uns bei mydays gefragt, was ist unser Bei-
trag dazu und wie helfen wir zu verbinden. Das tun
wir mit unseren Erlebnissen. Denn genau genommen
schenkt man mit einem gemeinsamen Erlebnis das
Wertvollste, das man hat: Zeit.